Heilmittel der Sonne - eBook. Olaf Rippe
»Das Herz ist die Sonne, und wie die Sonne auf die Erde und sich selbst wirkt, also wirkt auch das Herz auf den Leib und sich selbst.« (Paracelsus)
Im Winter erstarrt die Natur. Aber sie stirbt nicht, denn kein Blatt fällt, bevor sich nicht eine neue Knospe gebildet hat. Auch der Tod ist nur ein Übergang. Grabbeigaben waren daher häufig sonnenhaft, und besonders immergrüne Pflanzen wurden schon zu Urzeiten als Symbole ewigen Lebens verehrt. Sie künden davon, dass die Tore der Unterwelt niemals ganz geschlossen bleiben.
Damit die alles belebende Kraft der Sonne niemals nachlässt, feiern die Menschen seit Jahrtausenden an den vier magischen Eckpunkten im Jahreskreis Feste zu Ehren der Sonne.
Die Tagundnachtgleichen im Frühjahr und Herbst sowie die Wendepunkte der Sonne im Sommer und Winter bilden den Takt zum Tanz der Sonne durch das Jahr. Die Feste machen uns bewusst, wie sehr unser Leben von der Sonne abhängig ist. Aber das ist noch nicht alles.
»Wie oben so unten, wie unten so oben« – nichts ist auf der Welt einseitig, alles ist ein Wechselspiel.
Dem Aberglauben zufolge sollten einst Dankesopfer den Geist der Sonne nähren und dem Menschen ihr Wohlwollen sichern. Doch das Opfer dient uns selbst am meisten, weil es das positive Gefühl der Dankbarkeit nährt und weil es uns mit dem Geist der Sonne verbindet.
Daher sind jene Rezepte, die den jeweiligen Jahreszeiten entsprechen, auch mehr als nur Heilmittel gegen Krankheiten. Sie sollen vielmehr zur Harmonie mit der Natur zurückführen.
Als Symbol für die fruchtbare Kraft der Sonne verwendet man seit Jahrtausenden das Sonnenrad, das älteste der Sonnenzeichen. Der Kreis entspricht dem allumfassenden und belebenden Geist der Sonne, das Kreuz symbolisiert die Erde. Es teilt den Kreis in vier Abschnitte. Sie stehen für die Jahreszeiten.
Die Swastika ist eine abgewandelte Version mit gleicher Aussage. Es ist aber viel dynamischer als die anderen Sonnensymbole, weswegen es auch Sonnenwirbel heißt. Es stellt den Lauf der Sonne durch den Tierkreis dar. Die Arme symbolisieren die vier Eckpunkte des Jahreskalenders, an denen man traditionell die Sonnenfeuer entzündet.
Wie man den Feuergeist beschwört und bändigt
Feuer gehören seit Urzeiten zu allen kultischen Handlungen, mit denen der Mensch die Kräfte der Sonne beschwört. Einst glaubte man, dass das irdische Feuer ein herabgefallener Funken des himmlischen Sonnenfeuers sei. Egal ob Ostern oder Sommersonnenwende, zu den wichtigsten Festtagen entzündete man und entzündet zum Teil auch heute noch heilige Feuer, um durch die Flammen symbolisch die Sonnenkräfte zu nähren. Auch die Kerzen auf dem Adventskranz oder am Weihnachtsbaum sind somit Relikte einer uralten Sonnenverehrung.
Vor allem aber sollen die kultischen Feuer die Mächte der Finsternis und natürlich auch die Kälte vertreiben. Darüber hinaus wollte man den Geist des Feuers nähren, indem man ihm geweihte oder heilige Kräuter opferte, wie es einst zur Sonnenwende mit dem Beifuß geschah oder zu Maria Himmelfahrt mit den Kräuterbuschen. Nicht zuletzt holt man sich bis heute immergrüne Zweige ins Haus, die den Sieg der Sonnenkräfte über den todbringenden Winter verkörpern. Viele davon dienen seit Urzeiten als Räucherwerk für die Nächte rund um die Wintersonnenwende. Räucherungen sind aber auch eine Botschaft an den Himmel und somit ein magisches Mittel, um mit den Sonnengöttern Kontakt aufzunehmen.
Aber mit dem Feuergeist ist nicht zu spaßen. Er ist ein Kobold voller Streiche und verantwortlich für so manches Unheil, ganz wie Loki, der germanische Feuergott. Damit aus einem wohlwollenden Geist kein Feuerteufel wird, sollte man wissen, wie man das Feuer im Zaum hält.
Zuviel Sonnenfeuer verbrennt nicht nur die Haut oder verursacht einen Sonnenstich. Im Seelischen führt es zu einer hysterischen, übersprühenden Begeisterung und zu einem überhitzten und cholerischen Temperament. Typische weitere Folgen sind z. B. ein hochroter heißer Kopf, eine erhöhte Schweißneigung oder Bluthochdruck. Ähnliche Symptome zeigen sich bei vielen Frauen im Klimakterium.
Aber auch hier bewähren sich sonnenhafte Heilmittel wie Biene, Schlangengift oder Bärlapp. In geeigneter Zubereitung kühlen und entspannen sie die erhitzte Seele. Allerdings sollte man hier auch mondhafte und saturnale Mittel zur Gegenregulation einsetzen.
Zu viel Wärme schadet ebenfalls so mancher Arznei. Schließlich scheint die Sonne auch nicht ununterbrochen, sondern überlässt nachts die Regie dem kühlenden Mond. Ebenso könnte man den Winter als Erholungspause betrachten.
»Alles hat sein Paar von Gegensätzlichkeiten, aber Gegensätze sind identisch in ihrer Wesensart, nur verschieden im Grad.« (Kybalion)
Die kühle Jahreszeit ist die Zeit des Geistes und der Besinnung. Und wenn es um die Herstellung von Arzneien geht, entfaltet sich vieles erst im sanften Mondlicht zur vollen Blüte. Im Mond spiegelt sich das Licht der Sonne. Seine wichtigste Funktion ist es, einen Ausgleich zur Sonne zu schaffen und ihren Gegenpol zu bilden. Immer wieder werden wir sehen, wie wichtig das Wechselspiel der »Zwei Lichter« ist. Sonne und Mond bilden Polaritäten, genauso wie Tag und Nacht oder Sommer und Winter, die sich rhythmisch abwechseln.
Das Sonnenorgan Herz
Wenn wir nach einer Entsprechung für das Rhythmusprinzip der Sonne im Menschen suchen, kommt am ehesten das Herz in Betracht, unser »Ich-Organ«. Wenn wir »Ich« sagen und dabei auf uns deuten, zeigen wir meist auf das Herz. Es ist die Sonne im Mikrokosmos Mensch.
Im stetigen Zusammenziehen und Ausdehnen des Herzmuskels schwingen wir im Rhythmus der Sonne. Aber das Herz ist dabei alles andere als eine Maschine, die einem festgelegten Takt folgt. Immer ist das Herz bereit, sich flexibel den Erfordernissen des ganzen Körpers anzupassen.
Das Herz ist auch unser »Erkenntnisorgan«, denn alles Wissen ist nur wahr, wenn es von Herzen kommt. Das Gehirn ist der Spiegel des Herzens, und daher dem Mond zugeordnet.
Disharmonie heißt Krankheit
Schätzungsweise 50 % aller Todesfälle sind heute auf Herz-Kreislauf-Krankheiten zurückzuführen – ein Phänomen, das erst seit wenigen Generationen existiert. Die Ursachen sind vielfältig.
Mangelndes Mitgefühl hat viele Herzen zu Stein werden lassen. Eine übergroße Last bedrückt die Herzen, weil es in der Hektik unserer Zeit keine Zwiesprache mehr mit den Göttern gibt. Wir leben in einer entmystifizierten Welt. Alles will gewogen und gemessen sein, um als wahr zu gelten. Seit wir aber die Götter aus der Natur verbannten und kaum noch Feste ihre Kräfte nähren, leidet unser Herz vor Sehnsucht.
Der Mensch als Mikrokosmos ist der Spiegel kosmischer Kräfte. Die Sonne entspricht dem »Ich-Organ« Herz. Unterhalb der Sonnenbahn befinden sich die Elemente Erde und Wasser, oberhalb befinden sich Luft und Feuer. Die den Körper umgebenden Kreise stellen die einzelnen Energiekörper oder Auren des Menschen dar (Physis, Vitalität, Seele und Bewusstsein). Durch sie steht der Mensch in Beziehung zur geistigen Welt höherer Mächte (Quintessenz), symbolisiert durch den Strahlenkranz über dem Kopf, in dem der Name Gottes geschrieben steht. (Robert Fludd, 1619)
»Wie man von den Arabern weiß, steht die Sonne dem Gehirn, dem Herzen, den Schenkeln, dem Marke, dem rechten Auge und dem Lebensgeiste vor.« (Agrippa von Nettesheim)
Wenn die äußere Lebensweise nicht mehr mit der inneren Wahrheit und dem Rhythmus der Sonne übereinstimmt, ist das Leben disharmonisch, und Disharmonie heißt Krankheit.
Herzneurosen, Rhythmusstörungen, Sklerose oder Herzinfarkt sind mögliche Folgen. Aber auch andere Störungen körpereigener Regulationsmechanismen stehen damit in Beziehung, denn alle rhythmischen Vorgänge entsprechen der Sonne, seien es die Hormonausschüttung, der Blutdruck oder der Wechsel von Wachen und Schlafen.
So wundert es nicht, dass wir unter den »Heilmitteln der Sonne« neben solchen für das Herz auch welche für andere Regulationsmechanismen