Gemmotherapie in der Kinderheilkunde - eBook. Chrischta Ganz

Gemmotherapie in der Kinderheilkunde - eBook - Chrischta Ganz


Скачать книгу
eigene Intelligenz – glücklicherweise! Denn wenn wir aus unserem Verstand heraus organisieren müssten, dass unsere Organe funktionieren und die Stoffwechselprozesse richtig ablaufen, hätten wir keine Chance, auch nur eine Minute zu überleben. Die Welt, in der wir leben, ist nämlich so feindselig, dass jeder Atemzug, jeder Bissen, jeder Kontakt mit der Umwelt eigentlich tödlich sein müsste. Sich davor bewusst schützen zu wollen wäre unmöglich. Doch jede Zelle lebt und arbeitet an ihrem für sie bestimmten Platz im Organismus. Jede ist ein kleines Meisterwerk der Natur, das atmet, mit den umliegenden Zellen kommuniziert, seine Aufgaben erfüllt, materiell und energetisch verstoffwechselt, was anfällt – und unser Leben ermöglicht.

      Wir scheinen fast alles über die Evolution, über die Spiralen der DNS, über die biochemischen Vorgänge in der Leber oder im Gehirn zu wissen. In Wahrheit wissen wir aber beinah nichts – jedenfalls nichts von dem, was den Zusammenschluss all unserer Zellen zu einem lebendigen Wesen werden lässt. Es ist ein Geheimnis, das auch immer ein wundervolles Geheimnis bleiben wird. Wir können uns ihm höchstens ahnend nähern. Ein Wunder lässt sich nicht mit chemischen Formeln, Gewebsproben oder Laborwerten erklären. Ein Wunder lässt sich nur in Demut und Dankbarkeit betrachten. Mit dieser Einstellung werden wir manchmal staunend, stumm und dankbar, wenn wir als Erwachsene begleitend miterleben dürfen, wie ein Kind groß wird.

      Dieses wunderbare Zusammenwirken zwischen körperlichen Prozessen, geistigen und psychosozialen Wirkfaktoren aktiviert die Selbstheilungskräfte. Eine solche Sichtweise von Lebensprozessen fordert auch ein anderes Verständnis von Krankheit. Eine Erkrankung ist keine zu reparierende Störung, die in geschlossenen Systemen abläuft, sondern eine Aktion des Körpers im Zusammenspiel mit sozialen und seelischen Einflüssen und ökologischen Wechselwirkungen. So ist in der Naturheilkunde beispielsweise Fieber als wichtiger Heilungsprozess und nicht als möglichst schnell zu beseitigendes Symptom zu verstehen. Im Fieber werden Krankheitsgifte verbrannt, was sowohl konkrete Erreger wie auch persönliche Entwicklungsblockaden betrifft. Solange sich das Fieber im verträglichen Maß zeigt, ist es darum nicht sinnvoll, es zu senken. Es geht vielmehr darum, dem kranken Kind mit Ruhe, Pflege und Zuversicht zur Seite zu stehen, damit die natürliche Heilung ihre Kraft entfalten kann.

      Das Aufwachsen eines Kindes wirft viele Fragen auf. Was heißt gesund? Was gehört zu einer gesunden Entwicklung und Reifung im Laufe der Kindheit und des Jugendalters? Wer gibt die Definition dafür? Es ist der ganze Weg des Erwachsenwerdens mit seinen vielfältigen Erfahrungen, der gegangen sein will. Das Leben unserer Kinder bleibt bei aller wissenschaftlichen Erkenntnis und elterlichen Handlungskompetenz immer ein Mysterium.

      Alle Behandlungsmaßnahmen der traditionellen Naturheilkunde und auch der Schulmedizin finden also dort ihre Grenzen, wo Heilung letztendlich ein Mysterium und Gesundung eine Gnade ist. Allmachtsfantasien sind fehl am Platz. Heilung ist für uns Menschen nicht »machbar«. Wir können unseren Körper und unsere Seele – wie auch die Körper und Seelen »unserer« Kinder – in ihren Bedürfnissen unterstützen und für sie sorgen. Heilung kann durch menschliches Denken und Tun lediglich beabsichtigt und begünstigt werden. Das allein liegt im Bereich menschlicher Macht. Heilung erfolgt aus derselben Quelle, aus der auch das Leben kommt.

      Diese großen und tiefen Mysterien wollen wir in folgenden Worten feiern (inspiriert von einem christlichen Segensspruch):

      Mutter Erde und Vater Himmel segnen mich.

      Sie geben Flügel meinen Gedanken,

      Hände meinen Worten,

      Füße meinen Träumen,

      Liebe meinem Tun

      und Maß meinen Zielen.

      Großes Geheimnis,

      mögen dein und mein Geist eins werden.

      Wir sind genauso wie alle anderen Lebewesen in die natürlichen Zyklen eingebunden und bestehen ebenso wie alles Leben aus den Elementen Luft, Wasser, Feuer und Erde. Sind diese Elemente in einem individuellen Gleichgewicht, ist der Mensch gesund. Verliert der Mensch dieses Gleichgewicht, wird er krank. Auslöser, das Gleichgewicht dieser Wirkprinzipien zu verlieren, können äußere Bedingungen (Kälte, Hitze, Krankheitserreger) oder innere Faktoren (innere Entwicklungsschritte, konstitutionelle Merkmale, persönliche »Schwachstellen«) sein. Fast immer ist die Krankheitsentstehung sowohl von inneren wie auch von äußeren Faktoren abhängig.

      Die Elemente Luft, Wasser, Feuer und Erde bilden die Welt. Sie zeigen sich in allem Leben auf dieser Erde, so auch im menschlichen Organismus. Im traditionellen naturphilosophischen Medizinsystem Europas, der Humoralmedizin (vom lateinischen humor für »Feuchtigkeit«), werden die Kräfte der vier Elemente den Wirkprinzipen Sanguis/Blut (Luft), Phlegma/Schleim (Wasser), Chole/Gelbgalle (Feuer) und Melanchole/Schwarzgalle (Erde) zugeordnet. Diese Elemente sind nicht als konkrete Substanzen, sondern als feinenergetische Wirkprinzipien zu verstehen, denen die Qualitäten feucht/trocken und warm/kalt zugeordnet sind.

      Die Qualitäten der Säfteprinzipien sind:

Sanguis/BlutFeucht und warmElement Luft
Phlegma/SchleimFeucht und kaltElement Wasser
Chole/gelbe GalleTrocken und warmElement Feuer
Melanchole/SchwarzgalleTrocken und kaltElement Erde

      Sanguis/Blut

      Feucht-warmes Sanguis steht für Aufbau und Vitalität, wie man es vom Blut als Lebenssaft und Träger der Vitalkraft kennt. Das Sanguisprinzip symbolisiert die Energie und Dynamik, die das nährende Phlegma bewegt und belebt. Auch die Wahrnehmung von Reizen, deren Austausch und Vermittlung wird vom Sanguisprinzip vermittelt.

      Phlegma/Schleim

      Das feucht-kalte Phlegma gilt als potenzielle Energie, die der Mensch in Sanguis umformen muss, damit es ihm zur Verfügung steht. Neben dem nährenden Potenzial hat Phlegma auch eine befeuchtende Kraft, die sich in der Funktion von Kühlen und »Schmieren« zeigt. Als Energiespeicher ist Phlegma beispielsweise im Fettgewebe sichtbar. In der Krankheitslehre der Traditionellen Europäischen Naturheilkunde (TEN) versteht man unter einem unphysiologischen Anstieg von Phlegma (Phlegmatismus) eine mangelhafte Stoffwechselleistung des Organismus, die sich beispielsweise an Haut und Schleimhaut in Form von Ausschlägen und Entzündungen manifestieren kann.

      Chole/Gelbgalle

      Die trockene und heiße Chole symbolisiert den Antrieb und die Umsetzungskraft, die jeder Lebensregung zugrunde liegt. Das Wärmeprinzip, die Steuerung, Organisation und Reifung aller Lebensäußerungen organisieren sich über die Aktivität der Gelbgalle.

      Melanchole/Schwarzgalle

      Die trockene und kalte Schwarzgalle wirkt den vorwärtstreibenden Kräften entgegen und wird in Retentionskraft, Begrenzung, Verhärtung und Stagnation wahrnehmbar. Ein unphysiologischer Anstieg des melancholischen Prinzips führt in chronische Krankheitsprozesse.

      Die aufgenommene Nahrung enthält für den Menschen ein hohes Maß an potenzieller Energie (Speicherform der Energie). Er muss dieses aber erst noch in aktive Energie umwandeln. Denn die humorale Qualität von Nahrung ist kalt und feucht (Phlegma) und muss vom Körper in drei Kochungsschritten (Coctio) assimiliert werden, bis sie zu Sanguis umgewandelt werden kann, der aktiven Energie mit der Kraft, zu ernähren und zu bewegen.

      Die erste Kochung findet im Magen und Darm statt, die zweite läuft in den Mesenterial- und Pfortadergefäßen sowie der Leber ab. Die vollendete Wandlung zu feucht-warmem Sanguis geschieht in der dritten Coctio im Gewebe, wo Sanguis für Aufbau, Regeneration und Regulation der spezifischen Gewebsfunktionen gebraucht wird.

      Phlegma muss somit zwingend zu Sanguis gewandelt werden, bevor es verbraucht werden kann. Übermäßiges


Скачать книгу