Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
der Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie im Sinne des PsychThG ist jede mittels wissenschaftlich geprüfter und anerkannter psychotherapeutischer Verfahren berufs- oder geschäftsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist, § 1 Abs. 2 S. 1 PsychThG. Psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung oder Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben, gehören nicht zur Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie.
308
Somit handelt es sich bei Psychotherapeuten um eigenständige Heilberufe. Mit Inkrafttreten des Gesetzes am 31.1.1999 wurde die Approbation Voraussetzung für die Berufsausübung.
2. Berufszugang
309
Mit dem Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung[450] wird der Berufszugang der Psychotherapeuten (Berufsbezeichnung bis dato: Psychologische Psychotherapeut/innen oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen) neu geregelt.[451] Ärztinnen und Ärzte, die Psychotherapie anbieten, können sich ärztliche Psychotherapeutin/ärztlicher Psychotherapeut nennen, § 1 Abs. 1 PsychThG.
310
Voraussetzung für die Erteilung der Approbation ist künftig ein fünfjähriges Universitätsstudium. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums und Bestehen der psychotherapeutische Prüfung wird die Approbation erteilt, wenn der Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt, nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist und über die für die Ausübung des Berufs erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, § 2 Abs. 1 Nr. 1–4 PsychThG.
311
Das PsychThG sieht in § 3 auch eine vorübergehende und in § 4 eine Erlaubnis zur partiellen Berufsausübung vor. Die Zulassung endet mit Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Approbation, § 5 PsychThG, ebenso bei Verzicht, § 6 PsychThG.
312
Für die Zulassung zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter ist eine anschließende Weiterbildung notwendig. Der neue Studiengang sollte zum Wintersemester 2020 erstmals angeboten werden.
313
Das Direktstudium der Psychotherapie gliedert sich in ein 3-jähriges Bachelor- und ein 2-jähriges Masterstudium und wird mit einer staatlichen psychotherapeutischen Prüfung abgeschlossen, §§ 9 Abs. 3; 10 PsychThG. Ziel des Studiums ist die Vermittlung grundlegender personaler, fachlich-methodischer, sozialer und umsetzungsorientierter entsprechend dem allgemein anerkannten Stand psychotherapiewissenschaftlicher, psychologischer, pädagogischer, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse, die für eine eigenverantwortliche, selbstständige und umfassende psychotherapeutische Versorgung von Patientinnen und Patienten aller Altersstufen und unter Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren erforderlich sind, § 7 Abs. 1 S. 1 PsychThG.
314
Voraussetzung für die Eintragung von Psychotherapeuten in das Arztregister ist neben der Approbation der erfolgreiche Abschluss einer Weiterbildung für die Behandlung von Erwachsenen oder einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen in einem durch den Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannten Behandlungsverfahren, § 95c SGB V.
315
Im ambulanten und stationären Bereich werden die Behandlungsleistungen, die Psychotherapeuten in Weiterbildung (PiW) im Rahmen ihrer Weiterbildung erbringen, von den Krankenkassen vergütet.
316
Ziel der Weiterbildung ist der Erwerb der in den Weiterbildungsordnungen festgelegten Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten, um nach Abschluss der Berufsausbildung besondere psychotherapeutische Kompetenzen zu erlangen. Die Weiterbildung dient, orientiert an einer von der BPK entwickelten Musterweiterbildungsordnung, der Sicherung der Qualität der psychotherapeutischen Berufsausübung. Sie wird durch eine erfolgreich abgelegte Prüfung abgeschlossen.
317
Ein fester Anteil der Vergütung, welche die Krankenkassen für die von Psychotherapeuten in Weiterbildung („PiW“) erbrachten ambulanten Krankenbehandlungen an die Weiterbildungsstätten zahlen, ist an die PiW weiterzugeben. Die gleiche Regelung gilt für angehende Psychotherapeuten, die ihre Ausbildung nach dem bisherigen System angefangen haben („PiA“).
318
Mit Abschluss der Weiterbildung sind Psychotherapeuten berechtigt, sich ins Arztregister eintragen zu lassen und einen Antrag auf Zulassung zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung im System der gesetzlichen Krankenversicherung zu stellen.
3. Berufsausübung
319
Das PsychThG aus dem Jahr 1998[452] regelte nicht allein die Berufsausübung, es schützte auch die Berufsbezeichnung. Die mit den gesetzlichen Berufsausübungsregeln der beiden (neuen) Heilberufe verbundene Einschränkung der Berufsfreiheit hat das BVerfG gebilligt.[453] Ob im Hinblick auf die bis dato im Rahmen des Heilpraktiker-Gesetzes erlaubte Ausübung der Psychotherapie überhaupt der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt wird, hat das BVerfG in Zweifel gezogen, „da weder das Tätigkeitsspektrum von psychotherapeutisch tätigen Heilpraktikern noch das Kostenerstattungsverfahren durch das Psychotherapeutengesetz verändert worden ist.“[454] Vielmehr blieben bestehende Zulassungen nach dem HeilPG bestehen. Dabei hat das BVerfG es nicht beanstandet, wenn der Gesetzgeber aus Gründen des Patientenschutzes „eine bisher nicht geschützte Berufsbezeichnung verwendet, um bestimmte Angehörige eines Berufs, die eine bestimmte Ausbildung aufweisen, klar zu kennzeichnen.“[455]
a) Musterberufsordnung
320
Die Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (MBO-PP/KJP)[456] hat zum Ziel, „das Vertrauen zwischen Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten und ihren Patientinnen oder Patienten zu fördern, den Schutz der Patientinnen und Patienten zu sichern, die Qualität der psychotherapeutischen Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen, die freie Berufsausübung zu sichern, das Ansehen des Berufs zu wahren und zu fördern und auf berufswürdiges Verhalten hinzuwirken und berufsunwürdiges Verhalten zu verhindern.“ (Präambel). Die Formulierungen der allgemeinen Berufspflichten nehmen Prinzipien der Gesundheits- und Biomedizinethik, hier vor allem die von Beauchamp und Childress formulierten Anforderungen „respect for autonomy, nonmaleficence, beneficence, justice“ auf (§§ 3 Abs. 2, 7 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 2 S. 2 MBO-PP/KJP) und gewichten sie (Abs. 3 bis 6).[457]
aa) Regelungen im Einzelnen
321
§ 1 MBO-PP/KJP beschreibt den Psychotherapeuten als Heilkundler (Abs. 1) und Freiberufler (Abs. 3) und formuliert (nicht abschließend) eine Vielzahl von Tätigkeitsbereichen der Berufsträger (Abs. 2). Mit dem Hinweis auf die Beteiligung der Psychotherapeuten „an der Erhaltung der soziokulturellen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die psychische Gesundheit der Menschen“ (Abs. 2 S. 2) wird ein Bezugspunkt zum Gemeinwohl hergestellt, der in § 3 Abs. 8 MBO-PP/KJP im Hinblick auf die „psychosoziale Notfallversorgung“ der Bevölkerung konkretisiert wird.
322
In § 2 MBO-PP/KJP werden die gesetzlich geschützten Begriffe „Psychologischer Psychotherapeut“ oder