Baurecht Baden-Württemberg. Christoph Wassermann
Inhalt, § 9 BauGB
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§ 9 BauGB lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass ein Bebauungsplan Festsetzungen, Kennzeichnungen und nachrichtliche Übernahmen enthält. Der wesentliche Inhalt eines Bebauungsplanes sind die Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung (§§ 8 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 BauGB). Die in § 9 BauGB geregelten Festsetzungen müssen parzellenscharf und die Grundlage für die konkrete Bebauung von Grundstücken, die dem Bebauungsplan unterfallen, sein.
Hinweis
Die einzelnen Nummern des § 9 Abs. 1 BauGB lassen sich dahingehend klassifizieren, dass sich die Nr. 1–9 auf die bauliche Nutzung von Baugrundstücken und die Nr. 10–26 auf die nichtbauliche Nutzung von Flächen beziehen.
d) Örtliche Bauvorschriften, § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 74 LBO
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Lesen Sie § 74 LBO.
§ 9 Abs. 4 BauGB eröffnet den Ländern die Möglichkeit, durch Rechtsvorschriften zu bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan aufgenommen werden können, und festzulegen, inwieweit die Vorschriften des BauGB auf diese Festsetzungen anwendbar sind. Baden-Württemberg hat mit § 74 LBO von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. § 74 LBO ermöglicht örtliche Bauvorschriften in Form der Satzung, § 74 Abs. 1 LBO.
Hinweis
Bei den örtlichen Bauvorschriften handelt es sich materiell-rechtlich um Bauordnungsrecht,[54] auch wenn Sie keine gefahrenabwehrrechtlichen Bestimmungen darstellen.
Sind in einem Bebauungsplan Festsetzungen enthalten, die nicht im Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB aufgeführt sind, müssen Sie an die Möglichkeit von örtlichen Bauvorschriften denken.[55]
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Besondere Bedeutung hat § 74 Abs. 1 Nr. 1 LBO, der insbesondere im Hinblick auf die in der Praxis wichtige Dachgestaltung relevant ist.[56] Wegen der zunehmenden Anzahl von Solaranlagen führt dies zu Konfliktlagen.[57]
Beispiel
Die Gemeinde A setzt fest, dass bauliche Anlagen ein braunes Satteldach haben müssen.
In einem Bebauungsplan kann zwar gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB Var. 3 BauGB auch die „Stellung“ einer baulichen Anlage und somit die Firstrichtung eines Daches festgesetzt werden. Eine Festschreibung der Dachgestaltung, d.h. der Form und Farbe, kann jedoch nicht in einem Bebauungsplan festgesetzt werden.[58] Es kommt nur die Regelung durch eine gemeindliche Gestaltungssatzung nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 LBO in Betracht.[59]
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Nach § 74 Abs. 7 LBO können örtliche Bauvorschriften zusammen mit einem Bebauungsplan beschlossen werden. Hieraus folgt, dass derartige Festsetzungen als Ergebnis eines gemeinsamen Verfahrens in dem Beschluss über den Bebauungsplan zusammengefasst werden können. Nach der Rechtsprechung ist ein Hinweis darauf, dass in der Satzung auch örtliche Bauvorschriften enthalten sind, nicht erforderlich, da der Anstoßfunktion genüge getan sei.[60] Aus dem Textteil muss sich jedoch ergeben, dass sich der Gemeinderat bewusst war, in Bezug auf die örtlichen Bauvorschriften keinen Bebauungsplan, sondern eine Gestaltungssatzung erlassen zu haben.
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Wie aus dem Wortlaut des § 74 Abs. 7 LBO („richtet sich das Verfahren“) folgt, bezieht sich die Verweisung auf die Bebauungsplanverfahren nur auf verfahrensrechtliche Vorschriften.[61]
Hinweis
Dies hat zur Folge, dass für örtliche Bauvorschriften § 1 Abs. 7 BauGB nicht gilt. Die diesbezügliche Abwägungspflicht folgt jedoch aus dem Charakter der örtlichen Bauvorschriften als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.[62] Bei derartigen Regelungen müssen die Interessen der Allgemeinheit und die privaten Interessen des Eigentümers in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden.
3. Rechtsnatur
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Der Bebauungsplan wird von der Gemeinde gemäß § 10 BauGB als Satzung erlassen. Er stellt also eine Rechtsnorm dar, so dass er Wirkung gegenüber dem Bürger entwickelt.
4. Die inhaltlich unterschiedlichen Arten von Bebauungsplänen
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In inhaltlicher Hinsicht existieren insgesamt vier Arten von Bebauungsplänen.[63]
a) Der qualifizierte Bebauungsplan, § 30 Abs. 1 BauGB
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Ein qualifizierter Bebauungsplan liegt vor, wenn ein Bebauungsplan die in § 30 Abs. 1 BauGB genannten vier Mindestvoraussetzungen erfüllt:
Er muss Festsetzungen über
1. | die Art der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, §§ 1 ff. BauNVO) |
2. | das Maß der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, §§ 16 ff. BauNVO) |
3. | die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) |
4. | die örtlichen Verkehrsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) |
enthalten.
Hinweis
Es ist ohne Bedeutung, ob der Bebauungsplan über diese Festsetzungen hinaus weitere Festsetzungen enthält.[64]
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Für die Gemeinde bietet ein qualifizierter Bebauungsplan den Vorteil, dass eine einfache Lenkung der baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke im Gebiet des Bebauungsplanes erfolgen kann.[65] Dies geschieht dadurch, dass Vorhaben, die den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplanes nicht widersprechen, zulässig sind und widersprechende Vorhaben unzulässig sind.
b) Der einfache Bebauungsplan, § 30 Abs. 3 BauGB
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Der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 BauGB zufolge ist ein einfacher Bebauungsplan gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB und mithin die Voraussetzungen, die an einen qualifizierten Bebauungsplan zu stellenden sind (s. Rn. 99), nicht erfüllt sind. Ein einfacher Bebauungsplan enthält daher nur wenige Festsetzungen.[66] Da diese alleine eine bauliche Nutzung der Grundstücke nicht gewährleisten können, finden gemäß § 30 Abs. 3 BauGB je nachdem welchen Charakter das Gebiet aufweist, die §§ 34, 35 BauGB ergänzend Anwendung (zu den unterschiedlichen Gebietscharakteren s.u. Rn. 276 ff.).
c) Der vorhabenbezogene Bebauungsplan, §§ 12 Abs. 1, 30 Abs. 2 BauGB
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Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan ist gegeben, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Planes zur Durchführung