Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Nach Auffassung der Bundesregierung ergibt sich aus der Befugnis zur Gründung derartiger Gesellschaften auch die Befugnis zur Bereitstellung der Gründungsmittel.[41] Diese Auffassung entgegen dem Wortlaut von § 77a Abs. 3 S. 2 SGB V ist zu kurz gegriffen. Eine Gründung von Gesellschaften ist ohne Beteiligung am Kapital mit wenigstens 1 % nicht möglich. Bei einer Beteiligung an Personengesellschaften kann die persönliche Haftung des Gesellschafters zum unbegrenzten Rückgriff auf das Vermögen der beteiligten KV führen, was zweifellos nicht mit dem Finanzierungsverbot vereinbar ist. Die Gründung von Kapitalgesellschaften erfordert die Aufbringung des vorgeschriebenen Stammkapitals (vgl. § 2 AktG, §§ 5 und 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG). Auch wenn der Gründungsbeitrag zunächst auf die Zahlung der Einlage beschränkt ist, bestehen für Gesellschafter und Aktionäre einer Kapitalgesellschaft weitere Kapitalaufbringungspflichten, von der die beteiligte KV in der Satzung zur Gänze befreit werden muss.
62
Der durch das SelbstverwaltungsstärkungsG geschaffene § 77b SGB V enthält zusätzliche Anforderungen an die von der KBV eingerichteten Arbeitsgemeinschaften und gegründeten Dienstleistungsgesellschaften. Der Vorstand wird verpflichtet, der Vertreterversammlung jährlich umfassend Bericht zu erstatten.
8. Kapitel Vertragsarztrecht › C. Die Beteiligten im Vertragsarztrecht › III. Die Gemeinsame Selbstverwaltung und ihre Gremien
1. Der Gemeinsame Bundesausschuss
63
Nach § 91 Abs. 1 SGB V bilden die KBV, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
a) Rechtsstatus
64
Der G-BA ist die maßgebliche Rechtsetzungseinrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung, der nach dem GMG zum 1.1.2004 die bis dahin bestehenden Bundesausschüsse der Ärzte bzw. der Zahnärzte und Krankenkassen, den Ausschuss Krankenhaus und den Koordinierungsausschuss abgelöst hat.[42] Trägerorganisationen des G-BA sind gem. § 91 Abs. 1 S. 1 SGB V die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund.
65
Der G-BA ist nach § 91 Abs. 1 S. 2 SGB V rechtsfähig. Eine Regelung zur Rechtsqualität des G-BA als Träger öffentlicher Aufgaben fehlt. Nach Auffassung des BSG handelte es sich bei den früheren Bundesausschüssen um Anstalten des öffentlichen Rechts.[43] Nach anderer Auffassung ist der G-BA eine rechtsfähige Einrichtung sui generis.[44] Er hat in jedem Fall Behördeneigenschaft i.S.v. § 1 Abs. 2 SGB X.[45]
66
Der G-BA besteht aus einem Plenum (Beschlussgremium) und aus Unterausschüssen, welche die Entscheidungen des Beschlussgremiums vorbereiten.[46] Beschlüsse werden mit Mehrheit gefasst. Die Vertreter der Patientenorganisationen nach § 140f SGB V haben ein Mitberatungsrecht ohne Stimmrecht.[47] Die Verfahren bis zur Beschlussfassung sind in der Geschäftsordnung[48] und in der Verfahrensordnung[49] geregelt, die nach § 91 Abs. 4 SGB V mit Genehmigung des BMG beschlossen wurden. Die Sitzungen des G-BA sind in der Regel öffentlich. Der G-BA wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten, § 91 Abs. 1 S. 3 SGB V.
67
Die Rechtsaufsicht über den G-BA und dessen Finanzen führt das BMG nach §§ 91a Abs. 1 SGB V i.V.m den Aufsichts- und Haushaltsvorschriften des SGB IV. Das BMG kann aufsichtliche Verfügungen per Zwangsgeld durchsetzen. Dem BMG sind die beschlossenen Richtlinien zur Prüfung vorzulegen, das nach § 94 Abs. 1 S. 2 SGB V ein Beanstandungsrecht bzw. nach S. 5 der Vorschrift für unterbliebene Beschlüsse ein Ersatzvornahmerecht hat. Das Beanstandungsrecht ist hinsichtlich erlassener Richtlinien auf die Kontrolle von Rechtsverstößen beschränkt.[50]
68
Für Klagen gegen Richtlinien und Entscheidungen des G-BA wie auch in Aufsichtsangelegenheiten ist erstinstanzlich nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG das LSG Berlin-Brandenburg ausschließlich zuständig.
b) Zusammensetzung
69
Das Beschlussgremium des G-BA besteht aus drei unparteiischen Mitgliedern, wovon einer den Vorsitz führt, und fünf Mitgliedern der „Bank“ der Leistungserbringer, davon ein Vertreter der KZVB und jeweils zwei Vertretern der KBV und der DKG und fünf Vertretern der „Bank“ der Krankenkassen. Die Amtsdauer beträgt sechs Jahre, § 91 Abs. 2 S. 17 SGB V. Nach § 140f Abs. 2 SGB V entsenden die Patientenorganisationen in den G-BA sachkundige Personen, deren Anzahl die Zahl der Vertreter des Spitzenverbandes Bund nicht übersteigen soll.
70
Die unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter dürfen im letzten Jahr vor ihrer Berufung nicht bei einer der Trägerorganisationen einschließlich deren Mitgliedern und Verbänden der Mitglieder oder einem Krankenhaus beschäftigt oder als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Psychotherapeut tätig gewesen sein. Über die Unparteiischen und deren Stellvertreter sollen sich die beteiligten Organisationen auf einen einheitlichen Vorschlag einigen, der dem BMG vorzulegen ist. Dieses übermittelt den Vorschlag an den Ausschuss für Gesundheit des Bundestages, der den Vorschlag bestätigt oder ablehnt. Das BMG beruft die Mitglieder, wenn kein neuer Vorschlag erfolgt oder der Ausschuss auch den neuen Vorschlag ablehnt. Die Unparteiischen sollen hauptamtlich tätig sein. Falls sie ehrenamtlich tätig sein wollen, müssen sie dazu von ihren Arbeitgebern freigestellt werden. Die Stellvertreter der unparteiischen und die sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums bleiben ehrenamtlich.[51]
c) Aufgaben
71
Die Aufgaben des G-BA wurden in den letzten Jahren über die vertragsärztliche Versorgung hinaus auf alle Versorgungsbereiche innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung erstreckt, sowohl was ambulante als auch stationäre Behandlungen betrifft, als auch Entscheidungen über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln. Nach § 92 Abs. 1 SGB V hat der G-BA unter Beachtung der in der Vorschrift genannten Kriterien die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu beschließen. § 92 Abs. 1 S. 2 SGB V benennt 15 Themenkomplexe, die mittels Richtlinien zu regeln sind.
72
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) dürfen in der GKV zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der G-BA auf Antrag eines seiner unparteiischen Mitglieder, der KBV, einer KV oder des Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach § 135 Abs. 1 SGB V in den NUB-Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit, über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung und die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung abgegeben hat.[52] Solange die Empfehlung nicht positiv abgegeben ist, ist die Leistung nicht Bestandteil der GKV. § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V stellt somit ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar und bewirkt damit die eigentliche Konkretisierung des Rahmenrechts des Versicherten in § 27 SGB V auf umfassende Krankenbehandlung innerhalb des bereits durch die Richtlinien eröffneten Rahmenkorridors.[53] Zu Details siehe auch Grinblat Kap. 7 Rn. 37 ff. Ein darüber hinausgehender Behandlungsanspruch besteht nach § 13 Abs. 3 SGB V unter den vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen,[54]