Lehren und Lernen auf der Sekundarstufe II (E-Book). Группа авторов

Lehren und Lernen auf der Sekundarstufe II (E-Book) - Группа авторов


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die Vorhersehbarkeit jeglichen Lehrerfolgs und damit auch die Verantwortbarkeit bildungspraktischen Handelns nicht an der Autonomie (Willens- und Entscheidungsfreiheit) Lernender scheitern (vgl. z. B. Amos, 2016, S. 61; Stegmüller, 1964 und 1966)? Dazu kurz (ausführlich: Heid, 1994):

      (7.1)Einwirkung darf nicht mit Autonomiebeeinträchtigung verwechselt werden.

      (7.2)Willens- und Entscheidungsfreiheit der Einwirkungsadressaten dürfen nicht mit völliger Unberechenbarkeit jenes Verhaltens gleichgesetzt werden, in dem sich Einwirkungseffekte zeigen. Bildungs- wie alle Verhaltensforschung bezweckt die Generierung nomologischen Wissens, das wesentlicher Bestandteil professioneller Lehrpersonenkompetenz ist. Lehrpersonen lernen in ihrem Studium und konsolidieren in ihrer Praxis jenes lehr-lern-theoretische Wissen, das es ihnen ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, mit der ihr professionelles Handeln unter jeweils gegebenen Bedingungen bewirkt, was es bezweckt – obwohl und vielleicht sogar weil die Adressaten ihres bildungspraktischen Handelns, nämlich die Lernenden, freie, d. h. autonom denkende, urteilende, entscheidende und handelnde Subjekte sind.37 Für die Qualitätsentwicklung dieses Denkens, Urteilens, Entscheidens und Handelns tragen Lehrende auf allen Stufen des Bildungssystems eine in gesellschaftlicher Arbeitsteilung etablierte und legitimierte Mitverantwortung.

      Obwohl Menschen auch dort sehr viel und unverzichtbar Wichtiges lernen, wo nicht gelehrt wird, wäre es politisch, ökonomisch und bildungspraktisch unverantwortlich, «das Lernen» unkontrolliert den Wechselfällen gesellschaftlicher Praxis auszuliefern. So wie «das Lernen» (in unserer Zeit und Zivilisation) verantwortliches Lehren nicht erübrigen kann, so konnte und kann Erfolg versprechendes Lehren «das Lernen» nie ersetzen.

      Literatur

      Amos, K. (2016). Die Empirie des Pädagogischen und ihr Verhältnis zur Scientisierung. Eine kognitiv-kulturelle Betrachtung in transnationaler Perspektive. In W. Meseth, J. Dinkelaker, S. Neumann & K. Rabenstein (Hrsg.), Empirie des Pädagogischen und Empirie der Erziehungswissenschaft. Beobachtungen erziehungswissenschaftlicher Forschung (S. 55– 70). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

      Benner, D. (2018). Über Lehren und Lernen in ausgewählten westlichen Didaktik-Konzepten. In D. Benner, H. Meyer, Z. Peng & Z. Li (Hrsg.), Beiträge zum chinesisch-deutschen Didaktik-Dialog (S. 44–63). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

      Bohnsack, F. (2015). Pädagogische Absicht und alternative Intentionalität. In P. Loebell & P. Buck (Hrsg.), Spiritualität in Lebensbereichen der Pädagogik (S. 103–119). Opladen: Barbara Budrich.

      «Brauchen Renaissance des Leistungsprinzips» (2018, 30.7.). Veranstaltungsbericht (zu Josef Kraus. Straubinger Tagblatt, S. 13.

      Brezinka, W. (1976). Erziehungsziele, Erziehungsmittel, Erziehungserfolg. München: Reinhardt.

      Diederich, J. (1994). Was lernt man, wenn man nicht lernt? Zeitschrift für Pädagogik, 40(3), 345–353.

      Ekholm, M. (1999). Schüler machen Schulprogramm und was man von Schweden lernen kann. Pädagogik, 51(11), 16–23.

      Heid, H. (1994). Das Subjekt als Objekt erziehungswissenschaftlicher Forschung? In G. Pollak & H. Heid (Hrsg.), Von der Erziehungswissenschaft zur Pädagogik? (S. 171–181). Weinheim: Studienverlag.

      Heid, H. (1996). Was ist offen am offenen Unterricht? In A. Leschinsky (Hrsg.), Die Institutionalisierung von Lehren und Lernen (S. 159–172). Weinheim: Beltz.

      Heid, H. (2003). Bildung im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Qualifikationsanforderungen und individuellen Entwicklungsbedürfnissen. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 99(1), 10–25.

      Klein, S. (2018, 13.8.). «Studium Generale für alle». Interview mit HR-Präsident Peter-André Alt. Süddeutsche Zeitung, Nr. 185, S. 12.

      Klingberger, L. (1990). Lehrende und Lernende im Unterricht. Berlin: Volk und Wissen.

      Kraus, J. (1998). Spaßpädagogik: Sackgassen deutscher Schulpolitik. München: Universitas.

      Meumann, E. (1911). Vorlesungen zur Einführung in die Experimentelle Pädagogik und ihre psychologischen Grundlagen, Bd. 1 (2. Aufl.). Leipzig: Engelmann.

      Meumann, E. (1913). Intelligenz und Wille (2. Aufl.). Leipzig: Quelle & Meyer.

      Prim, R. (2001). Schülersubjekt und Schulorganisation. In T. Rihm (Hrsg.), Schulentwicklung. Vom Subjektstandpunkt ausgehen … (S. 41–68). Bad Heibrunn: Klinkhardt.

      Rousseau, J.-J. (1762/1965). Emile oder Über die Erziehung. Stuttgart: Reclam.

      Stegmüller, W. (1964). Erkenntnis und Erfahrung. Typoskript der Funkuniversität Berlin vom 4.3.1964.

      Stegmüller, W. (1966). Erklärung, Voraussage, wissenschaftliche Systematisierung und nicht-erklärende Informationen. In: Ratio, 8(1), 1–22.

      Spranger, E. (1959). Erziehung zum Verantwortungsbewusstsein. In Probleme einer Schulreform. Eine Vortragsreihe (S. 181–195). Stuttgart: Kröner.

      Vogel, P. (1990). Kausalität und Freiheit in der Pädagogik. Frankfurt am Main: Lang.

      Vollmer, G. (1995). Biophilosophie. Stuttgart: Reclam.

      Weber, M. (1919). Politik als Beruf. In ders., Gesammelte Politische Schriften. Hrsg. v. J. Winckelmann (S. 493–548). Tübingen: Mohr-Siebeck.

      Zheng, L., & Meyer, M. A. (2018). Didaktik und Unterrichtsreform im Zeitalter der Globalisierung. In D. Benner, H. Meyer, Z. Peng & Z. Li (Hrsg.), Beiträge zum chinesisch-deutschen Didaktik-Dialog (S. 198–216). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

       Flexibles Lernen als Lernform der Zukunft?

      1Einführung

      Unsere Gesellschaft ist einem ständigen Transformationsprozess unterworfen, und Flexibilität nimmt eine zunehmend wichtigere Rolle in verschiedenen Lebensbereichen ein. Beispiele dafür sind flexible Arbeitszeiten und hohe zeitliche Verfügbarkeit im Beruf, neue Familienmodelle sowie insbesondere im Tertiärbereich hochgradig mobile und globalisierte Lernende. In diesem Zusammenhang wird auch von den Bildungsinstitutionen mehr Flexibilität und Individualisierung gefordert, und in den letzten Jahren ist flexibles Lernen in den Fokus der pädagogischen Qualitätsentwicklung gerückt. Das flexible Lernen wurde in den 1970er Jahren in den USA begründet, seither hat sich das Interesse daran ständig entwickelt, was sich auch in einer steigenden Zahl an Publikationen in diesem Themenfeld ausdrückt (Li & Wong, 2018). Auch die aktuelle Diskussion zur Digitalisierung der Bildung ist stark vom Begriff des flexiblen Lernens geprägt; flexibles Lernen, digitales Lernen, Blended oder Distance Learning werden denn auch häufig sinngleich verwendet. In diesem Beitrag wird der Begriff des flexiblen Lernens geklärt, es werden exemplarisch Umsetzungen an Bildungsinstitutionen vorgestellt sowie Herausforderungen und Grenzen von flexiblem Lernen als Lernform der Zukunft diskutiert.

      2Konzepte und Dimensionen des flexiblen Lernens

      Flexibles Lernen oder Flexible Learning ist ein breiter Begriff mit unterschiedlichen Interpretationen (De Boer & Collis, 2005; Li & Wong, 2018). Ganz allgemein formuliert, sollen flexible Lernangebote den unterschiedlichen Bedürfnissen der Lernenden entsprechen und es ihnen ermöglichen, mehr Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen (Wade, 1994). Im Zentrum von flexiblem Lernen stehen die Lernenden mit ihren Bedürfnissen; die Bildungsangebote sollen ihnen die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, was, wann, wie und wo gelernt wird. Die British Higher Education Academy beschreibt dieses Konzept wie folgt: «Flexible learning is about empowering students by offering them choices in how, what, when and where they learn: the pace, place and mode of delivery» (HEA, 2015, S. 1).

      Beim flexiblen Lernen müssen zwei Perspektiven adressiert werden. Die institutionelle Perspektive stellt die Frage, wie die Lernorganisation und die didaktische Ausgestaltung aussehen müssen, um beispielsweise den zeitlich und räumlich unabhängigen Zugriff auf Lernressourcen zu gewährleisten. Aus Sicht der Lernenden muss beachtet werden, dass flexibles Lernen Lernende in die Lage versetzt, einen


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