Sachenrecht III. Ralph Westerhoff
berufen. G kann dann also nur noch gegen S vorgehen.
Hinweis
„Verzicht“ im Sinne des § 768 Abs. 2 ist also sehr weit zu verstehen. Darunter fällt also nicht nur der ausdrückliche Verzicht auf eine Einrede, sondern jedes Verhalten des Schuldners, das die Rechtsstellung des Bürgen im Hinblick auf die dem Schuldner gegen den Gläubiger zustehenden Einreden verschlechtert.[77] § 768 Abs. 2 entspricht dem Schutzgedanken des § 767 Abs. 1 S. 3.
bb) Einrede der Anfechtbarkeit oder Aufrechenbarkeit, § 770
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Eine weitere bürgschaftsspezifische Einrede gewährt § 770. Der Zweck dieser Norm ist es, dem Bürgen ein Leistungsverweigerungsrecht (dilatorische Einrede) zu gewähren, solange der Hauptschuldner den Vertrag entweder anfechten kann oder der Gläubiger sich durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung des Hauptschuldners befriedigen könnte.
b) Einreden aus dem Verhältnis Bürge – Gläubiger
aa) Allgemeine Tatbestände
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Wie bei jedem anderen Anspruch auch, stehen dem Bürgen als Schuldner die allgemeinen Einreden zu. Zu denken ist insbesondere an die Verjährung (§ 214) oder an ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273.
bb) Einrede der Vorausklage, § 771
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Eine Besonderheit des Bürgschaftsanspruchs ist jedoch die Einrede der Vorausklage, die in § 771 geregelt ist. Danach muss der Gläubiger – kurz gesagt – zunächst versuchen, seinen Anspruch gegen den Hauptschuldner durchzusetzen, bevor er den Bürgen als bloßen Sicherungsgeber in die Haftung nimmt.
In der Praxis – vor allem in der Praxis der Banken – spielt aber diese Vorschrift jedoch keine Rolle. Das liegt daran, dass Banken bei Bürgschaften immer verlangen, dass eine „selbstschuldnerische Bürgschaft“ vereinbart wird. Mit dieser Klausel ist nach § 773 Nr. 1 ein Verzicht auf die Einrede der Vorausklage verbunden. Dieser Verzicht kann auch wirksam in AGB vereinbart werden, da eine solche Klausel von der im Gesetz nach § 773 Nr. 1 zugelassenen Möglichkeit Gebrauch macht.[78]
2. Teil Die Personalsicherheiten › A. Die Haftung des Bürgen › IV. Spezielle Ausprägungen der Bürgschaft
IV. Spezielle Ausprägungen der Bürgschaft
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Wie bei anderen im BGB geregelten Ansprüchen hat die Praxis neben diesem Grundmuster eine ganze Reihe von Ausprägungen der Bürgschaft entwickelt, um spezifischen Sicherungsbedürfnissen bei Krediten gerecht zu werden.
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Bereits oben (Rn. 108) erwähnt hatten wir die selbstschuldnerische Bürgschaft, die dem Bürgen das Recht nimmt, sich auf die Einrede der Vorausklage zu berufen.
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Andererseits haben wir auch über die Höchstbetragsbürgschaft gesprochen (Rn. 85), nach der der Bürge zwar für die Verbindlichkeit des Schuldners einstehen will, aber maximal nur bis zu dem in der Bürgschaft vereinbarten Höchstbetrag zu haften bereit ist.
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Die Gesamtschuld ist Stoff des Allgemeinen Schuldrechts. Ich empfehle Ihnen an dieser Stelle, diesen Problemkreis noch einmal zu wiederholen.[79]
Im BGB ist ferner in § 769 die Mitbürgschaft erwähnt. Diese liegt immer dann vor, wenn sich für eine Verbindlichkeit mehrere Personen verbürgen. Für die Mitbürgschaft ist nicht erforderlich, dass von Anfang an mehrere Bürgen vorhanden sind oder dass die Bürgen gemeinschaftlich handeln. Selbst dann, wenn die Mitbürgen voneinander nichts wissen, greift § 769.[80]
Die Rechtsfolge bei der Mitbürgschaft ist, dass die Mitbürgen als Gesamtschuldner haften. Der Gläubiger kann sich daher aussuchen, wen er in Anspruch nimmt (§ 421). Dieser Bürge hat dann gemäß § 426 einen Ausgleichsanspruch gegen den oder die Mitbürgen und zwar im Zweifel zu gleichen Teilen.
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Weiter ist im Gesetz in § 777 noch die Zeitbürgschaft geregelt, bei der sich der Bürge nur für einen bestimmten Zeitraum verpflichtet, für die Verbindlichkeiten des Schuldners einzustehen. Läuft dieser Zeitraum ab, wird der Bürge grundsätzlich frei (s.o. Rn. 96 f).
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Es gibt noch eine Reihe weiterer Bürgschaftsarten,[81] die hier nicht vertieft dargestellt werden können. Es würde Sie nur verwirren und den Blick auf die Struktur der Bürgschaft trüben. Denn egal, welche Art der Bürgschaft Sie zu prüfen haben: Die Struktur und der Aufbau der Prüfung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Bürgen sowie der Regressansprüche gegen den Hauptschuldner sind bei allen Bürgschaftsarten identisch.
Auf eine besondere Bürgschaftsform, der sogenannten Ausfallbürgschaft, muss aber gesondert eingegangen werden.
Eine Ausfallbürgschaft liegt vor, wenn der Ausfallbürge dann verspricht einzutreten, wenn der sogenannte Regelbürge seiner eigenen Bürgschaftsverpflichtung nicht nachkommt.
Beispiel
Existenzgründer U betreibt sein Unternehmen in der Rechtsform der GmbH. Sparkasse S gewährt dieser GmbH ein Darlehen, für das sich U selbstschuldnerisch verbürgt. U ist somit Regelbürge. Die Kreditanstalt für Wiederausbau verbürgt sich ihrerseits gegenüber der S für dann Fall, dass der Regelbürge, also U, ausfällt.
Die KfW und der U sind nicht Mitbürgen im Sinne des § 769.[82] Das hat weitreichende Konsequenzen. Zahlt der U als Regelbürge, steht ihm kein Ausgleichsanspruch gegen die KfW aus §§ 769, 774 Abs. 2, 426 zu. Zahlt hingegen die KfW, so erwirbt diese nach § 774 Abs. 1, 401 die Forderung nebst bestehender Regelbürgschaft und kann, wenn der Regelbürge wieder zu Vermögen gekommen sein sollte, gegen diesen in voller Höhe vorgehen.
Anmerkungen
Gursky SRBT S. 169; Looschelders Schuldrecht Besonderer Teil Rn. 934.
Siehe dazu auch Palandt-Sprau vor § 765 Rn. 1.
Z.B. im Skript „BGB AT II“, dort insbesondere Rn. 252 ff.
Huber/Bach SRBT 1 Rn. 689.
Emmerich Schuldrecht BT § 14 Rn. 5; Huber/Bach SRBT 1 Rn. 687; Gursky SRBT S. 170; Looschelders Schuldrecht Besonderer Teil Rn. 941.