Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
7 Rn. 37 ff.
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§ 87a Abs. 5 SGB V verpflichtet den BewA jährlich bis spätestens 31.8. an die Partner der Gesamtverträge gerichtete Empfehlungen zu beschließen
– | zur Vereinbarung des Umfangs des nicht vorhersehbaren Anstiegs des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs, der nach § 87a Abs. 3 S. 4 SGB V von den Krankenkassen zusätzlich zur vereinbarten Gesamtvergütung bezahlt werden muss; |
– | zur Vereinbarung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur, die nach § 87a Abs. 3 S. 1 SGB V der Gesamtvergütung zugrunde gelegt wird; |
– | zur Bestimmung der Vergütungen, die nach § 87a Abs. 3 S. 6 SGB V für extra-budgetäre Leistungen bezahlt werden müssen. |
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Diese Empfehlung sind inhaltliche Relikte aus der Zeit der Jahre 2009 bis 2012, als der BewA einheitlich durch Beschlüsse die bundeseinheitlichen arzt- und arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumen (RLV) wie auch das Verfahren zur Berechnung des Behandlungsbedarfs, auf deren Grundlage die regionale Honorarverteilung erfolgen musste, vorgab. Seit deren Abschaffung sollen die Empfehlungen rechtliche Brüche im Übergang von den zentralen auf die regionalen Zuständigkeiten vermeiden helfen und diese Übergänge für die Vertragsärzte transparent und rechtssicher machen.[76]
d) Beschlussfassung
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Der Verfahrensgang und die Entscheidungsfindung richten sich nach den Geschäftsordnungen der in unterschiedlichen Zusammensetzungen zuständigen Bewertungsausschüsse.[77] Nach § 3 Geschäftsordnung entscheidet der BewA durch Beschlüsse, die entweder in Sitzungen oder im schriftlichen Beschlussverfahren getroffen werden. Aus der Formulierung des § 87 Abs. 4 S. 1 SGB V, wonach der Erweiterte Bewertungsausschuss einberufen werden kann, wenn eine übereinstimmende Entscheidung des BewA nicht zu Stande gekommen ist, ergibt sich das Erfordernis der Einstimmigkeit der Beschlussfassung. Daraus folgt, dass der BewA nur beschlussfähig ist, wenn alle Mitglieder anwesend sind. Nach § 87 Abs. 5 S. 1 SGB V setzt der Erweiterte Bewertungsausschuss mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder die vom BewA nicht getroffene Vereinbarung fest. Da der Erweiterte Bewertungsausschuss nicht paritätisch besetzt ist, wird die gegenseitige Blockierung der Vertragspartner ausgeschlossen. Die Beschlussunterlagen sind dem BMG zur Prüfung vorzulegen, das ein Beanstandungsrecht hat. Ergänzend dazu räumt § 87 Abs. 6 S. 1 SGB V dem BMG ein Teilnahmerecht an den Sitzungen des BewA ein.
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Die Beschlüsse des BewA haben gem. der Formulierung des § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V die Rechtsqualität einer bundesmantelvertraglichen Vereinbarung. Sie sind im Deutschen Ärzteblatt oder auf der Homepage des Instituts des Bewertungsausschusses bekannt zu machen. Bezüglich der Festsetzungen des Erweiterten Bewertungsausschusses ergibt der in § 87 Abs. 5 S. 2 SGB V enthaltene Verweis auf § 82 Abs. 1 SGB V nichts anderes, weil Bundesmantelverträge nach § 82 Abs. 1 S. 2 SGB V Bestandteil der Gesamtverträge sind (vgl. Rn. 195).
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Praxistipp
Übersichten der Beschlüsse mit Downloadmöglichkeit der schriftlichen Beschlussfassungen sind auf den Internetseiten der KBV: (http://www.kbv.de/html/beschluesse_des_ba.php) und des Instituts des Bewertungsausschusses (http://www.institut-ba.de/ba/beschluesse.html) abrufbar.
e) Institut des Bewertungsausschusses
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§ 87 Abs. 3b SGB V verpflichtete die KBV und den Spitzenverband Bund zur Unterstützung des BewA der Ärzte bis spätestens 30.4.2007 ein Institut zu gründen, das Analysen und Berichte erstellt und die Beschlüsse vorbereitet, die zur Umsetzung der in §§ 87, 87a und 116b Abs. 6 SGB V genannten Aufgaben erforderlich sind. Aus dieser Aufgabenstellung und der Nichtbeteiligung der KZBV ergibt sich, dass das Institut für den BewA der Zahnärzte nicht tätig werden kann.
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Der Gesetzgeber wollte durch ein neutrales Institut die Professionalität des BewA erhöhen, weil er die bestehenden Strukturen aufgrund der ständigen Interessenkonflikte zwischen Krankenkassen und Ärztevertretern für ineffizient ansah.[78] Finanziert wird das Institut nach § 87 Abs. 3c SGB V über Zuschläge auf die ambulant-kurativen Behandlungsfälle, die von den Krankenkassen außerhalb der Gesamtvergütung aufzubringen sind.
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Seit 1.1.2009 obliegt dem Institut die Geschäftsführung des BewA, die bis dahin von der KBV wahrgenommen worden war. Nach § 87 Abs. 3e SGB V hat der BewA für das Institut eine Verfahrens- und eine Geschäftsordnung und eine Finanzierungsregelung beschlossen, die vom BMG genehmigt und veröffentlicht wurden. Die Aufgaben des Instituts entsprechen im Wesentlichen denen des BewA mit Ausnahme der Beschlussfassung. Die Internetseite des Instituts ist laut § 7 Abs. 1 der Geschäftsordnung des BewA neben dem Deutschen Ärzteblatt offizielles Bekanntmachungsorgan der Beschlüsse. Das Institut hat Behördeneigenschaft i.S.v. § 1 Abs. 2 SGB X bzw. § 1 Abs. 4 VwVfG, weil es Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, nämlich die des BewA. Es ist aber nicht rechtsfähig.[79]
f) Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
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Das in Köln beheimatete DIMDI gehört weder der gemeinsamen, noch der ärztlichen Selbstverwaltung an, sondern ist eine nicht rechtsfähige Bundesanstalt im Geschäftsbereich des BMG.[80] Anfang des Jahres 2020 wurde das DIMDI dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingegliedert, vgl. Rn. 133. Sein Aufgabenbereich bleibt erhalten. Er spielt an vielen Stellen in die Selbstverwaltung hinein, weil das DIMDI im Auftrag des BMG die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) verschlüsselt. Diese Diagnoseschlüssel sind nach § 295 Abs. 1 S. 2 SGB V von den Vertragsärzten zusammen mit der Leistungsabrechnung zu übermitteln. Auf diesen Diagnosen beruhen nach § 87a Abs. 5 S. 3 SGB V die Empfehlungen des BewA zur Berechnung des Behandlungsbedarfs, der dann in die Verhandlungen der Gesamtvergütung nach § 87a Abs. 3 SGB V eingeht.
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Das DIMDI gibt ferner den Prozedurenschlüssel für ambulante Operationen (OPS) heraus, nach dem Vertragsärzte ambulante Operationen nach Kap. 31 und 36 EBM zu Abrechnungszwecken verschlüsseln müssen (§ 295 Abs. 1 S. 4 SGB V). Die Schlüssel sind nach § 301 SGB V auch von Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen zu verwenden.
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Die Schlüssel werden im Bundesanzeiger bekannt gemacht und sind von da an für die zur Kodierung Verpflichteten verbindlich. Die über die Schlüssel erhobenen Diagnosedaten werden nach § 268 Abs. 3 S. 2 SGB V für die Bildung von Versichertengruppen verwendet, unter denen nach § 266 SGB V der Risikostrukturausgleich der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds praktiziert wird.
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Das DIMDI gibt ferner heraus und aktualisiert laufend die der Ermittlung von Arzneimitteltagesdosen (DDD) nach § 73 Abs. 8 S. 4 SGB V zu Grunde liegende anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation (ATC-Klassifikation), wie auch zahlreiche andere Klassifikationen