Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
ist es anderen Personen als Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten untersagt, die Kurzbezeichnung Psychotherapeut zu führen. Zusatzbezeichnungen als Hinweise auf Verfahren, die Gegenstand vertiefter Ausbildung und Prüfung nach den für den Beruf einschlägigen Vorschriften waren, sind zulässig, Abs. 2. Gleiches gilt für Qualifikationen, etwa der sozialrechtliche Fachkundenachweis (§ 95c SGB V) und Tätigkeitsschwerpunkte, deren Voraussetzungen den Kammern „auf Verlangen“ nachzuweisen sind (Abs. 3 S. 1, 2). Im Übrigen nimmt die Formulierung Bezug auf die Grundsätze, die das BVerfG hierzu entwickelt hat. Sonstige Regelungen zur Führung von Zusatzbezeichnungen treffen die Länderkammern, Abs. 4.
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Detaillierter als manch andere Berufsordnung beschreibt die MBO-PP/KJP in § 5 allgemeine Sorgfaltspflichten, die im Behandlungsverhältnis zu beachten sind. Dabei gehen die Pflichten über die zivilrechtlichen Bestimmungen (§ 276 Abs. 1 S. 2 BGB) hinaus und verlangen („sind sie gehalten“) von Psychotherapeuten beispielsweise die Beendigung eines Behandlungsverhältnisses, wenn kein Heilerfolg mehr zu erwarten ist, § 5 Abs. 4 S. 1 MBO-PP/KJP. Dem Patienten ist dies zu erläutern; das weitere Vorgehen muss mit ihm erörtert werden, § 5 Abs. 4 S. 2 MBO-PP/KJP.
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Eine besondere Bestimmung enthält die Musterberufsordnung der Psychotherapeuten zur Kontaktgestaltung mit Patienten und den Patienten nahe stehenden Personen, insbesondere Eltern und Sorgeberechtigte bei Kindern und Jugendlichen. So ist jeder sexuelle Kontakt unzulässig (Abstinenzgebot), § 6 Abs. 5, 6, 7 MBO-PP/KJP, und stellt sogar einen (haftungsbegründenden) Behandlungsfehler dar.
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Z.T. abweichende Bestimmungen gegenüber anderen Berufsordnungen enthält § 11 Abs. 2 MBO-PP/KJP. So kann die Einsicht in Behandlungsunterlagen ganz oder teilweise verweigert werden, „wenn dies den Patienten gesundheitlich gefährden würde oder wenn Rechte Dritter betroffen sind“, S. 1. Gleiches gilt für die Einsichtnahme in „subjektive Daten“ des Therapeuten, wenn dies dem Patienten, dem Therapeuten selbst oder Dritten schaden würde, S. 2. Das BVerfG hat in einem Beschluss vom 9.1.2006 offen gelassen, ob die Rechtsprechung des BGH,[458] die den Anspruch des Patienten auf Einsicht in die betreffenden Krankenunterlagen grundsätzlich auf sog. objektive Befunde beschränkt, noch verfassungsgemäß ist.[459] Die Verweigerung ist gegenüber dem Patienten zu begründen, S. 3. Damit folgt die MBO-PP/KJP der BGH-Rechtsprechung, wonach sich das Einsichtsrecht des Patienten nur auf naturwissenschaftlich konkretisierbare Befunde und Aufzeichnungen über Behandlungsmaßnahmen bezieht.[460] Allerdings wird für den Bereich der Psychotherapie in Frage gestellt, ob – zumindest am Beginn der Therapie – überhaupt „objektivierbare naturwissenschaftliche Befunde und Behandlungsfakten“ vorliegen können.
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Auch in Bezug auf den Umgang mit minderjährigen Patienten (§ 12 MBO-PP/KJP) enthält die Musterberufsordnung der Psychotherapeuten eine Sonderregelung, indem sie für die Einwilligungsfähigkeit eines minderjährigen Patienten in eine psychotherapeutische Behandlung eine „behandlungsbezogene natürliche Einwilligungsfähigkeit“ voraussetzt, § 12 Abs. 2 S. 1 MBO-PP/KJP. Gemeint ist dabei die individuelle Fähigkeit eines Kindes zur Krankheitseinsicht, zur Entwicklung eines Wunsches nach Gesundung und zur Entwicklung des Vertrauens, dass dieses Ziel mit dem Therapeuten erreicht werden kann. Den Umgang mit eingeschränkt einwilligungsfähigen Patienten regelt § 13 MBO-PP/KJP.
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Eine weitere Besonderheit enthält die Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 MBO-PP/KJP, wonach ein Psychotherapeut das Honorar seinen Patienten in begründeten Ausnahmefällen ganz oder teilweise erlassen kann. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass Patienten allein aus finanziellen Gründen psychotherapeutische Hilfe verweigert wird. Ansonsten gilt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Gebührenordnung der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (GOP) vom 8.6.2000,[461] die in § 1 Abs. 1 vorsieht, dass für die Abrechnung gegenüber Privatpatienten die ärztliche Gebührenordnung (GOÄ) gilt. Die Gebührensätze dürfen „nicht in unlauterer Weise“ unterschritten werden; unzulässig ist ebenso eine sittenwidrig überhöhte Honorarvereinbarung, § 14 Abs. 2 S. 1 MBO-PP/KJP. Die Angemessenheit seines Honorars hat der Psychotherapeut auf Anfrage der zuständigen Landespsychotherapeutenkammer zu begründen, § 14 Abs. 4 MBO-PP/KJP.
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Bei der Beschreibung von Berufspflichten zur Kollegialität – auch gegenüber anderen Heilberufen (!) – enthält § 17 Abs. 3 S. 1 MBO-PP/KJP eine (beispielgebende) Regelung, wonach Psychotherapeuten „sich in kollegialer Weise auf Vorschriften der Berufsordnung aufmerksam machen“ können. Kein Verstoß gegen eine Berufspflicht liegt vor, wenn „nach Vorliegen eines begründeten Verdachts“ die Landespsychotherapeutenkammer auf einen möglichen Verstoß gegen die Berufsordnung hingewiesen wird, § 17 Abs. 3 S. 2 MBO-PP/KJP. Die Vorschrift soll das ungerechtfertigte „Anschwärzen“ von Kollegen vermeiden helfen, indem eine solche Vorgehensweise selbst in die Nähe berufsunwürdigen Verhaltens gerückt wird.
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§ 18 MBO-PP/KJP lässt die Delegation diagnostischer Teilaufgaben und behandlungsbezogener Maßnahmen, z.B. die Verhaltensbeobachtung,[462] grundsätzlich zu, wobei die Gesamtverantwortung beim behandelnden Psychotherapeuten verbleibt, Abs. 2, der die Delegation standardisierter psychotherapeutischer Teilaufgaben und behandlungsergänzender Maßnahmen regelmäßig zu kontrollieren hat, Abs. 3.[463]
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Bei den Formen der Berufsausübung geht die Musterberufsordnung grundsätzlich von der Bindung an einen (nicht zwingend eigenen) Praxissitz aus, § 20 Abs. 1 S. 1 MBO-PP/KJP. Bis zu zwei weiteren Zweigstellen sind zulässig, wobei Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten an jedem Ort der Tätigkeit zu treffen sind, Abs. 2. Ort und Zeitpunkt der Aufnahme psychotherapeutischer Tätigkeiten sind ebenso wie Veränderungen der Landeskammer „unverzüglich“ mitzuteilen, Abs. 3. Anforderungen an die Praxis, z.B. Präsenz und Erreichbarkeit, beschreibt § 22 MBO-PP/KJP. Bei Informationen über die Praxis und werbende Darstellungen gilt das Verbot berufswidriger Werbung, § 23 Abs. 3 MBO-PP/KJP. Andere Bezeichnungen als „Praxis“ bedürfen der Genehmigung durch die jeweilige Landespsychotherapeutenkammer, Abs. 2.
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Psychotherapeuten dürfen sich mit Angehörigen ihrer Berufsgruppe oder „anderer Gesundheits- und Beratungsberufe zusammenschließen“, § 21 MBO-PP/KJP. Berufsrechtlich erlaubt ist auch die Beteiligung an Kooperationen, „deren Ziel ein anderer Versorgungsauftrag oder eine andere Form der Zusammenarbeit zur Patientenversorgung ist“, Abs. 3. Dabei muss stets die freie Wahl des Psychotherapeuten durch den Patienten gewährleistet und die eigenverantwortliche und selbstständige sowie nicht gewerbliche Berufsausübung gewährleistet bleiben, Abs. 4. Ausdrücklich schließt Abs. 6 eine Beteiligung an privatrechtlichen Organisationen aus, „die missbräuchlich die eigenverantwortliche Berufsausübung einschränken, Überweisungen an Leistungserbringer außerhalb der Organisation ausschließen oder in anderer Weise die Beachtung der Berufspflichten . . . beschränken.“ Für alle Zusammenschlüsse besteht eine Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Landespsychotherapeutenkammer, der auf Verlangen die entsprechenden Kooperationsverträge vorzulegen sind, Abs. 7.
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Auch beim angestellten oder beamteten Psychotherapeuten geht die Musterberufsordnung vom Leitbild des Freiberuflers aus, der allgemeine Weisungen nur befolgen darf, soweit diese mit der Berufsordnung vereinbar sind oder deren Befolgung er selbst verantworten kann, § 25 Abs. 1 MBO-PP/KJP. Fachliche Weisungen von Vorgesetzen dürfen nach Abs. 2 nur befolgt werden, „wenn diese