Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy
2009, S. 45.
So schon die Ergebnisse in Nestler/Salvenmoser/Bussman Wirtschaftskriminalität 2005 – Internationale und deutsche Ergebnisse, S. 4, 16 und nun Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2009, S. 44.
Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2007 – Sicherheitslage der deutschen Wirtschaft, S. 39.
Nestler/Salvenmoser/Bussman Wirtschaftskriminalität 2005 – Internationale und deutsche Ergebnisse, S. 26.
Nestler/Salvenmoser/Bussman Wirtschaftskriminalität 2005 – Internationale und deutsche Ergebnisse, S. 26.
Siehe Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2007 – Sicherheitslage der deutschen Wirtschaft, S. 40 und zur Bewertung der hierdurch gewonnen Erkenntnisse Rn. 87 ff.
Gleichwohl ist aber, beispielsweise in Bezug auf Insidergeschäfte, festzustellen, dass trotz der angegebenen Unterstützung der Prävention durch Compliance-Beauftragte, nur 70% auf die Verhinderung von Insiderdelikten ausgerichtet ist; und dies trotz der in § 38 WpHG kodifizierten Pflicht, Insiderdelikte zu verhindern.
Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Schlussfolgerungen aus den Zeugenaussagen in der Siemens-Affaire, Rn. 155 ff.
Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2009, S. 55.
Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2009, S. 48.
Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2007 – Sicherheitslage der deutschen Wirtschaft, S. 45 f.
Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2009, S. 54.
Bussmann/Nestler/Salvenmoser Wirtschaftskriminalität 2009, S. 17.
c) Forschungsprojekt: Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe
79
Diese 2010 erschienene qualitative Untersuchung der strukturellen Bedingungen von Wirtschaftskriminalität[1] stellt seit den Arbeiten von Sutherland, Clinard und Yeager sowie Braithwaite die erste umfassende Untersuchung von Wirtschaftskriminalität im Unternehmenskontext dar. Die auf den ersten Blick nahe liegende Annahme, es könne sich in erster Linie um eine Untersuchung von Kriminalität in einer politischen Umbruchssituation handeln, geht fehl. Vielmehr steht der, durch die Umbruchsituation bedingte, Aspekt der Privatisierung von mehr als 8000 Unternehmen der ehemaligen DDR und die hieraus resultierende Wirtschaftskriminalität im Mittelpunkt. Das Auftreten von Wirtschaftskriminalität wird von den Autoren im Hinblick auf generelle strukturtypische Bedingungen untersucht, wobei neben den (westlichen oder westlich strukturierten) Akteuren auf Verkäufer- und Käuferseite auch die Treuhandanstalt eine prominente Rolle spielt. Die Herangehensweise der Autoren ist maßgeblich von der grounded theory[2] geprägt, d. h. von einem Wechselspiel zwischen einem vor der empirischen Untersuchung festgelegten theoretischen Ansatz und den tatsächlichen Erhebungen. Es handelt sich also nicht um eine deduktive Methode, jedoch legten die Autoren schon zu Anfang die Rational-Choice-Theorie einerseits und die Systemtheorie andererseits als theoretischen Rahmen fest, um einerseits auf einen akteursorientierten Ansatz für die individuellen Täter zurückgreifen zu können und andererseits mithilfe der autopoietischen Systemtheorie die Besonderheiten der Unternehmensorganisation erfassen zu können. Diese theoriebezogene Ausgangsentscheidung führt zur Erfassung sowohl der Fälle mit individuellen Tätern als auch derer, in die das Unternehmen als Ganzes involviert war. Die Ergebnisse der Voruntersuchung und des theoretischen Grundgerüstes führten wiederum zu ersten Arbeitshypothesen, die das Erhebungsinstrumentarium beeinflussten und im Verlaufe der Untersuchung stets überprüft und gegebenenfalls abgeändert wurden; insofern ein induktiv-deduktives Wechselspiel.[3]
80
Das als Methode gewählte qualitative problemzentrierte Experteninterview wurde mit 74, in verschiedenen Privatisierungsprozessen bzw. Strafverfahren beteiligten Personen durchgeführt. Die Auswahl der Interviewpartner wurde maßgeblich durch eine Analyse der staatsanwaltschaftlichen Akten bzw. der Akten der Stabsstelle Recht der Treuhandstelle bestimmt.[4] Als „Experten“ wurden diejenigen bezeichnet, die aufgrund ihrer Einbindung in eine bestimmte Organisation oder organisationsbezogenen Agierens über spezifische Erfahrungen und Wissensbestände verfügen und somit institutionelle Handlungsabläufe und Entscheidungsprozesse beschreiben konnten.[5] Im Rahmen des „leitfadenorientierten Experteninterviews“ ging es den Autoren aber auch darum zu erkennen, welche individuellen und kollektiven Handlungs- und Verarbeitungsmuster gesellschaftlicher Realität existieren. Es wurde also nicht die Gesamtperson in ihrem individuellen und kollektiven Lebenszusammenhang betrachtet, sondern die institutionell-organisatorische Kohärenz, in der diese Person agiert, fokussiert.[6] Im Anschluss erfolgte ein Vergleich der devianten mit den nicht strafrechtlich auffälligen Privatisierungen.
81
Entsprechend des gewählten theoretischen Rahmen – die grounded theory, die eine perspektivlose Datenerhebung vermeidet – wird schon auf Ebene der Fragestellung und Definition differenziert: Wirtschaftskriminalität umfasst hiernach einerseits Berufliche Kriminalität und andererseits Unternehmenskriminalität.[7] Zentral für die Unterscheidung ist das Kriterium des Eigennutzes, zu dem die Berufliche Kriminalität begangen wird, wohingegen Unternehmenskriminalität Straftaten umfassen soll, die im Interesse eines legalen Unternehmens begangen werden.[8]
82
Hinsichtlich der Beruflichen Kriminalität stellen die Autoren heraus, dass die Entscheidung der individuellen Akteure für kriminelles Verhalten von der durch den Akteur vorgenommenen Definition der Situation abhängt. Kriminelles Verhalten wird dann als Handlungsoption wahrgenommen, wenn der Akteur keine legale Möglichkeit sieht, sein Ziel zu erreichen, bzw. die Wahl des legalen Weges höhere Kosten verursacht.[9] Die so erkannte Option wird dann in die Tat umgesetzt, wenn durch die strukturellen Bedingungen Gelegenheiten geschaffen werden und der Akteur gleichzeitig davon ausgehen kann, dass die Grenzüberschreitung aufgrund mangelnder Kontrolle nicht bemerkt oder nur gering bestraft wird. Im Hinblick auf die in der Studie für diesen Kriminalitätsbereich maßgeblichen Fälle der Treuhandniederlassung