Der geschäftliche Betrieb als "Dritter" im Sinne des § 299 StGB. Maximilian Menn
32
Die Politik sah sich schon im Vorfeld des 61. DJT durch die öffentliche und fachliche Diskussion zum Handeln veranlasst und stellte zunächst eine Verbesserung der Korruptionsbekämpfung durch organisatorische Maßnahmen wie das „Vier-Augen-Prinzip“ und vermehrte interne Kontrolle auf Beamtenebene in Aussicht.[79] Doch war man sich im Grundsatz darüber einig, dass es zu einer wirksameren Korruptionsbekämpfung auch Änderungen an den einschlägigen Straftatbeständen bedurfte. Grundlage der nachfolgenden parlamentarischen Beratungen auf Bundesebene waren die Gesetzentwürfe des Bundesrates vom 3.11.1995 und der Bundesregierung vom 19.6.1996.[80]
33
Im Entwurf des Bundesrates war in Bezug auf § 12 UWG a.F. eine Erhöhung des Strafrahmens auf 5 Jahre, bei besonders schweren Fällen auf bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe normiert. Des Weiteren sah der Entwurf eine Kronzeugenregelung vor, die es dem Gericht ermöglichen sollte, die Strafe nach eigenem Ermessen zu mildern oder von ihr abzusehen, sofern der Täter Wissen preisgibt, welches zur Aufdeckung weiterer Taten führt. Schließlich sollte die Vorschrift zum relativen Antragsdelikt umgestaltet werden.[81] Eine Übernahme ins StGB wurde diskutiert, im Gesetzentwurf schlussendlich jedoch nicht übernommen.
34
Der Entwurf der Bundesregierung hingegen sah eine Erhöhung des Strafrahmens auf 3 Jahre Freiheitsstrafe, für besonders schwere Fälle bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe vor. Der Tatbestand sollte zudem auf Drittvorteile erweitert werden. Übereinstimmung mit dem Entwurf des Bundesrates bestand in der Ausgestaltung als relatives Antragsdelikt. Allerdings wurde die Eingliederung der Vorschrift in das StGB befürwortet, von einer Kronzeugenregelung hingegen abgesehen.
Beide Entwürfe nahmen die Beschlüsse des 61. DJT damit insgesamt nur teilweise auf. Insbesondere war die Einbeziehung des Geschäfstherrn in den Täterkreis des § 12 UWG a.F. in keinem der Entwürfe vorgesehen.
35
Der Straftatbestand des § 299 StGB wurde schlussendlich auf der Grundlage des Regierungsentwurfs und einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 13.8.1997 eingeführt.[82] Das Gesetz wurde am 26.6.1997 in zweiter und dritter Lesung durch den deutschen Bundestag verabschiedet.[83] Der Bundesrat ließ es am 4.7.1997 trotz Bedenken einiger Länder passieren, in Kraft trat es am 20.8.1997.[84] Inhaltlich wurden die Tatbestände der passiven und aktiven Bestechung um die Annahme, das Fordern und das Sich-versprechen-Lassen bzw. um das Anbieten, Versprechen oder Gewähren von Drittvorteilen erweitert. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte durch die Verlagerung des Straftatbestandes aus dem UWG in das StGB das Bewusstsein in der Bevölkerung geschärft werden, dass es sich bei Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr um eine Kriminalitätsform handelt, die als allgemein sozialethisch missbilligtes Verhalten einzustufen ist und die deshalb folgerichtig im Kernstrafrecht zu regeln sei.[85] Zudem sollte durch die Einfügung des Wettbewerbsstrafrechts in das StGB verdeutlicht werden, dass der Schutz des Wettbewerbs eine wichtige Aufgabe des Staates sei.[86] Auf der Rechtsfolgenseite wurden zum Teil erhebliche Veränderungen vorgenommen. Der Regelstrafrahmen wurde von bis zu einem Jahr auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Eine Gleichstellung des Regelstrafrahmens mit demjenigen der Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern gem. §§ 332, 334 StGB wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass die besondere Pflichtenstellung von Amtsträgern und das von den Amtsträgerdelikten geschützte Rechtsgut einen höheren Strafrahmen rechtfertige.[87] Die Einführung eines besonders schweren Falls in § 300 StGB erlaubte nun jedoch eine Bestrafung mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren. Zudem wurde der Straftatbestand durch § 301 StGB vom absoluten zum relativen Antragsdelikt umgestaltet. Das bisher zwingende Antragserfordernis aus § 22 UWG a.F. wurde als wesentliches Hindernis für die Verfolgung der Wirtschaftskorruption angesehen.[88] In § 302 StGB fanden sich fortan Regelungen über die Vermögensstrafe sowie den Erweiterten Verfall.
36
Die Änderungen wurden von der Literatur unterschiedlich aufgenommen. Vor allem die Verlagerung des § 12 UWG in das Kernstrafrecht war erheblicher Kritik ausgesetzt. So wurde eingewandt, die Auslagerung von lediglich einem der zahlreichen Straftatbestände des UWG hätte den Zusammenhang von Delikten mit ähnlichen Schutzrichtungen zerstört.[89] Schon Dölling sprach sich vor der Strafrechtsreform dafür aus, die Angestelltenbestechung im UWG zu belassen, da die Norm fester Bestandteil eines geschlossenen Schutzsystems sei.[90] Zudem wurde eingewandt, dass es für das Bewusstsein der Allgemeinheit weniger auf den Standort einer Strafnorm ankomme, als vielmehr auf deren Vollzug.[91] Auch die Einbeziehung von Drittvorteilen stieß auf Kritik. So wandte Geerds bereits im Jahr 1996 ein, dass es in den Fällen der Drittvorteile an der Eigennützigkeitskomponente der Korruption fehle.[92] Schließlich fand auch die Verschärfung des Strafrahmens nicht nur Befürworter. Schon im Jahr 1996 stellte Ransiek fest, dass eine Verschärfung des Strafrahmens auf bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe wegen der geringen praktischen Relevanz der Norm und der bislang ganz überwiegend verhängten Geldstrafen weder sinnvoll noch erforderlich sei.[93] Gleiches gelte für die Abschaffung des absoluten Strafantragserfordernisses, denn ohne Strafantrag gebe es in der Regel keinerlei Ansatzpunkte für Ermittlungen.
37
Doch fand die Eingliederung der Vorschrift in das StGB auch positive Resonanz. Namentlich Tiedemann sprach davon, dass eine erhöhte Bewusstseinsbildung bei den Strafverfolgungsbehörden eingetreten sei, welche in der Konsequenz auch dazu führe, dass das Strafrecht seine präventive Wirkung entfalten könne.[94] Auch die Umwandlung in ein relatives Antragsdelikt fand überwiegend Befürworter. So habe das bislang zwingend erforderliche Strafantragserfordernis dazu geführt, dass die Vorgängervorschrift des § 12 UWG a.F. nur wenig praktische Bedeutung gehabt habe.[95] Betroffene Unternehmen hätten aufgrund der meist vorliegenden aktiven oder passiven Tatbeteiligung an den Delikten meist keinen Antrag gestellt. Auch die Befürchtung, geschäftsinterne Vorgänge durch ein öffentliches Strafverfahren nach außen zu tragen, sei für die Unternehmen ein Motiv gewesen, von der Stellung eines Strafantrages abzusehen.[96]
38
Insgesamt betrachtet fanden die Änderungen in der strafrechtlichen Literatur eher zustimmende Resonanz, wenngleich sich auch die Wissenschaft insgesamt nur mäßig mit den Änderungen bei der Korruptionsbekämpfung beschäftigte. Nach Meinung von Wolters war dies darauf zurückzuführen, dass kurz nach Erlass des Gesetzes das „Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts“ in seine „heiße Phase“ trat, welches verstärkt das wissenschaftliche Interesse fand.[97]
Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › A › VI. Gesetz vom 22.8.2002
VI. Gesetz vom 22.8.2002
39
Schon am 26.6.1997 stimmte der Deutsche Bundestag neben dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption einem Entschließungsantrag zu, der die Verbesserung der Korruptionsbekämpfung auf internationaler Ebene zum Inhalt hatte.[98] Der Anfang des 21. Jahrhunderts war dann vor allem durch die Diskussion um die Ausweitung des § 299 StGB auf ausländische Wettbewerbe geprägt.
Am 22.8.2002 wurde die Norm durch ein Ausführungsgesetz um einen dritten Absatz ergänzt, nach welchem die Absätze 1 und 2 nun auch für Handlungen im ausländischen Wettbewerb galten.[99] Damit wurde sowohl die Gemeinsame Maßnahme der Europäischen Union vom 22.12.1998 die Bestechung im privaten Sektor betreffend umgesetzt als auch die Regelung der Art. 7 und 8 des Strafrechtsübereinkommens des Europarats über Korruption vom 27.1.1999 aufgegriffen.[100] Der Straftatbestand erhielt damit seine bis heute geltende Fassung.