Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
einer KV sind die Vertreterversammlung und der Vorstand.
38
Die zugelassenen Ärzte, die in den zugelassenen medizinischen Versorgungszentren und in Eigeneinrichtungen nach § 105 Abs. 5 SGB V angestellten Ärzte und die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden ermächtigten Krankenhausärzte bzw. Psychotherapeuten bzw. Zahnärzte, wenn sie wenigstens 10 Stunden pro Woche beschäftigt werden, werden nach § 77 Abs. 3 SGB V Zwangsmitglieder der regional zuständigen KV, was § 95 Abs. 3 SGB V auch als Folge der Zulassung anordnet.
39
Die KV stehen nach § 78 SGB V unter staatlicher Aufsicht, die hinsichtlich der Bundesvereinigungen durch das BMG und auf Länderebene durch die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden wahrgenommen wird. Es handelt sich nach § 78 Abs. 3 SGB V um eine Rechtsaufsicht, die zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Selbstverwaltungsentscheidungen nicht berechtigt.[8] Die früher qua Verweisung auf die §§ 88 und 89 SGB IV gegebenen Aufsichtsbefugnisse wurden durch die durch das GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz neu eingeführten Abs. 4–6 erheblich zugunsten des BMG bis hin zur Zwangsgeldfestsetzung ausgeweitet.[9] Die Genehmigungs- und Beanstandungsbefugnisse sind an den maßgeblichen Stellen im Gesetz genannt, insbesondere in §§ 81 Abs. 1 S. 2, 78 Abs. 1 und 3, 79a SGB V.
2. Organisationsstruktur
40
Die KV haben nach § 79 Abs. 1 SGB V eine Vertreterversammlung als Selbstverwaltungsorgan, deren Mitglieder nach dem in § 80 SGB V geregelten Verfahren in der in § 79 Abs. 2 SGB V bestimmten Anzahl gewählt werden.
41
Die Vertreterversammlung beschließt nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 SGB V die Satzung mit dem in § 81 SGB V bestimmten Inhalt und das sonstige autonome Recht. Sie hat ferner die Aufgabe, den nach § 79 Abs. 1 SGB V zu bildenden hauptamtlichen Vorstand zu überwachen, Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung zu treffen, den Haushaltsplan aufzustellen und die Körperschaft gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern zu vertreten. Die Rücktrittserklärung eines Vertreters beinhaltet einen Verzicht auf das Mandat und ist dem Versammlungsleiter gegenüber zu Protokoll zu erklären. Außerhalb der Versammlung bedarf die Erklärung der notariellen Beurkundung.[10]
42
Die Wahl von Ausschussmitgliedern in der Vertreterversammlung ist anfechtbar. Die Klage ist gegen die KV zu richten. Klagebefugt ist jedes Mitglied der Vertreterversammlung. Fraktionen haben keine Rechte, wenn die Satzung der KV keine Fraktionsbildung vorsieht. Der für demokratisch legitimierte Parlamente entwickelte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt nicht, es sei denn die Satzung sieht dies vor.[11]
43
Mittels dem GKV-VSG wurde die Beschlusskompetenz des Plenums für die in § 79 Abs. 3 SGB V genannten Gegenstände in einem neuen Abs. 3a dahingehend eingegrenzt, dass die Vertreter der Hausärzte und die Vertreter der Fachärzte in der KBV nicht mehr über Gegenstände, die ausschließlich die andere Fraktion betreffen, mitbestimmen dürfen. Bei gemeinsamer Abstimmung ist, ungeachtet der Anzahl der Vertreter einer Fraktion, durch entsprechende Stimmgewichtung eine Parität der Stimmanteile herzustellen.[12] Der Gesetzgeber bezweckte damit einen Ausgleich der Interessen der beiden Lager, die sich in der Vergangenheit blockiert bzw. je nach Mehrheitsverhältnisse auch gezielt benachteiligt hatten.[13] Tatsächlich wurde damit auch die, durch die in § 73 Abs. 1 S. 1 SGB V angeordnete Trennung der haus- und fachärztlichen Versorgung verursachte Spaltung der Interessen der Ärzteschaft institutionell festgeschrieben (siehe dazu auch Rn. 406 ff.).
44
Mit dem GKV-SelbstverwaltungsstärkungsG ordnete der Gesetzgeber in einem neuen § 79 Abs. 3a SGB V eine Begründungspflicht der von der Vertreterversammlung der KBV getroffenen Beschlüsse an, führte eine Protokollpflicht ein und ließ die Öffentlichkeit zu den Versammlungen zu. Geheime Abstimmungen wurden grundsätzlich verboten. Für die in § 81 Abs. 1 SGB V genannten haftungsrelevanten Abstimmungsgegenstände ist die namentliche Abstimmung obligatorisch. Ferner bekam die Vertreterversammlung der KBV ein Auskunftsrecht gegenüber dem Vorstand (§ 79 Abs. 3 S. 3 SGB V) und muss Nebentätigkeiten seiner Mitglieder aufgrund von Dienst- oder Werkvertrag mit der KBV zukünftig genehmigen lassen. Die Vergütungen aufgrund ungenehmigter Verträge sind zurück zu zahlen. Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass der Vorstand der KBV „hinter dem Rücken“ der Vertreterversammlung Abhängigkeiten einzelner Mitglieder schafft, die bei der Abstimmung genutzt werden können. Bei den regionalen KV hegt er diese Befürchtung nicht.
45
Der hauptamtliche Vorstand hat ebenfalls Organstellung und besteht nach § 79 Abs. 4 S. 1 SGB V aus maximal drei Mitgliedern, bei der KBV in jedem Fall aus drei Mitgliedern, die gem. § 79 Abs. 4 S. 5 SGB V für maximal sechs Jahre von der Vertreterversammlung gewählt werden, sich gegenseitig vertreten und eine ärztliche Tätigkeit als Nebentätigkeit im begrenzten Umfang weiterführen dürfen. Der Vorstand verwaltet die Körperschaft und vertritt sie in allen Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich.[14] Die Vergütungen der Vorstände sind seit 2005 nach § 79 Abs. 4 S. 5 SGB V zu veröffentlichen.[15]
46
Kommt die Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen nicht zustande oder erledigen diese ihre Geschäfte nicht, können die Aufsichtsbehörden nach Maßgabe des § 79a SGB V Ersatzvornahmen durchführen oder einen Staatsbeauftragten einsetzen, der die entsprechende Organstellung einnimmt.[16] Die interne Organisationsstruktur regeln die KV nach § 81 SGB V durch Satzung (ausführlich dazu siehe Rn. 153 ff.).
47
Nach § 79b SGB V ist bei den KV und der KBV ein beratender Fachausschuss für Psychotherapie zu bilden, ferner nach § 79c SGB V beratende Fachausschüsse für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für die angestellten Ärzte. Weitere beratende Fachausschüsse können gebildet werden.
3. Amtshaftung
48
Mittels Verweis auf § 35a Abs. 1 S. 3 und 4, Abs. 2, Abs. 5 S. 1, Abs. 7, § 42 Abs. 1–3 SGB IV in § 79 Abs. 6 S. 1 SGB V werden die Organe einer KV hinsichtlich ihrer Verantwortung und internen Haftung gegenüber der Körperschaft den Krankenkassenvorständen gleichgestellt. Die Außenhaftung bei Verletzung von Amtspflichten gegenüber Dritten richtet sich nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Nach § 42 Abs. 2 SGB IV erfolgt der Rückgriff auf das Organmitglied bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung. Ein vorheriger Haftungsverzicht ist nach § 42 Abs. 3 SGB IV unzulässig. Die Haftung der KV für fiskalische Tätigkeiten ihrer Organmitglieder richtet sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen.[17]
49
Die KV haften auch für Amtspflichtverletzungen, die von den von ihnen bestellten Mitgliedern der Zulassungs- und Berufungsausschüsse begangen werden.[18] Dasselbe gilt für die Krankenkassen hinsichtlich der von ihnen entsandten Mitglieder. Mit den gleichen Erwägungen wird man auch eine Haftung dieser Körperschaften hinsichtlich Amtspflichtverletzungen der von ihnen in andere Selbstverwaltungsgremien, beispielsweise Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse, entsandten Mitglieder annehmen müssen. Anders dagegen beim Gemeinsamen Bundesausschuss (siehe Rn. 63 ff.), wo der Gesetzgeber in § 91 Abs. 3a SGB V eine Haftungszuweisung an den G-BA selbst vorgenommen hat, speziell, um die Entsendeorganisationen von den Folgen der Rechtsprechung des BGH zu entlasten.[19]
50
Eine besondere Form der Haftung für die Nichtumsetzung vom Gesetzgeber