Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy
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Vgl. diesbezüglich das Werk: Glaser/Strauss Grounded Theory m. w. N.
Vgl. zur Beschreibung der methodischen Herangehensweise eine der Autorinnen des Forschungsprojekts: Karliczek Strukturelle Bedingungen von Wirtschaftskriminalität, 11 ff.; 37 ff., sowie Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 17 ff.
Zur Methode im Einzelnen Karliczek Strukturelle Bedingungen von Wirtschaftskriminalität, S. 39 ff. bzw. Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 68 ff. Als multikontextuale Fallstrukturanalyse konzipiert, wurden möglichst mit allen relevanten Personen, die an der Privatisierung und Kontrolle der Betriebe beteiligt waren, Interviews geführt.
Es wurden Privatisierer der Treuhandanstalt als die „Verkäufer“ sowie die entsprechenden Investoren, aber auch „konkurrierende“, die ebenfalls Interesse bekundet hatten, ausgewählt. Andererseits – aus dem Ermittlungsbereich – Polizisten, die zuständigen Staatsanwälte und – bei Verfahrenseröffnung – die Richter. Desweiteren wurden die Verteidiger der Beschuldigten, sowie Betriebsräte und Geschäftsführer der Privatisierten befragt; Karliczek Strukturelle Bedingungen von Wirtschaftskriminalität, S. 44 f.
Karliczek Strukturelle Bedingungen von Wirtschaftskriminalität, S. 44.
Dies erfolgte in Anlehnung an die Unterscheidung von Clinard/Quinney/Wildman Criminal Behavior Systems, S. 188, welche jedoch white collar crimes in zwei Kategorien unterteilten: occupational crime und corporate crime. Die Definitionen hierzu lauteten zum einen: „Occupational crime consists of offences committed by individuals for themselves in the course of their occupations and offences of employees against their employers.“ Zum anderen wurde corporate crime „the offences committed by corporate officials for their corporation and the offences of the corporation itself“ beschrieben.
Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 18 f.
Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 233; 650.
Vgl. die Fallbeschreibung Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 174 ff.
Vgl. die Fallbeschreibung Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 177 ff.
Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 234.
Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 234.
Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 235.
Vgl. die Falldarstellung Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 179 ff.
Vgl. die Falldarstellung Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 184 f.; aus individualstrafrechtlicher Perspektive: Momsen in: FS f. Schoech S. 567.
Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 236.
Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 180 ff., 237, 653.
3. Kritische Würdigung der durch die Studien gewonnenen Ergebnisse
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Schon in methodischer Hinsicht sind die Ergebnisse fast aller Studien[1] angreifbar, denn weder die staatlichen noch die privaten Studien können generalisierbare Aussagen über die Wirtschaftskriminalität treffen. Übereinstimmend wird lediglich festgestellt, dass es sich um „qualitativ intensive“ Deliktsformen handelt, die also bei geringen Fallzahlen und wenigen Tätern hohe Schäden verursachen. Einer genauen Erforschung dieses Phänomens steht entgegen, dass sie aufgrund der geringen personalen Verbreitung schwieriger in Kriminalstatistiken zu erfassen und weniger leicht in einem repräsentativen Dunkelfeld abzubilden sind. Empirische Mittel der Täterbefragung bzw. repräsentative Umfragen versagen in diesem Bereich aus naheliegenden Gründen leicht, denn der „typische Wirtschaftstäter“ wird sich selten in der ausgewählten Bevölkerungsstichprobe abgebildet sehen und wenn, sind konsistente Angaben aufgrund der Gefahr der Selbstbelastung kaum zu erwarten. Dies wird auch dadurch bedingt, dass es sich um „klassische Kontrolldelikte“ handelt,[2] die in der Regel nicht von Privatpersonen angezeigt werden, sondern auf die Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden zurückgeführt werden müssen. Die Antwortbereitschaft der entscheidenden Personengruppen wird daher teilweise als nicht ausreichend für signifikante Ergebnisse angesehen.[3]
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Auch die Auswahl der konkret befragten Personen lässt Zweifel an der Repräsentativität aufkommen. So kam die Mehrzahl der antwortenden Personen in den privaten Studien aus der Finanzabteilung und lediglich ein geringer Prozentsatz aus einer Compliance-Abteilung.[4] Die Vorstandsebene war im Vergleich zu den Vorjahren[5] mit einem höheren Prozentsatz vertreten. Hinsichtlich der Befragten erscheint auch fragwürdig, ob sich der eventuell für ein Großunternehmen befragte Mitarbeiter aus der Finanzabteilung ein eindeutiges Bild der im Unternehmen getroffenen Entscheidungen bzw. der wirtschaftskriminellen Prozesse machen kann. Von sensiblen Bereichen wie der Korruption gar nicht zu sprechen, ist auch im übrigen wirtschaftskriminellen Bereich nicht davon auszugehen, dass eine Rückmeldung diesbezüglich an die befragten Personen ging.[6] Mangels Vorliegen statistischer Werte wurden die Studien offensichtlich als „qualitatives Verfahren“[7] angelegt und müssten ihre Repräsentativität beispielsweise durch Offenlegung der gestellten Fragen ausweisen können. Dies geschieht 2009 zwar in