Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
werden.[25] Damit ist die Satzung dasjenige Instrument, mit dem die Bundesmantelverträge und die Richtlinien des G-BA in das Mitgliedschaftsverhältnis zwischen KV und Vertragsarzt in rechtlich verbindlicher Weise transportiert werden.[26] Die Satzungen der KV müssen der staatlichen Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorgelegt werden, § 81 Abs. 1 S. 2 SGB V.
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Bis zum Jahrgang 2003 wurden auch die Honorarverteilungsmaßstäbe nach § 85 Abs. 4 SGB V von den KV als Satzungen erlassen. Danach waren sie vertraglich mit der Krankenkasse zu vereinbaren. Mit dem GKV-VStG wurde diese Befugnis den KZV in der Neufassung des § 85 Abs. 4 SGB V und den KV in § 87b Abs. 1 SGB V ab dem Jahr 2012 wieder eingeräumt (siehe Rn. 211 ff.)
4. Verträge mit Normwirkung
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Gemäß § 2 Abs. 2 S. 3 SGB V schließen die Krankenkassen über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des 4. Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern. Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien durch schriftliche Verträge der KV mit den Verbänden der Krankenkassen zu regeln (zu den Details siehe Rn. 182 ff.).[27]
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Wichtig
Unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten oder Psychotherapeuten mit den Krankenkassen bzw. deren Verbänden bestehen außerhalb gesetzlich zugelassener Vertragsmodelle nicht.[28]
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Die Verträge zur Ausgestaltung der vertragsärztlichen und insofern gleichgerichtet der vertragszahnärztlichen Versorgung zwischen KV bzw. KZV und Krankenkassen stellen das Kernstück des Vertragsarztrechts dar, weil darin wesentliche Rechte und Pflichten der Vertragsärzte und organisatorisch notwendige Details der Zusammenarbeit der Beteiligten, wie beispielsweise erforderliche Qualifikationen, Grundsätze der Praxisführung, Vergütung der Leistungen, Organisation der Honorarabrechnung und das Formularwesen, Fragen der technischen Ausstattung, Qualität und Zulässigkeit des Personaleinsatz etc. geregelt sind.[29]
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Zu unterscheiden ist zwischen Verträgen auf Bundesebene und auf Landesebene, zwischen Verträgen, die nur mit einzelnen Krankenkassen oder Krankenkassenarten, etwa den Ersatzkassen, abgeschlossen werden, Kombinationen derselben oder neuerdings zwischen Verträgen im Rahmen neuer Versorgungsformen, die von den Krankenkassen direkt mit den beteiligten Leistungserbringern, vornehmlich Vertragsärzten, mit oder ohne Beteiligung der zuständigen KV geschlossen werden. Die Vereinbarungen bilden ein auf zwei Ebenen in sich verschränktes Vertragssystem, das auf der unteren Ebene unmittelbare Wirkung gegenüber den regionalen KV und den ihr angehörenden Vertragsärzten entfaltet. Ergänzend zu der bereits dem Gesetz zu entnehmenden Verbindlichkeit ordnet § 13 Abs. 2 Satzung der KBV an, dass die regionalen KV die von ihr abgeschlossenen Verträge über die ärztliche Versorgung durchzuführen haben.
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Zu den herkömmlichen umfassenden Vertragssystemen, die deshalb Kollektivverträge[30] genannt werden, zählen die Bundesmantelverträge nach § 82 Abs. 1 SGB V, deren Bestandteil die Einheitlichen Bewertungsmaßstäbe für ärztliche (EBM) und zahnärztliche Leistungen (BEMA-Z) nach § 87 Abs. 1 SGB V sind. Ergänzt werden diese Verträge auf Landesebene durch die regionalen Gesamtverträge, die die Bundesmantelverträge beinhalten. Die Knappschaft Bahn See darf nach § 83 S. 1 SGB V in Bezug auf die knappschaftliche Versorgung von §§ 85 Abs. 1, 87a Abs. 3, 291 Abs. 2 Nr. 1 SGB V abweichende Verfahren mit der KBV vereinbaren.[31]
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Zu den neuen Versorgungsformen (siehe dazu auch Bäune Kap. 9), über deren Inhalt abweichend von § 72 Abs. 2 SGB V direkte Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringen geschlossen werden dürfen, zählen die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V und die besondere Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V.[32] Mit dem GKV-WSG waren zum 1.4.2007 in dem neu formulierten § 73c SGB V auch für die fachärztliche Versorgung weitere Möglichkeiten für die Krankenkassen geschaffen worden, Verträge mit den Leistungserbringern über besondere ambulante ärztliche Versorgungen in Form von Einschreibe-Modellen[33] abzuschließen.[34] Die Vorschrift wurde mit dem GKV-VSG ersatzlos wieder aufgehoben.
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Die vertragschließenden Krankenkassen und deren Verbände und auf der anderen Seite die KV und die KBV besitzen den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Daher sind die zur Erfüllung der gesetzlich übertragenen Aufgaben abgeschlossenen Verträge als öffentlich-rechtliche Verträge i.S.v. §§ 53 ff. SGB X zu qualifizieren.[35] Die Verträge haben auch gegenüber den nicht unmittelbar vertragschließenden Vertragsärzten verbindlichen Charakter (vgl. Rn. 255). Man bezeichnet diese Verträge daher auch als Normverträge.[36]
5. Richtlinien
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Große normative Bedeutung haben die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu beschließenden Richtlinien. (Zum Rechtsstatus und Organisation des G-BA siehe Rn. 63 ff.). Nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V hat dieser die Aufgabe, die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu erlassen.
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Mit den Richtlinien können Leistungen oder Maßnahmen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Die Richtlinien konkretisieren damit einerseits den Sachleistungsanspruch des Versicherten und schränken andererseits die Therapiefreiheit der Vertragsärzte ein.[37] Gleichzeitig legen sie im Detail fest, welche Leistungen als wirtschaftlich i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB V zu gelten haben und welche nicht.
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Einen Themenkatalog über die zu erlassenden Richtlinien enthält § 92 Abs. 1 S. 2 SGB V, die der G-BA laufend für alle Bereiche der vertragsärztlichen Versorgung erlässt und weiterentwickelt.[38] Die Richtlinien über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V beinhalten Empfehlungen des G-BA über die Anerkennung neuer Methoden und deren apparative und fachliche Voraussetzungen auf Seiten der Vertragsärzte, die nach § 135 Abs. 1 SGB V Voraussetzung für die Anwendbarkeit sind. § 136 SGB V konkretisiert die Verpflichtung zum Erlass von Qualitätssicherungs-RL nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 SGB V sektorenübergreifend für alle Versorgungsbereiche. Dazu hat der Gesetzgeber dem G-BA im Zuge der Neuregelung der Qualitätssicherung durch das KHSG in § 137 Abs. 1 SGB V ein Instrumentarium zur Durchsetzung und Kontrolle seiner Qualitätssicherungsanforderungen an die Hand gegeben. Die Einzelheiten dazu sind in Richtlinien festgelegt.[39]
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Nach § 92 Abs. 8 SGB V sind die Richtlinien Bestandteile der Bundesmantelverträge. Sie haben daher dieselbe Rechtsnormqualität wie diese Verträge. Anders als die Verträge werden die Richtlinien erst mit Bekanntmachung im Bundesanzeiger wirksam, § 94 Abs. 2 SGB V. Ihre tragenden Gründe