Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy

Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht? - Charlotte Schmitt-Leonardy


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auch übereinstimmende Beobachtungen hinsichtlich der Tatstruktur entnommen werden: Die fraglichen Verhaltensweisen haben überwiegend den Anschein legaler Handlungen. Zwei Aspekte sind diesbezüglich zu unterscheiden: Zum einen handelt es sich oft um eine „Gesamthandlung“, die nur schwer strafrechtlich erfasst werden kann und aus strafrechtlich bedeutungslosen Einzelaspekten bestehen kann.[31] Zum anderen weisen auch die als solche auszumachenden Straftaten eine neutrale Tatbestandsstruktur auf. Die „Unsichtbarkeit des Rechtsbruchs“ nach außen und das daraus resultierende geringe Aufdeckungsrisiko ist ein wichtiges Charakteristikum der Wirtschaftsdelikte, die sich äußerlich mitunter kaum von legalen Vorgängen des täglichen Wirtschaftslebens unterscheiden; „die Grenze zwischen Kriminalität und Geschäftstüchtigkeit scheint sich im Grau wirtschaftlicher Grenzmoral zu verlieren“.[32] Oft gelingt dies dadurch, dass den Taten eingehende Prüfungen durch Experten und vor allem Juristen vorausgehen, um den Eindruck der Legalität abzusichern.[33] Da – wie gesehen – der individuelle Schaden oftmals sehr gering ausfällt, resultiert aus der tatbestandlichen Neutralität auch eine geringe „Realisierbarkeit“ der Opfereigenschaft. Dies hat dann zur Folge, dass weder eine besondere Anzeigebereitschaft der Opfer festzustellen ist[34] noch eine Pönalisierung der Gesellschaft besonders am Herzen liegt, da für sie der Rechtsbruch nicht sichtbar ist und das Delikt eine nur geringe Affektivität aufweist. Diese Delikte wurden daher lange als „Intelligenzstraftaten“ bezeichnet, womit nur ausgedrückt werden sollte, dass sie mit psychischen statt mit physischen Mitteln begangen werden.[35] Diese „Unsichtbarkeit“ des Rechtsbruchs und die mit ihm verbundenen Neutralisationseffekte werden trotz erheblicher Verbesserungen in der Strategie der Strafverfolgungsbehörden – wie der Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften – immer noch nicht aufgefangen. Die Defizite strafrechtlicher Konzepte fallen ins Gewicht, wenn es um die Definition von Wirtschaftskriminalität geht und die Auswahl der betrachteten Verhaltensweisen. Daneben spielen aber auch rein technische Probleme, wie die Verwendung modernster Technologien und die stetige Weiterentwicklung ebenjener durch die Täter, eine Rolle. In kaum einem anderen Bereich erleichtern Software und Computer den Zugang zu und die Verschleierung von Straftaten. Hinzu kommt die stärkere Neutralisierung während der Deliktsbegehung, da unter Umständen „durch einen Mausklick“ eine Rechtsgutsbeeinträchtigung erzielt werden kann. Die Investition in diese Technologien kann für die Täter den entscheidenden Vorsprung – und die Minimierung des Aufdeckungsrisikos – bedeuten gegenüber Strafverfolgungsbehörden, denen oftmals die Mittel fehlen, mit der modernen Technologie Schritt zu halten.[36]

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      Anmerkungen

       [1]

      Die Ausnahme bildet das Forschungsprojekt Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe; zur kritischen Würdigung dieser Ergebnisse vgl. unten Rn. 95.

       [2]

      Vgl. auch Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2007 – Sicherheitslage der deutschen Wirtschaft, S. 12 ff.

       [3]

      Vgl. hierzu Boers MschrKrim 2001, 335 (336) m. w. N., der von großen Rücklaufquoten und auswertbaren Ergebnissen von unter 25% spricht.

       [4]


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