Lehrbuch der Psychotraumatologie. Gottfried Fischer
Fernsehen, Film oder Bilder nur dann, wenn sie beruflich bedingt ist.)
B. Eines oder mehrere der folgenden Intrusionssymptome, die mit dem Trauma assoziiert sind und nach dem Trauma auftreten:
1)Wiederholte eindringliche belastende Erinnerungen an das traumatische Erlebnis. (Bei Kindern > 6 Jahre kann das traumatische Erleben in wiederholten Spielszenen ausgedrückt werden, in denen Aspekte des Traumas dargestellt werden.)
2)Wiederholte und belastende Träume, in denen der Inhalt und/oder der Affekt des Traums in Beziehung zum Trauma stehen. (Bei Kindern können Angstträume ohne erkennbaren Inhalt vorkommen.)
3)Dissoziative Symptome (z. B. Flashbacks), in denen die Person fühlt oder handelt, als ob sich die traumatische Situation gerade wiederholt. (Die Reaktionen können in einem Kontinuum vorkommen, wobei bei einer maximalen Ausprägung ein völliger Verlust der Wahrnehmung der aktuellen Umgebung auftreten kann.)
4)Intensive oder anhaltende psychische Belastung bei Konfrontation mit internen oder externen Reizen, die die traumatische Situation symbolisieren oder an einen Aspekt des Traumas erinnern.
5)Deutliche körperliche Reaktionen bei Konfrontation mit internen oder externen Reizen, die die traumatische Situation symbolisieren oder an einen Aspekt des Traumas erinnern.
C. Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma verbunden sind, auf mindestens eine der folgenden Weisen:
1)Vermeidung belastender Erinnerungen, Gedanken oder Gefühlen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen.
2)Vermeidung externer Reize, die an das Trauma erinnern (Personen, Plätze, Unterhaltungen, Aktivitäten, Situationen).
D. Negative Veränderungen der Kognitionen und der Stimmung nach dem Trauma. Mindestens zwei der folgenden Symptome liegen vor:
1)Unfähigkeit, sich an wichtige Aspekte des Traumas zu erinnern (als Folge einer dissoziativen Amnesie und nicht durch andere Faktoren wie z. B. eine Hirnverletzung, Alkohol oder Drogen bedingt).
2)Persisierende und übersteigerte negative Kognitionen oder Erwartungen in Bezug auf sich selbst, andere oder die Welt (z. B. „Ich bin schlecht“, Man kann niemandem trauen“, „Die gesamte Welt ist gefährlich“, „Mein gesamtes Nervensystem ist für immer zerstört“).
3)Andauernde kognitive Verzerrungen in Hinblick auf die Ursachen oder die Folgen der traumatischen Situation, die dazu führen, dass die Person sich selbst oder anderen Vorwürfe macht.
4)Anhaltende negative Emotionen (z. B. Angst, Furcht, Ärger, Schuld, Scham).
5)Deutlich vermindertes Interesse an wichtigen Aktivitäten.
6)Gefühl der Entfremdung von anderen Personen.
7)Anhaltende Unfähigkeit, positive Emotionen zu empfinden (z. B. Fröhlichkeit, Zufriedenheit, Liebe).
E. Anhaltende Symptome erhöhten Arousals und übersteigerter Reaktionen. Mindestens zwei der folgenden Symptome liegen vor:
1)Irritabilität und aggressive Ausbrüche (ohne oder nach geringer Provokation), die sich in verbalen oder körperlichen Aggressionen gegen andere Personen oder Objekten manifestieren.
2)Rücksichtslosigkeit und selbstzerstörerisches Verhalten.
3)Gesteigerte Wachsamkeit.
4)Übertriebene Schreckreaktionen.
5)Konzentrationsschwierigkeiten.
6)Schlafstörungen (Ein- oder Durchschlafstörungen, unruhiger Schlaf).
F. Das Störungsbild (Kriterien B, C, D und E) dauert länger als einen Monat.
G. Das Störungsbild verursacht klinisch bedeutsames Leiden oder eine Beeinträchtigung der sozialen, beruflichen oder anderer bedeutsamer Fähigkeiten.
H. Das Störungsbild ist nicht auf physiologische Effekte von Substanzen (z. B. Medikamente, Alkohol) oder eine andere körperliche Erkrankung zurückzuführen.
Die American Psychiatric Association (APA) veröffentlichte 2013 die nunmehr fünfte Version ihres Klassifikationssystems Diagnostic and Statistical Manual for Psychiatric Disorders (American Psychiatric Association 2013). Die Traumata und belastungsbezogenen Störungen erhalten hier erstmals ein eigenständiges Kapitel um den selbständigen Charakter der Syndrome in Abgrenzung zu den anderen Angststörungen zu zeigen (Ausführlich zum Übergang von DSM-IV-TR zu DSM-5 siehe Friedman et al. 2011b; Friedman, Keane, & Resick, 2014; Friedman, Resick, Bryant & Brewin, 2011a; Kapfhammer, 2014; Weathers, 2017; Wittchen, Heinig, & Beesdo-Baum, 2014).
Gründe für die Herauslösung aus dem Kapitel der Angststörungen. Ätiologische Überlegungen werden bei der Klassifikation der Störungen im DSM in der Regel ausgeklammert, um sich auf eine spezifische Symptombeschreibung zu beschränken. Doch gerade bei den traumata– und belastungsbezogenen Störungen ist die ätiologische Komponente zwingend notwendig. Auch im DSM-5 wird die Posttraumatische Belastungsstörung, sowie auch alle anderen Traumastörungen, als Symptomkomplex in Folge der Exposition einer oder mehrerer traumatischer Ereignisse aufgefasst.
Werden nur die Symptome betrachtet, ergeben sich vielfältige Überlappungen mit anderen Syndromen. So finden sich Symptome des Hyperarousals (Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche und gesteigerte Schreckhaftigkeit) auch bei allgemeinen Angsterkrankungen. Physiologische Erregungszustände, Derealisation und Depersonalisation finden sich auch bei den Panikstörungen, persistierende, intrusive Gedanken zeigen sich auch bei der Zwangsstörung, der Depression, der generalisierten Angststörung und der Panikstörung (Friedman et al. 2011b).
Die DSM-5 Arbeitsgruppe stellt zurecht die Annahme einer Angstkonditionierung als Grundlage der Erkrankung in Frage. Bei erfolgter Angstkonditionierung zeigt sich oftmals ein spezifisches Muster neuronaler Erregung zwischen den Mandelkernen, dem medialen Präfrontalkortex und Kortex Insularis bei erhöhter Reaktivität der Mandelkerne (Duvarci u. Pare 2014; Janak u. Tye 2015). Bei Patienten mit PTBS, insbesondere bei jenen mit dissoziativen Symptomen wie Depersonalisierung und Derealisierung, zeigt sich hingegen eine reduzierte Reaktivität der Mandelkerne (Lanius et al. 2010). Anders als bei möglichen assoziativen Furcht- und Angstlernprozessen empfinden Patienten mit PTBS oftmals auch Scham, Schuld und/oder Ärger, so dass die Störung bereits in ihrer Konstruktion über das Bild der Angsterkrankung hinausgeht.
Diagnostik der posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-5. Die Diagnostik der Posttraumatischen Belastungsstörung im DSM-5 unterscheidet zwischen einem ätiologischen Kriterium (A), vier Symptomgruppe (B–E), einem zeitlichen Kriterium (F), einem Kriterium subjektiver Belastung (G) und einem Kriterium zum Ausschluss der Symptome als Folge anderer Erkrankungen oder von Substanzmissbrauch (H). Darüber hinaus können dissoziatives Erleben und ein verspäteter Symptombeginn spezifiziert werden (siehe Tabelle 2).
Kriterium (A): Ein traumatisches Ereignis – bspw. die Bedrohung mit dem Tod oder schwerer Verletzung und sexuelle Gewalt – muss direkt selbst erlebt oder direkt bezeugt werden. Von einem derartigen Erlebnis zu erfahren, wenn es Familienmitgliedern oder Freunden widerfuhr, kann ebenfalls auslösendes Momentum sein. Neu ist, dass nur ein objektives ätiologisches Kriterium der Traumaexposition gefordert wird. Bislang war für eine Diagnose nach DSM zusätzlich eine intensive emotionale Reaktion in Form von Angst, Hilflosigkeit und Entsetzten notwendig. Dieses subjektive ätiologische Kriterium war bereits Bestandteil des Kriterienkataloges des DSM-III und wurde im DSM-IV gar zur notwendigen Voraussetzung einer Diagnose. Allerdings zeigte sich, dass emotionale Reaktionen wie Ärger und Scham den gleichen prädiktiven Wert eines späteren Auftretens einer PTBS aufweisen (Breslau u. Kessler 2001). Post-hoc-Studien belegen, dass bei gleichbleibender Symptombelastung und Schwere der Erkrankung rund 20 Prozent der Betroffenen das subjektive Kriterium der intensiven emotionalen Reaktion nicht zeigen (O‘Donnell, Creamer, McFarlane, Silove, & Bryant 2010). Das trifft insbesondere auf ausgebildete Fachkräfte wie Rettungsassistenten und Soldaten zu (Friedman et al. 2014, 45), sodass die Notwendigkeit der subjektiven Belastung für eine Diagnose zu einer strukturellen Benachteiligung dieser Gruppen führte.
Die