Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
um zulässige ärztliche Werbebeschränkungen zu umgehen, kann der Arzt, dem das Unternehmen gehört, u.U. dennoch direkt belangt werden.[248] Die frühere Unterscheidung, wonach anderes nur dann gelte, wenn der Arzt weder Geschäftsführungsbefugnisse habe, noch finanziell an dem Unternehmen beteiligt sei,[249] ist heute obsolet. Im Übrigen ist auch der frühere Ansatz, für die finanzielle Beteiligung solle es bereits ausreichen, wenn der Arzt durch die Art der Vergütung am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens partizipiere,[250] heute nicht mehr entscheidend.[251] Allerdings bleibt es bedenklich, wenn die Geschäftsführung mit dem Namen des Arztes „hausieren“ geht, und der Arzt diese Form der Werbung durch Angabe bestimmter Informationen in einer Art und Weise fördert, durch die die Grenze zur „Anpreisung“ überschritten wird. Werden diese Grundsätze beachtet, dürfte auch die Verwendung des Arztnamens in Werbeprospekten nicht zu beanstanden sein. Ob derartige Werbeprospekte „ungezielt“ oder nur auf bestimmte Anfragen hin verteilt werden dürfen, ist umstritten. Die frühere Rechtsprechung,[252] wonach Patientenanfragen nur individuell beantwortet werden durften, ist sicherlich überholt.[253] Eine vermittelnde Auslegung[254] will die Zulässigkeit der Verwendung von Werbeprospekten von einer entsprechenden Patientenanfrage abhängig machen. Die unaufgeforderte Zusendung von Werbematerial sei anpreisende Werbung. Unbestreitbar dürfen aber die in den fraglichen Prospekten enthaltenen Aussagen, sofern der Rahmen des HWG eingehalten wird, in Zeitungsannoncen verwendet werden.[255] Es stellt sich daher zwangsläufig die Frage aus Sicht des „Verbrauchers“, worin der Unterschied zwischen einer Anzeige und einem unverlangt zugeschickten Prospekt liegt. Durch die Entscheidung des BVerfG[256] zur Zeitungsannonce ohne besonderen Anlass dürfte der restriktiven Auffassung die Grundlage entzogen sein.
aa) Inhalt und Aufmachung der Praxisschilder
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Die oftmals als „Schilderordnung“ verspottete Vorschrift D I Nr. 2 MBO ist ersatzlos gestrichen worden. Allerdings mussten auch schon bisher die aufgrund der genannten Vorschriften ausgesprochenen Verbote dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Ist nicht ersichtlich, inwieweit Interessen des Gemeinwohls durch eine Untersagung geschützt werden können, verstieß die Untersagung eines in Kap. D I Nr. 2–5 MBO nicht explizit genannten Zusatzes u.U. gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung.[257] Die bloße Erleichterung berufsrechtlicher Überwachung rechtfertigte eine Einschränkung regelmäßig nicht. § 27 Abs. 4 MBO n.F. schafft einheitliche Vorgaben für jedwede Form der Ankündigung, sei es auf der Homepage,[258] in Anzeigen und eben auch auf dem Praxisschild. Die früher vorgesehene Beschränkung auf ein Praxisschild ist weggefallen. Ob ein Arztschild zur besseren Kenntlichkeit in der Dunkelheit beleuchtet werden darf, wird unterschiedlich beurteilt.[259] Die ablehnenden Entscheidungen sind wenig überzeugend. Wer die entgegengesetzte Übung in anderen Ländern, z.B. Österreich oder auch Frankreich kennt, weiß, dass derartige Hinweisschilder kaum geeignet sind, dem ärztlichen Ansehen zu schaden. Vielmehr helfen sie dem ortsunkundigen Patienten, rechtzeitig einen für ihn zuständigen Arzt zu finden. Entscheidend wird hier – wie so oft – die konkrete Ausgestaltung sein.
bb) Zulässige/unzulässige Angaben und berufsbezogene Informationen
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Die zulässigen Angaben sind im Gegensatz zu Kap. D I Nr. 2 MBO a.F. nicht mehr katalogmäßig, sondern nur noch sehr allgemein aufgeführt. Der 103. Deutsche Ärztetag 2000 in Köln hatte schon einige Ausnahmen zugelassen. Feststeht, dass man wohl keineswegs hinter die bereits bisher in Kap. D I Nr. 2 MBO a.F. genannten Ausnahmeregelungen zurückgehen will. Nicht führungsfähig waren früher die fakultativen Weiterbildungsteile sowie Fachkunden nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung aus dem Jahre 1992.[260] Rechtlich ist diese „Ungleichbehandlung“ heute nicht mehr verständlich. Aus § 27 Abs. 4 MBO ergibt sich, dass lediglich eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich solcher Qualifikationen ausgeschlossen werden soll, die nicht von einer Ärztekammer verliehen werden. Demgemäß dürfen Ärzte heute auf die von ihnen ausgeübte Akupunktur[261] hinweisen oder auf sonstige Qualifikationen Bezug nehmen, wenn sie eine Verwechslungsgefahr vermeiden.[262] Zulässig dürfte auch ein Hinweis auf solche Qualifikationen sein, deren Berechtigung der Arzt aufgrund §§ 135 ff. SGB V erworben hat. Selbst die Bezeichnung als „Spezialist für (. . .)“ ist vom Bundesverfassungsgericht[263] im Falle eines für eine Klinik arbeitenden Arztes nicht beanstandet worden, wenn sie der Wahrheit entsprach. Z.T. wird die Auffassung vertreten, Selbsteinschätzung über die persönliche Qualifikation, Teilnahme an bestimmten Fortbildungskursen (mit Ausnahme des neuen Fortbildungszertifikats der Ärztekammern) oder eine besondere (elegante, teure oder technisch aufwendige) Praxisausstattung könne hingegen unzulässig sein. Wenn allerdings eine besondere Methode nur mit einem bestimmten aufwendigen oder neuartigen Gerät durchzuführen ist, dürfte das Informationsbedürfnis der Patienten überwiegen.[264] Hier wird vielfach nur eine Einzelfallbetrachtung weiter führen, zumal die neuere Rechtsprechung die Zulässigkeit von Selbstdarstellung und Selbsteinschätzung unter dem Aspekt der Irreführung[265] mehr oder weniger ausschließlich an ihrem Wahrheitsgehalt misst.
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Unterschiedliche Rechtsprechung gibt es u.a. zu der Frage, ob Ärzte sich in den gelben Seiten bzw. vergleichbaren Internet-Portalen in der Rubrik „Plastische und ästhetische Chirurgie“ auch dann eintragen lassen können, wenn sie nicht Fachärzte für Plastische Chirurgie sind.[266] Ähnlich divergierende Entscheidungen gibt es bei Zahnärzten und Kieferorthopäden (siehe hierzu auch Greiff Kap. 35 Heilmittelwerberecht).[267]
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In Informationsbroschüren und damit auch auf der Homepage können besondere Untersuchungsmethoden[268] (sofern das HWG beachtet wird),[269] spezielle Sprechstunden, aber auch Informationen zum Gesundheitswesen bzw. allgemeine medizinische Erkenntnisse enthalten sein. Auch eine Darstellung des Praxisprofils bzw. Vorstellung der einzelnen Praxismitarbeiter (selbst mit Foto)[270] ist zulässig. Dies kann gewisse Zuständigkeitsregeln umfassen, Organisationsabläufe, aber auch Fremdsprachenkenntnisse, wenn die Praxis ein entsprechendes Klientel hat oder in einer Gegend belegen ist, die einen hohen Ausländeranteil aufweist. Nach den Interpretationshilfen der BÄK sollen hingegen Hinweise auf Apotheken oder andere Praxen (mit Ausnahme der Vertretung) unzulässig sein, da diese keine praxisbezogene Information darstellen.[271] Aus anderem Zusammenhang wird jedoch deutlich, dass diese Einschränkung nicht für den Praxisverbund und wohl auch nicht für eine eventuelle Teilnahme im Rahmen der integrierten Versorgung gilt. Auf ihn bzw. sie darf selbstverständlich hingewiesen werden (eventuell auch mit Link),[272] genauso wie der Verbund eine eigene Homepage einrichten kann. Begriffe wie „Ärztehaus“,[273] „Ärztezentrum“,[274] „Gesundheitszentrum“, „Schmerzambulanz“ oder auch „Röntgen-Institut“ sind mittlerweile durchgängig für unzulässig erklärt worden.[275] Unzweifelhaft darf sich aber ein „Mini-MVZ“ aus zwei Vertragsärzten „Medizinisches Versorgungszentrum“ nennen. Inwieweit dies auf die Rechtsprechung bezüglich der vorgenannten Modelle Einfluss haben wird, bleibt abzuwarten. Dies ist insoweit interessant, als man bisher für die Bezeichnung „Zentrum“ eine gewisse Größe voraussetzte,[276] andernfalls die Gefahr der Irreführung des Patienten/Verbrauchers bestünde.[277] Nach einer neueren Entscheidung des BVerfG wird man auch bei derartigen Bezeichnungen künftig wesentlich großzügiger sein können.[278] Nach OLG Düsseldorf[279] soll die Bezeichnung „zahnärztliche Privatpraxis“ unzulässig sein. Die Bezeichnung „Röntgenpraxis am Hauptbahnhof“ kann eine unzulässige Etablissementbezeichnung sein.[280] Die Frage, ob eine Arztpraxis sich als „Tagesklinik“ bezeichnen darf, wurde bislang abschlägig beschieden.[281] Dieser Auffassung ist insofern zuzustimmen, als die Bezeichnung als „Tagesklinik“ nicht irreführend sein darf, also z.B. dann unzulässig ist, wenn sich die Ausstattung der Räumlichkeiten in räumlicher, personeller und technischer Hinsicht von einer herkömmlichen Arztpraxis nicht unterscheidet.[282] Eine unkritische Fortführung dieser Rechtsprechung würde jedoch die bedeutsame Entwicklung des ambulanten Operierens in den letzten Jahren außer Betracht lassen. Der Trend zu hochwertig ausgestatteten ambulanten Operationszentren, besetzt mit entsprechend