Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Verfahrensgrundsätze
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Das Verfahren ist an das Strafverfahren angelehnt, es findet allerdings nicht öffentlich statt. Gleiches gilt für Zeugen und Sachverständige. Das Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Strafverfahrens eingestellt werden. Gegen die Entscheidung des Berufsgerichts ist das Rechtsmittel der Berufung zum Berufsgericht zweiter Instanz (Landesberufsgericht) gegeben. Dieses entscheidet abschließend. Gegen einen Freispruch ist eine Berufung allerdings unzulässig, auch wenn in der angegriffenen Entscheidung eine objektive Berufspflichtverletzung festgestellt wurde, es aber aus anderen Gründen (hier: unvermeidbarer Verbotsirrtum) nicht zu einer Verurteilung kam.[366] Die Landesberufsgerichte entscheiden abschließend. Danach bleibt nur noch die Verfassungsbeschwerde, die allerdings gerade in den letzten Jahren zu einem ziemlich erfolgreichen Angriffsmittel gegen berufsgerichtliche Entscheidungen, insbesondere bezüglich der Informationsfreiheit, geworden ist.
6. Kapitel Berufsrecht der Gesundheitsberufe unter Einschluss der Darstellung des Rechts der Selbstverwaltung › D. Berufsrecht der Heilberufe › IV. Berufsrecht der Zahnärzte
1. Geschichte
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Seinen Ursprung findet das heutige Berufsrecht der Zahnärzte in Regelungen berufsständischer Organisationen zum Ende des 19. Jahrhunderts, die zugleich auch als Vorläuferorganisationen der Bundeszahnärztekammer zu verorten sind. Dies gilt in Sonderheit für den Vereinsbund Deutscher Zahnärzte, gegründet 1891 in Breslau, der sich neben dem bereits seit 1859 existierenden Zentral-Verein Deutscher Zahnärzte vorwiegend standesrechtlichen Fragen widmete.[367] Auf Forderungen des Vereinsbundes aus dem Jahr 1894 nach Schaffung einer eigenen zahnärztlichen Promotionsordnung basiert die Prüfungs- und Studienordnung aus dem Jahr 1909, die das Abitur als Studienvoraussetzung postulierte, die Zahnmedizin in das Medizinstudium eingliederte und eine Studiendauer von sieben Semestern vorschrieb.[368]
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Erst mit dem Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde[369] (1952) wurde die heilkundliche Gewerbefreiheit der Zahnbehandler aufgehoben,[370] die seit dem Inkrafttreten der Gewerbeordnung im Jahr 1869 (1871 vom Deutschen Reich übernommen) galt. § 29 GewO sah allerdings bereits vor, dass Zahnärzte, die sich als solche bezeichneten, der Approbation bedurften.[371] Fehlende Gewerbeerlaubnis und unerlaubte Titelführung wurden bestraft, § 147 Nr. 1, 3 GewO (1872). Straflos dagegen durfte die Bezeichnung „Zahnkünstler“ geführt werden.[372] Seit 1892 bestand im Vereinsbund ein Ausschuss, der sich mit der Frage zu befassen hatte, „was bezüglich der allgemeinen Standesinteressen und der Standesehre berücksichtigt werden müsse“.[373] 1896 wurde der Wortlaut einer Standesordnung als „Muster“ im Zahnärztlichen Vereinsblatt abgedruckt, die Umsetzung blieb den Mitgliedsvereinen überlassen.[374] Problematisch schien vor allem, dass diese Standesordnung nur die Vereinsmitglieder, nicht jedoch außen stehende Zahnbehandler binden konnte.[375] 1905 erfolgte die Gründung eines zahnärztlichen „Ehrengerichts“ durch den Vereinsbund.
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Im Jahr 1906 wurde in Baden[376] und sechs Jahre später per „Verordnung betreffend die Einrichtung einer Standesvertretung der Zahnärzte“[377] für das Gebiet des Königreiches Preußen eine Zahnärztekammer errichtet. Beide Regelungen enthielten Disziplinarbefugnisse. Weit überwiegend waren zu diesem Zeitpunkt die berufsständischen Regelungen jedoch vereinsrechtlicher Natur. Entsprechende Beschlüsse der Hauptversammlung des Vereinsbundes Deutscher Zahnärzte betreffen die Zusammenarbeit mit Nichtapprobierten (1901), Vertretungsregelungen (1904) oder späterhin die Frage der Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker (1915).[378]
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Der Vereinsbund, dem im Jahr 1901 32 zahnärztliche Standesvereine mit rund 800 Mitgliedern angehörten, was einem Organisationsgrad von mehr als 50 % entsprach (1906 waren es 63,9 %),[379] setzte sich für den „Zugewinn sozialer Anerkennung“[380] und strikt gegen die gemeinsame Ausübung der Praxis mit nicht approbierten Personen ein;[381] diese Beschlüsse mündeten auch in Entscheidungen der preußischen Zahnärztekammer. Keine Bedenken hatte die Kammer (im Jahr 1920) bei einem Assoziationsvertrag zwischen Zahnarzt und Zahntechniker, „sofern Letzterer der Leiter des zahntechnischen Teils der Praxis ist und nicht am Patienten arbeitet und die Liierung nicht auf dem Schild zum Ausdruck kommt“.[382] Eine eigene Standesordnung beschloss die Preußische Zahnärztekammer erst 1923,[383] die badische Zahnärztekammer folgte 1924.[384]
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1933 Jahren erließ der Reichsverband der Zahnärzte Deutschlands eine „Berufsordnung“, die 1939 vom Verein Deutsche Zahnärzteschaf“ als „Standes- und Verbandsordnung“ ergänzt wurde. Die Nachfolgeorganisation, der Verband der Deutschen Zahnärztlichen Berufsvertretungen verabschiedete 1952, also im Jahr des Inkrafttretens des Zahnheilkundegesetzes, eine „Berufsordnung für die deutschen Zahnärzte“, die in der Folge nach und nach, z.T. mit erheblichen Abweichungen, von den Länderkammern übernommen wurde. Taupitz sah eine „gewisse Lethargie“ bei der Anpassung an die jeweiligen gesetzlichen, sozialen oder politischen Verhältnisse,[385] wobei die Gründe wohl eher in der Diversifikation sowie den medizinisch-ethischen Fragestellungen im ärztlichen Tätigkeitsbereich zu suchen sind.[386]
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Ein weites Feld zur Anwendung des Berufsrechtes bot sich bereits im 19. Jahrhundert durch die aktive Werbung der Zahnbehandler unterschiedlichster Provenienz um den Patienten. Entsprechend restriktiv fielen die Beschlüsse der Preußischen Zahnärztekammer aus. Die „Schilderfrage“ (Aufmachung und Größe des Praxisschilds) hat den Berufsstand bis weit in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts befasst.
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Ähnlich virulent war die Frage, wann und in welcher Form Werbeanzeigen geschaltet werden durften. Bis in die jüngste Zeit von Bedeutung blieben Titelführung und eventuelle Zusatzbezeichnungen umstritten. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ins Feld geführt, dass „Spezialist“ zum Beispiel nur der Zahnarzt sein könne, dessen Tätigkeit sich auf das Spezialgebiet beschränke. Aktuellen Bezug haben auch Entscheidungen der Preußischen Zahnärztekammer, wonach Garantieversprechen zum Behandlungserfolg oder gar „eine Gewährleistung irgendwelcher Art“ der Würde des Zahnarztes zuwider laufen.[387]
2. Berufszugang
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Rechtsgrundlage für den Zugang zum Beruf des Zahnarztes ist das Zahnheilkunde-Gesetz (ZHG). Danach bedarf, wer in Deutschland die Zahnheilkunde dauernd ausüben will, einer Approbation als Zahnarzt. Die Approbation berechtigt zur Führung der Bezeichnung „Zahnarzt“ oder „Zahnärztin“. Neben Bestimmungen über die Rücknahme und den Widerruf (§ 4 ZHG) oder das Ruhen der Approbation (§ 5 ZHG) enthält das Bundesgesetz auch Sonderregelungen für die vorübergehende Ausübung der Zahnheilkunde. Die Erlaubnis kann – widerruflich und grundsätzlich für maximal drei Jahre – nach § 13 Abs. 2 S. 1, 2 ZHG auf bestimmte Tätigkeiten und Beschäftigungsstellen beschränkt werden. Die Befugnis eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen (oder zahnärztlichen) Berufs in Deutschland (§ 1 Abs. 2 ZHG, § 2 Abs. 3 BÄO) wird durch das Ruhen einer ihm etwa erteilten deutschen Approbation nicht berührt.[388]
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Mit Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sieht das ZHG auch Regelungen zur „vorübergehenden und gelegentlichen“ Berufsausübung ohne Approbation vor, § 13a ZHG. Der vorübergehende und gelegentliche Charakter der Erbringung von Dienstleistungen wird danach im Einzelfall