Jugendsprache. Eva Neuland
J: Glücksspiel
C: Was denn was war denn daran Risiko (.) Rita Süßmuth oder was?
E: Ficken einhundert
C: Rita Süßmuth
X: Risiko
((Lachen))
C: Frau Meyer hat Aids (.) Herr Herr Tropfmann hat Herpes (.) was möchten SIE einsetzten (..) öhöh (..) Syphilis. ((Lachen))
C: Also hier die Frage (.) also hier die Frage
E: Welche Frage
((Lachen))
S: Sein
R: Das ist hier die Frage
S: Sein oder nicht sein
R: Schwein oder nicht Schwein
((Lachen))
C: Schwein (..) oder nicht Schwein
Q: Dein?
Beispiel: „Der große Preis“
(Zit. n. SchlobinskiSchlobinski, Peter/Kohl, Gaby/Ludewigt, Irmgard/Kohl/Ludewigt 1993, S. 51ff.)
Ethnographische und sprechstilanalytische Jugendsprachforschungen lassen sich aktuell auch dem Oberbegriff der InteraktionsforschungInteraktionsforschung zuordnen, deren neuere Entwicklung in Kap. 3.8 angesprochen werden.
3.5 Kulturanalytische Jugendsprachforschung
Die kulturanalytischekulturanalytisch Richtung der Jugendsprachforschung unterscheidet sich von den bislang angeführten vor allem durch den stärkeren Einbezug sozialer und (sub)kultureller Aspekte in die mikroanalytischen Sprachbeobachtungen.
Erscheinungs- und Funktionsweisen von Jugendsprachen werden hier unter weiterem Einbezug der sprach- und kulturgeschichtlichen Verhältnisse in historischer sowie zeitgenössischer Perspektive soziolinguistisch analysiert und gedeutet (v.a. NeulandNeuland, Eva 1987ff.)1Neuland, Eva/Martin, Stephan/Watzlawik, Sonja. Die internationale Jugendsprachkonferenz von 2001 in Wuppertal: „Jugendsprachen – Spiegel der Zeit“ gab diese Richtung programmatisch vor. Dabei spielen die funktionalen Aspekte der generationsspezifischen Abgrenzungen gegenüber den gesellschaftlichen Konventionen der „Außenwelt“ ebenso eine Rolle wie die der sozialen Identitätsbildung in den Binnenräumen soziokultureller Jugendstile, wie sie u.a. in Personenklassifikationen (Proll: „der Typ Leute, der wie ’n Generaldirektor tut und Postbote ist“)2Neuland, EvaSpreckels, Janet oder beim LästernLästern in einer Jugendgruppe über eine Mitschülerin ausgedrückt werden:
A: Jetzt isse eben die coole Katrin, die immer kifft. ((Lachen))
C: Naja, jetzt will se sich einfach nur behaupten. ((zustimmendes Raunen))
Früher war’s ihr scheißegal, was andere von ihr gehalten haben und jetzt muss sie die Beste sein.
Beispiel: „Die coole Katrin“
(Zit. n. MartinMartin, Stephan/Schubert, Daniel/Watzlawik, Sonja/Schubert/Watzlawik 2003, S. 123)
Zur Bestimmung des Verhältnisses zur StandardspracheStandardsprache werden Methodenkombinationen aus Fragebogenerhebungen, BeobachtungenBeobachtung und KorpusanalysenKorpusanalysen bevorzugt. Dabei werden auch Einstellungen von Jugendlichen zur Jugendsprache erhoben, z.B. zu Gebrauchsbegründungen. So formuliert ein Jugendlicher: „weil Jugendsprache fetter ist als das Gelaber von Erwachsenen“. Der Einbezug des SprachbewusstseinsSprachbewusstsein, die Verarbeitung von Spracherfahrungen und die SprachreflexionenSprachreflexionen von Jugendlichen sind kulturanalytischkulturanalytisch höchst aufschlussreich.
3.6 Kontrastive Jugendsprachforschung
Seit den 90er Jahren ist die linguistische Jugendsprachforschung in Deutschland in einen internationalen Forschungskontext eingebettet. Sammelbände zur internationalen Jugendsprachforschung, insbesondere die Dokumentationen der internationalen Jugendsprachkonferenzen (Herausgeber: AndroutsopoulosAndroutsopoulos, Jannis/Scholz, Arnim/Scholz 1998, NeulandNeuland, Eva 2003b, DürscheidDürscheid, Christa/Spitzmüller, JürgenDürscheid, Christa/SpitzmüllerSpitzmüller, Jürgen 2006, Neuland 2007, Jørgensen 2010, KotthoffKotthoff, Helga/Mertzlufft 2014, Spiegel/Gysin 2016, ZieglerZiegler, Evelyn i.E.) präsentieren Einzelbeiträge aus verschiedenen europäischen und außereuropäischen Regionen. Aufschlussreiche Erkenntnisse vermittelt der Einbezug einer vergleichenden Perspektive von Jugendsprachen in verschiedenen europäischen Ländern (so ZimmermannZimmermann, Klaus 2003 zur spanischen, französischen, portugiesischen und deutschen Jugendsprache), z.B. im Hinblick auf lexikalische Verfahren wie EntlehnungenEntlehnungen, v.a. cool, sowie morphologische Verfahren wie die SuffigierungSuffigierung, z. B. dt. Realo, frz. punkette, span. bocata (von Bocadillo), port. letreiro (Student der Fac. de letras)1Zimmermann, Klaus, EhrhardtEhrhardt, Claus (2007) zu Phraseologismen im Deutschen und Italienischen. Als besonderes Anliegen erschien zunächst die Erarbeitung zweisprachiger Jugendsprache-Wörterbücher.2Lacarescu, Ioan Mit dem abnehmenden Interesse an lexikologischenlexikologisch und lexikographischenlexikographisch Aspekten traten pragmatische und stilistische Vergleiche und damit textuelle Kategorien in den Vordergrund. So analysierte ChovanChovan, Miloš (2006) verschiedene Stile sozialer AbgrenzungAbgrenzung in Jugendgruppen, z.B. durch Distanz anzeigende karikierende und verfremdende Nachahmung der Artikulationsweise unbeliebter Erwachsener, hyperbolischeHyperbolik, hyperbolisch Kommentierungen und Diffamierungen von Institutionsvertretern u.a.m.
Über Reichweiten und Grenzen kontrastiver Analysen wurden noch jüngst kritische Stimmen laut (vgl. NeulandNeuland, Eva 2007). Die Suche nach vergleichbaren sprachlichen Charakteristika zeigt, dass sich diese – abgesehen von sprachtypologischen Spezifika – oft nur mit den unterschiedlichen kulturspezifischen Sozialisations- und Lebensformen in den verschiedenen Gesellschaftsformen hinreichend erklären lassen. Dies dokumentieren z.B. die Wahl von AnredeformenAnredeformen in so unterschiedlichen Gesellschaften wie den westeuropäischen und den ostasiatischen, aber auch die unterschiedlichen Definitionen von Jugend in europäischen und afrikanischen Gesellschaften.3Neuland, Eva/Lie, Kwang-Sook/Watanabe, Manabu/Zhu, Jianhua
3.7 Medienanalytische Forschung
Schon seit Beginn der Jugendsprachforschung in Deutschland beschäftigte sich die Forschung mit dem Einfluss der MedienMedien auf den Sprachgebrauch Jugendlicher (RoggeRogge, Klaus I. 1985, HenneHenne, Helmut 1986, Schlobinski u.a. 1993). MedienanalytischeMedienanalysen Forschungsbeiträge wurden zum Gebrauch von Printmedien (z.B. Hess-LüttichHess-Lüttich, Ernest W.B. 1983, 2003 über Alternativpresse in Jugendsubkulturen), Hörfunk (z.B. BernsBerns, Jan 2003 über Radiosendungen für Hip Hop-Anhänger) und Fernsehen vorgelegt. Jugendliche werden dabei nicht als nur passive Nutzer, sondern als aktive Gestalter von neuen Medienformaten angesehen. Analysen des Sprachgebrauchs in sog. FanzinesFanzines, Fan-Magazinen für jugendliche SubkulturenSubkultur, gingen vor allem in die systematische der Beschreibung: Deutsche Jugendsprache von AndroutsopoulosAndroutsopoulos, Jannis/Scholz, Arnim (1998) ein. Dies demonstriert auch das folgende Beispiel einer Plattenkritik in einem Fanzine:
Was iss’n das???!! auweia – gitarren rock oder besser pop mit geigen und gesofte, irgendwie so schmusebaladen würd ich denken, was für schwer verliebte … also ihr verliebten dieser erde greift zu … (zur cd ihr säue!!!) und … so weiter und sofort, nee im ernst das ist nix für mich selbst zum einschlafen zu öde. Schnell weg damit, aber vielleicht hört ihr ja selber mal rein und bildet euch eure meinung – not me!
(Zit. n. AndroutsopoulosAndroutsopoulos, Jannis 1997, S. 16)
Der Medienentwicklung folgend haben