Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
147
Das Vertragsarztrecht ist im 4. Kapitel des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuches „Gesetzliche Krankenversicherung“ (SGB V) – „Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern“ – umfassend geregelt. Die Zuständigkeit des Bundes beruht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, der die gesamte Sozialversicherung umfasst und nach der Rechtsprechung des BVerfG weit auszulegen ist.[6]
148
Das Vertragsarztrecht ist Bestandteil des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung und gehört damit zum Sozialrecht mit der Folge, dass für das Verwaltungsverfahren das SGB X Anwendung findet. Für das gerichtliche Verfahren sind gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG die Sozialgerichte zuständig. Nicht zum Vertragsarztrecht gehört das im 3. Kapitel SGB V geregelte Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung.[7] Allerdings ist die Kenntnis des Leistungsrechts wie auch des allgemeinen Krankenversicherungsrechts, ebenso des Rehabilitations- und des Pflegeversicherungsrechtes für das Verständnis des Vertragsarztrechtes unerlässlich. Ergänzend das SGB I „Allgemeiner Teil“ und das SGB IV „Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung“ Anwendung.
149
Neben dem SGB V in der jeweils geltenden Fassung enthalten die zahlreichen SGB V-Reformgesetze bis zurück zur RVO[8], siehe Rn. 9 ff., noch einige wenige Vorschriften, die Bedeutung haben können. Es handelt sich meist um für einen bestimmten Zeitrahmen geltende Vorschriften zur Kostendämpfung oder Übergangsregelungen, die nicht in das SGB V aufgenommen wurden.
150
Neben den genannten Gesetzen sind wesentliche Vorschriften des Vertragsarztrechts in untergesetzlichen Normen enthalten, die im SGB V nach Inhalt, Zweck und Ausmaß (vgl. Art. 80 Abs. 1 GG) vorgegeben sein müssen.[9] Für alle untergesetzlichen Normen gilt das verfassungsmäßige Bestimmtheitsgebot, das besagt, dass die Rechtsvorschriften so gefasst sein müssen, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage konkret erkennen kann. Er muss sein Verhalten danach ausrichten können.[10] Dabei dürfen die Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit jedoch nicht übersteigert werden. Die Regelungen müssen aber so genau gefasst sein, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck gerechtfertigt ist[11]. Auslegungsbedürftigkeit macht eine Norm nicht unbestimmt. Dem Bestimmtheitserfordernis ist genügt, wenn die Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können. Es dürfen unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, wenn sie der Konkretisierung durch Auslegung zugänglich sind.[12] Ob und inwieweit diese Vorgaben bei den untergesetzlichen Normen erfüllt sind, ist regelmäßig zu prüfen.
2. Rechtsverordnungen
151
Das Zulassungsrecht auf Basis der Vorgaben der §§ 95 ff. SGB V ist in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte[13] bzw. der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte[14] geregelt, die sowohl verfahrensrechtliche wie auch materiell-rechtliche Regelungen enthalten. Bei der in § 106 SGB V geregelten Wirtschaftlichkeitsprüfung ist die Geschäftsführung der Ausschüsse nach Abs. 4a S. 9 in der Wirtschaftlichkeitsprüfungsverordnung[15] geregelt. Weitere verfahrensrechtliche relevante Vorschriften enthalten die Schiedsamtsverordnungen nach §§ 89 Abs. 6, 89a Abs. 11 SGB V und die Ausschussmitgliederverordnung[16] nach §§ 90 Abs. 3 S. 4 bzw. 91 Abs. 2 S. 7 SGB V. Soweit in einer Rechtsverordnung Normgebungskompetenzen weiter delegiert werden (Subdelegation), ist in der subdelegierten Verordnung die Ermächtigungsgrundlage anzugeben, weil die delegierte Rechtsetzungskompetenz den gleichen Beschränkungen wie die Rechtsverordnung selbst unterliegt.[17]
152
Nach § 34 Abs. 3 und 4 SGB V wurden durch Rechtsverordnung unwirtschaftliche Arzneimittel[18] und Hilfsmittel mit geringem therapeutischen Nutzen[19] von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV ausgeschlossen. Die auf der Ermächtigung nach § 266 Abs. 7 SGB V beruhende Risikostrukturausgleichsverordnung[20] enthält neben den Verfahrensvorschriften für die Durchführung des Risikostrukturausgleichs im Rahmen der morbiditätsorientierten Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (§§ 266 Abs. 1, 271 SGB V)[21] in den §§ 28a–f die Festlegung der Krankheiten, die Gegenstand der Disease-Management-Programme (DMP) nach §§ 137f Abs. 2, 137g SGB V sein können sowie Anforderungen an die Durchführung dieser Programme. Für die an diesen Programmen teilnehmenden Vertragsärzte ergeben sich hieraus über die mit den KV geschlossenen Ergänzungsverträge Rechte und Pflichten (vgl. Rn. 208 f.)
3. Satzungen
153
Im Vertragsarztrecht spielen Satzungen als Instrument der Normsetzung und als Organisationsstatut im Bereich der Selbstverwaltung der Ärzte eine Rolle. Sie werden innerhalb der KV gem. § 79 Abs. 3 Nr. 1 SGB V von deren Vertreterversammlung beschlossen.
154
Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung bewirkt, dass der Arzt nach § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V Zwangsmitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen KV wird. Damit unterliegt er auch deren Satzungsgewalt. Im Gegenzug erhält er die vollen mitgliedschaftlichen Rechte, u.a. das aktive und passive Wahlrecht zur Vertreterversammlung (§ 80 SGB V). Hieraus folgt die demokratische Legitimation der Vertreterversammlung hinsichtlich ihrer autonomen Normsetzungsbefugnisse.
155
Satzungen sind Rechtsvorschriften im formellen Sinne, mit denen dem Staat untergeordnete Körperschaften im Rahmen der ihnen verliehenen Autonomie ihre eigenen Angelegenheiten mit Wirkung für sich und ihre Mitglieder regeln.[22] Sie unterscheiden sich von einer Rechtsverordnung dadurch, dass sie von einer nichtstaatlichen Stelle erlassen werden. Daraus folgt, dass auch bei der Satzung eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorhanden sein muss, die den Anforderungen des Art. 80 GG entspricht. Ermächtigungsgrundlage für die Satzungen der KV ist § 81 SGB V. Diese Vorschrift gewährt den KV keine über den gesetzlichen Aufgabenbereich hinausgehende Allzuständigkeit. Satzungsbestimmungen dürfen den grundsätzlichen Strukturprinzipien des Vertragsarztrechts nicht widersprechen.[23]
156
§ 81 Abs. 1 SGB V gibt die notwendigen Pflichtinhalte hinsichtlich Organschaften, Verwaltung und Haushalt vor. Nach Nr. 10 muss die Satzung auch die vertragsärztlichen Pflichten zur Ausfüllung des Sicherstellungsauftrages (§ 75 SGB V) benennen. Obwohl diese Bestimmung Ermächtigungsgrundlage für Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit der Vertragsärzte sein kann und daher im Lichte von Art. 80 GG etwas weit formuliert ist, ergeben sich hieraus keine Rechtsprobleme, weil die Pflichten der Vertragsärzte auch an anderer Stelle im Gesetz, in den Richtlinien des G-BA und vor allem in den Bundesmantelverträgen normiert sind. Nach § 81 Abs. 5 SGB V müssen die Satzungen der KV das Disziplinarverfahren wegen Verstößen gegen vertragsärztliche Pflichten regeln (ausführlich dazu siehe Rn. 1286 ff.). Ebenso müssen Bestimmungen über die Fortbildung der Ärzte aufgenommen werden (Abs. 4).
157
Nach § 81 Abs. 3 SGB V müssen die Satzungen Bestimmungen enthalten, nach denen die von der KBV auf Bundesebene abzuschließenden Verträge[24], die dazu gefassten Beschlüsse und die Bestimmungen über die überbezirkliche Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung und den Zahlungsausgleich zwischen KV und ihren Mitgliedern verbindlich sind, genauso wie die Richtlinien der KBV nach § 75 Abs. 7 SGB V und die des G-BA nach