Jugendsprache. Eva Neuland
hööfli!
Ausschnitt 4
ÜbersetzungÜbersetzung:
MAR: Höfli [=Andreas]! Höfli! MAT: Du bist gefragt. MAR: Allgemeine Suche nach diesem Deckel? Do you seen this Deckel? [sic] MAR: Den habt ihr mit in den Brunnen geschmissen. AND: Nein, wir haben dich doch gefragt. MAR: Scheissegal.
Beispiel: "ddeggel?"
(Zit. n. Galliker 2013, S. 295f)
Diese Studien heben hervor, dass die von ihnen erarbeiteten MusterMuster nicht unbedingt jugendexklusiv, sondern vielmehr jugendpräferentiell gebraucht werden, wobei nicht nur FrequenzFrequenz-, sondern auch BedeutungsunterschiedeBedeutungsunterschied zum Gebrauch dieser Muster in anderen Generationen eine Rolle spielen. Gleichwohl mangelt es noch an solchen intergenerationellen Vergleichen (s. Kap. 4.2), z.B. zwischen dem LästernLästern von Jugendlichen und von Erwachsenen. Steckbauer u.a. deuten eine solche generationsvergleichende Perspektive von Erzählungen Erwachsener und Jugendlicher mit gebotener Vorsicht an: „Während Erwachsene Erfahrungen gegenseitig zugänglich und erfahrbar machen wollen (Austausch auf „Augenhöhe“), wollen Jugendliche oft vor allem beeindrucken und (emotionale) Effekte wirksam machen“ (2014, 154). Die Annahme von Jugendtypik für bestimmte kommunikative Muster ist aber für die Jugendsprachforschung und ihr Gegenstandsfeld von entscheidender Bedeutung, wenn sie nicht in der allgemeinen Sprachgebrauchsforschung aufgehen will3.
Bezieht man jugendsoziologische und sozialisationstheoretische Überlegungen ein, so kann verdeutlicht werden, warum HandlungsmusterHandlungsmuster wie BlödelnBlödeln, Frotzeln, LästernLästern oder DissenDissen gerade für Jugendliche im Prozess der sozialen IdentitätIdentitätsozialeskonstruktion sprachbiographisch so bedeutsam sind. Auch das sprachkreative Potential der SprachspieleSprachspiele und BricolagenBricolage, die vergemeinschaftende Funktion von Spaß, Witz und Scherz spielen in der Jugendphase eine besondere Rolle.
So betont Schubert in seiner Studie über das LästernLästern u.a. die bedeutsamen Funktionen der VerständigungVerständigung über soziale Werte in der präsenten Peergruppe, Walther demonstriert die BedeutungBedeutung des BlödelnsBlödeln wie des Frotzelns als Formen der ScherzkommunikationScherzkommunikation für die Jugendlichen, und in Gallikers Studie spielt das identifikatorische SprachspielSprachspiele mit einer Verwendung ortsdialektaler Merkmale eine entscheidende Rolle. Die meisten der oben genannten Handlungsmuster, die überdies noch alters- und geschlechtstypisch ausgeprägt sein können, werden gruppenintern und oft im Modus der Scherzkommunikation verwendet; gruppenexterne AbgrenzungsfunktionenAbgrenzungsfunktion können beim Lästern gegenüber Outgroup-Mitgliedern als Lästerobjekte oder auch beim DissenDissen im Ernstfallmodus auftreten. Solche Fälle sind für die Forschung allerdings schwer zugänglich, zumal die AbgrenzungenAbgrenzung von Frotzeln und Dissen im intragruppalen Scherzmodus nicht immer trennscharf vorgenommen werden können.
4 Schwerpunkte der Jugendsprachforschung
Mittlerweile verfügen wir über eine wenn auch kurze, so doch äußerst lebhafte und anregende Forschungsgeschichte. Eine Bibliographie zur Jugendsprachforschung ist 1999 erschienen und war bald darauf schon wieder veraltet; größere empirische Forschungsprojekte haben ihre Erkenntnisse präsentiert; auf internationalen Konferenzen findet ein reger Austausch mit Jugendsprachforschern aus anderen Ländern statt. Dabei werden eine Vielzahl von Fragestellungen verfolgt und Ergebnisse gewonnen, die verschiedene inhaltliche Schwerpunktsetzungen in Verbindung mit unterschiedlichen Forschungsrichtungen erkennen lassen. Einige davon seien im Folgenden genauer vorgestellt. Auch wenn sie mit unterschiedlicher Intensität bearbeitet werden, erschließen sie doch die Vielschichtigkeit des Forschungsfeldes.
4.1 Jugendsprache als historisches Phänomen
In der öffentlichen Meinung wird Jugendsprache oft als ein neuzeitliches Phänomen der Gegenwartssprache angesehen. Kaum bis gar nicht ist bekannt, dass Jugendliche auch zu früheren Zeiten einen eigenen Sprachstil ausgebildet haben, der sich von dem in der Gesellschaft vorherrschenden und von der älteren GenerationGeneration verwendeten in bedeutsamer Weise unterschied. Unser Wissen darüber verdanken wir der fast zweihundertjährigen Tradition von historischen WörterbüchernWörterbücher und Dokumentationen der historischen StudentenspracheStudentensprache als früheste bekannte Form einer Jugendsprache in Deutschland.1Henne, Helmut/Objartel, GeorgSolche Wörterbücher, Dokumentationen und Lebensbeschreibungen spiegeln den Sprachstil und Lebensstil der akademischen männlichen Jugend, ihre zentralen Erfahrungsbereiche und sozialen Wertungen. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der frühen deutschen Studentensprache hat nicht nur historischen Stellenwert; vielmehr erschließen sich vor dem Hintergrund eines früheren kultur- und zeitgeschichtlichen Kontexts bereits charakteristische Merkmale und Funktionen von Jugendsprachen im gesellschaftlichen Wandel.2Neuland, Eva
Ein solcher studentischer Sprachstil offenbart zugleich einen bestimmten, nämlich den freiheitlich-burschikosen Lebensstil, der sich sowohl von den bürgerlichen Konventionen der nicht-studentischen Bürger: der PhilisterPhilister sowie von den nicht-burschikosen Studenten: den Muckern, Stubenhockern und Trauerklößen abgrenzt. Wie wir aus der Sondersprachforschung wissen3, weist er einen besonderen Wortschatz in den zentralen Lebensbereichen, sozialen Handlungsräumen und spezifischen Wertsetzungen dieser studentischen GruppenGruppe auf, wie z.B.: fidel, honett, die in der damaligen Allgemeinsprache eine ganz andere Bedeutung trugen.
Ein herausragendes Kennzeichen der historischen StudentenspracheStudentensprache ist jene SprachmischungSprachmischung des „makkaronischen Latein“, in dem Deutsch und Latein (z.B.: gassatum gehen, Konkneipant), wie aber auch Deutsch und Griechisch (z.B.: burschikos) verbunden mit SprachspielSprachspiele und IronieIronie zu einem neuen gruppenspezifischen Sprachstil vermengt werden. Weiterhin aufschlussreich im Vergleich zu heutigen Jugendsprachen sind auch die zahlreichen Metaphern und AnspielungenAnspielung sowie die Vermischung von Stilschichten der Sprache des Bildungsbürgertums mit dem RotwelschRotwelsch der ehemaligen GaunerspracheGaunersprache (z.B.: pumpen, Moneten).
Die historische Perspektive auf jugendlichen Sprachgebrauch zu anderen Zeiten macht deutlich, dass die deutsche Sprache immer schon von den jüngeren GenerationenGeneration geprägte Ausdrucksweisen in ihren Wort- und Formenbestand aufgenommen hat.
Manche Phänomene, die für neuzeitliche Erscheinungen gehalten werden, haben Tradition in der Geschichte der Jugendsprachen, wie SprachmischungenSprachmischung, BedeutungswandelBedeutungswandel, AnspielungenAnspielung auf die dominante Kultur, wenn auch mit anderen kulturhistorischen Rahmenbedingungen. Dabei werden zugleich zeitübergreifende jugendtypische Charakteristika deutlich.
4.2 Jugendsprache als Entwicklungsphänomen in der SprachbiographieSprachbiographie
Eine weitere wissenschaftliche Fragestellung ist auf die Jugendsprache als eine Phase der sprachlichen Sozialisation gerichtet. Dabei geht es allerdings nicht um die Vorstellung eines festen Entwicklungsablaufs innerhalb biologischer Altersgrenzen, wie sie in der psychologischen Tradition der SprachentwicklungsforschungSprachentwicklungsforschung und der AltersstilforschungAltersstilforschung noch vorherrschte1 und wie sie der