Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Titeln) praktisch wichtigen Komplex, wie man weiß. Weder in § 17 Abs. 4 noch in § 27 Abs. 3 der Neufassung der MBO findet sich eine entsprechende Regelung. Offenbar sah die Ärzteschaft hier keinen Regelungsbedarf mehr, nachdem die hochschulrechtlichen Vorschriften der Länder (z.B. § 55b UGBa-Wü) Regelungen für das Führen ausländischer Professorentitel nicht mehr vorsehen.[301] Entsprechend stark ist der Wildwuchs dieses Titels nicht nur in der Ärzteschaft angewachsen, was „richtige“ Professoren als Lehrstuhlinhaber mit einer gewissen Sorge betrachten.
ee) Verzeichnisse
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§ 28 MBO wurde durch die MBO-Novelle 2011 ersatzlos gestrichen. Durch die wesentlich großzügigere Regelung in § 27 Abs. 3 MBO wird deutlich, dass erheblich detailliertere Angaben als früher unbedenklich sind. Hintergrund ist das Bemühen der Kammern, dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung[302] gerecht zu werden und das Feld nicht „kampflos“ gewerblichen Verzeichnisanbietern zu überlassen.[303] Ohnehin ist durch das Internet die Bedeutung von gedruckten Verzeichnissen stark zurückgegangen und für den einzelnen Arzt mittlerweile schlicht entbehrlich.
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Sonderverzeichnisse mit werbendem Charakter von privaten Organisationen, die eine Zusammenstellung von Ärzten, die sich ihrer Ansicht nach von Kollegen der gleichen Fachgruppe bzw. des gleichen Tätigkeitsfeldes durch eine Spezialisierung unterscheiden, die nicht den Grundzügen der Weiterbildungsordnung folgt, galten lange als unzulässig.[304] Bei dem um Hilfe nachsuchenden Patienten solle nicht der Eindruck entstehen, bei dem in dem Verzeichnis aufgeführten Arzt handele es sich um einen „Spezialisten“, dessen Qualifikation die anderer Kollegen übersteige, obwohl er dieselbe, nach den Berufs- und Weiterbildungsordnungen zulässige Gebiets- bzw. Tätigkeitsbezeichnung führt.[305] Vor allem durch die Rechtsprechung zum anwaltlichen Berufsrecht ist jedoch Bewegung in dieser Frage entstanden, seitdem das Bundesverfassungsgericht[306] die Teilnahme eines Anwalts an einem Auskunftsdienst für rechtsuchende Bürger („Anwaltsuchservice GmbH“) nicht mehr als unzulässige Werbung qualifiziert hat. Der Anwalt trete bei diesem System nicht direkt an den potentiellen Mandanten heran; vielmehr sei es der Bürger, der sich an den Anwaltssuchservice wende, um dort geeignete Adressen von Anwälten mit dem von ihm nachgefragten Tätigkeitsschwerpunkt zu bekommen.[307] In seiner Entscheidung zum „Zahnärztesuchservice“ hat das BVerfG diese Maßstäbe auch auf den (zahn-)medizinischen Bereich übertragen.[308] In der MBO wurde dieser Gedanke aufgegriffen und dem Arzt ermöglicht, in diesen Verzeichnissen alle Angaben aufnehmen zu lassen, die er auch im Rahmen einer Patienteninformation in der Praxis verwenden dürfte. Allerdings sind nach wie vor Grenzen zu beachten. Eine Entscheidung des LG Kiel[309] wird häufig fehlinterpretiert. Danach soll es weder berufs- noch wettbewerbswidrig sein, wenn sich ein Arzt in einen Patienteninformationsdienst einer gemeinnützigen Stiftung mit der Angabe besonderer Behandlungsmöglichkeiten und Therapieeinrichtungen aufnehmen lasse; ob die Aufnahme gebührenpflichtig oder kostenfrei erfolge, sei unerheblich. Dieses Urteil ist zwar vom OLG Schleswig-Holstein bestätigt worden,[310] dies allerdings nur aus formalen Gründen. Das OLG hat im Übrigen keinen Zweifel daran gelassen, dass das Informationsangebot inhaltlich wettbewerbswidrige Werbung enthält.[311] In eine ähnliche Richtung geht eine Entscheidung des OLG München,[312] die es Verzeichnisbetreibern (und auch Ärzten) untersagt, solche Verzeichnisse zu eröffnen, die über die nach der MBO zulässigen Angaben hinausgehende Einzelheiten enthalten. Bei der Einordnung der Entscheidung muss man den konkreten Sachverhalt kennen (deutlich reklamehafte Züge des Verzeichnisses). Wie Wiesener[313] zu Recht bemerkt, sind bei richtiger Wertung nämlich durchaus Verzeichnisse denkbar, die unter Beachtung dieser Grenzen Angaben zu Spezialkenntnissen enthalten dürfen. Was einem Arzt im Rahmen seiner Homepage erlaubt ist, kann einem Verzeichnisanbieter nicht verboten werden. Völlig neue Fragen stellen sich durch neuere Formen der (Eigen-)Werbung durch selbstfinanzierte Aufnahme in Bewertungsportale wie z.B. „Jameda“ (siehe hierzu die Ausführungen von Greiff Kap. 35 Heilmittelwerberecht).
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Ein praktizierender Arzt muss es im Übrigen hinnehmen, von einem Autor mit Anschrift, Fachgebiet und richtigem Hinweis auf besondere Behandlungsmethoden in einem als Buch vertriebenen Verzeichnis aufgenommen zu werden.[314] Auch auf diesem Wege trete der Arzt nicht von sich aus werbend an die Öffentlichkeit; vielmehr bedürfe es eines Anstoßes von außen, d.h. der Nachfrage des Patienten. Ein persönliches Schutzinteresse an der Nichtveröffentlichung könne der Arzt nicht vorweisen, da persönliche Daten im geschäftlichen Bereich weniger schützenswert seien als die Daten im persönlichen Umfeld.[315] Im Übrigen besteht für den Arzt keine Pflicht, aktiv gegen derartige Veröffentlichungen vorzugehen, wenn er selbst nichts dagegen einzuwenden hat. Lediglich dann, wenn der Arzt seine Aufnahme in dieses Verzeichnis aktiv nach außen verbreitet, ohne auf die entsprechende Nachfrage durch die Patienten zu warten, könnte der Fall unerlaubter Werbung vorliegen.[316] Der Arzt muss darauf achten, dass ein Eintrag in den Verzeichnissen mit den übrigen Einträgen von Kollegen und Kolleginnen übereinstimmt. Danach wird es zwar heute nicht mehr beanstandet, wenn der Arzt seinen Namen und die Praxisanschrift in amtlichen allgemeinen Fernsprechbüchern drucktechnisch hervorheben lässt, im Branchenfernsprechbuch, in dem auch andere Kollegen aufgenommen sind, ist dies jedoch nicht zulässig. Auch der Zukauf von Leerzeilen ist nicht gestattet. Der Abdruck der Sprechstundenzeiten ist hingegen erlaubt. Es kann gegen das in der Berufungsordnung enthaltene Verbot berufswidriger Werbung verstoßen, wenn ein niedergelassener Arzt bei der Eintragung im Branchentelefonbuch „Gelbe Seiten“ auf seine besondere apparative Ausstattung (hier: Herzkathetermessplatz) hinweist oder den Anschein erweckt, zugleich in einer Spezialabteilung eines Krankenhauses tätig zu sein.[317] Diese Entscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht allerdings als zu restriktiv aufgehoben worden.[318] Letztlich zeigt auch diese Entscheidung, dass die Rechtsprechung das Informationsbedürfnis der Bevölkerung zunehmend auch als Informationsrecht des Patienten interpretiert.
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Nach Ansicht des OLG Hamburg[319] soll es unzulässig sein, sich in ein postunabhängiges Branchenverzeichnis gegen Zahlung eines Geldbetrages eintragen zu lassen, wenn es offensichtlich ist, dass nicht alle Angehörigen der Berufsgruppe darin aufgenommen sind und das Druckwerk werblich genutzt werden soll. Das Verzeichnis müsse einen kostenfreien Grundeintrag (Name und Telefonnummer) gewährleisten. Formal war dies durch § 28 Abs. 1 MBO a.F. gedeckt. Ob diese Entscheidungen im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum „Anwaltssuchservice“ oder auch zum „Zahnarztsuchservice“[320] noch Gültigkeit beanspruchen können, muss jedoch bezweifelt werden.
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Sonderverzeichnisse ohne werbenden Charakter sind in der Regel die Mitgliederverzeichnisse der Berufsverbände, Adressbücher privater Verlage, sofern die Aufnahme grundsätzlich jedem Arzt des Verbreitungsgebietes des Verzeichnisses zugänglich und die drucktechnische Ausführung einheitlich ist, und ähnliches mehr. Ein werbendes Sonderverzeichnis kann jedoch die Zusammenstellung von Ärzten sein, die z.B. einem bestimmten Club angehören oder einem Unternehmen besonders verbunden sind.[321] Auf die äußere Form des Adressverzeichnisses kommt es im Übrigen weniger an. Es kann also sowohl eine in Broschürenform herausgegebene Adressenliste, ein Internet-Verzeichnis, ein Prospekt oder die von manchen Initiativen geführten Spezialdateien sein.
ff) Kollegialität
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§ 29 MBO wurde in seinen früheren Fassungen oft als „Mauschelparagraph“ bezeichnet bzw. „der Krähentheorie“ zugerechnet.[322] Mittlerweile dürfte sich jedoch herumgesprochen haben, dass diese Krähentheorie sich immer mehr in ihr Gegenteil verwandelt, d.h. eine Krähe der anderen nicht nur eines, sondern beide Augen aushackt. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass die standesrechtliche Kollegialitätspflicht nicht nur den einzelnen Arzt und den Patienten, sondern auch die Wahrung des Ansehens des gesamten Berufsstandes im Interesse einer wirksamen Gesundheitsvorsorge zum Gegenstand hat. Allerdings ist die Vorschrift