Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
meisten Qualitätsvereinbarungen, die sich auf die traditionellen Fachgebiete beziehen, bisher nicht nachvollzogen. Qualifikationen außerhalb des eigenen Fachgebietes können in der vertragsärztlichen Versorgung in der Regel nicht genutzt werden.
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Verlangt werden dürfen ferner besondere Praxisausstattungen, z.B. in Form von bauartzertifizierten Geräten und spezielle Anforderungen an die Strukturqualität der Leistungen. Die wichtigsten Qualitätsvereinbarungen, teilweise auch besondere Versorgungsaufträge genannt, die in der Anlage 3 zum BMV zusammengefasst sind, betreffen u.a. Akupunktur, arthroskopische Untersuchungen, Blutreinigungsverfahren (Dialyse), Herzschrittmacherkontrolle, invasive Kardiologie, Kernspintomographie, Langzeit-EKG-Untersuchungen, Strahlendiagnostik und -therapie, und die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger.
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Auf eine genaue Bestimmung der Grenzen der Ermächtigung des § 135 Abs. 2 SGB V kommt es nicht an, so lange die vertragliche Bestimmung durch die insoweit weit gezogene Grenze der Generalermächtigung für Verträge in § 72 Abs. 2 SGB V gedeckt ist. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemeinen Stands der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist. Infolgedessen hat das BSG den Vertragspartnern einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum mit weit reichender Kompetenz zugebilligt. Folge davon ist, dass auch spürbare Eingriffe und Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit hingenommen werden müssen.[71]
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Vereinbarungen auf Basis von § 135 Abs. 2 SGB V gibt es inzwischen zu 37 besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.[72] Kaum ein ärztliches Fachgebiet ist davon nicht betroffen. Leistungen, für die nach diesen Vereinbarungen spezielle Anforderungen bestehen, sind für den Vertragsarzt erst ab Vorliegen der entsprechenden Genehmigung auf Basis einer Qualifikationsprüfung abrechenbar. Es handelt sich um Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. Die Genehmigung ist von der KV nach § 11 Abs. 2a BMV-Ä bei Nachweis der in der maßgeblichen Qualitätssicherungsvereinbarung geforderten Qualifikation zu erteilen. Ohne Genehmigung ist die Abrechnung der dem Qualifikationserfordernis unterliegenden Leistungen unzulässig und kann nach § 106d SGB V berichtigt werden.[73] Die rückwirkende Zuerkennung der aus der Qualifikation resultierenden Befugnisse ist unzulässig.[74] Begründet wird dies damit, dass zum Schutz der Versicherten zu Beginn der Behandlung feststehen muss, ob GKV-Leistungen oder privatärztliche Leistungen erbracht werden.[75] Das ist anders als bei status-zuerkennenden Genehmigungen[76] nicht einleuchtend, weil es bei Qualifikationsanforderungen nach § 11 Abs. 1 BMV-Ä auf deren objektives Vorhandensein ankommt[77] und daher die Genehmigung auch rückwirkend auf den Zeitpunkt des Nachweises erteilt werden könnte, in jeden Fall aber zum Beginn des Abrechnungsquartals, das auf den Nachweis folgt und noch nicht abgerechnet ist. Andernfalls hätte es die KV in der Hand, durch Verzögerung einer Genehmigung Honorar einzusparen. Der Versicherte wird durch das Fehlen einer nur spezielle Leistungen betreffenden Genehmigung nicht belastet, weil diese ohne die Genehmigung erbrachten Leistungen immer noch Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung bleiben, auf die er einen Anspruch hat. Weder § 3 Abs. 1 S. 3 noch § 18 BMV-Ä erlauben dem Vertragsarzt für solche Einzelleistungen Zuzahlungen zu verlangen.
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Praxistipp
Zur Vermeidung von Honorarverlusten ist darauf zu achten, dass alle auf besonderen Qualifikationen beruhende Abrechnungsbefugnisse zeitgleich mit der Zulassung/Ermächtigung beantragt und genehmigt werden. Die meisten KV halten hierfür spezielle Formulare vor.
d) Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM)
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Ebenfalls auf Bundesebene wird im Einheitlichen Bewertungsmaßstab der Inhalt und der Wert der abrechnungsfähigen ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen bestimmt. Der EBM ist nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge und über diese wiederum Bestandteil der Gesamtverträge. Anders als die Bundesmantelverträge wird der EBM nicht vereinbart, sondern durch ein institutionalisiertes Gremium, dem Bewertungsausschuss, dem Vertreter der Vertragspartner angehören, beschlossen (siehe Rn. 86).[78]
a) Vertragspartner
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Jede KV schließt nach § 83 S. 1 SGB V für ihren Bezirk einen Gesamtvertrag mit den zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen. Mehrere Landesverbände können auch gemeinsam einen Gesamtvertrag abschließen. Einzelne Krankenkassen sind nicht befugt Gesamtverträge abzuschließen, obwohl gem. § 295 Abs. 2, 3 SGB V der Zahlungsverkehr mit den einzelnen Kassen direkt abzuwickeln ist.[79] In allen KV-Bezirken existieren Gesamtverträge für die Regionalkassen und die Ersatzkassen, womit den strukturellen Unterschieden dieser Kassenarten Rechnung getragen wird. Inhaltliche Unterschiede hinsichtlich der die Vertragsärzte berührenden Berufsausübungsregeln sind kaum gegeben.
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Die Landesverbände der Krankenkassen schließen die Gesamtverträge mit Wirkung für die beteiligten Krankenkassen. Dadurch ist dem Landesverband die Rechtsmacht zugewiesen, den Gesamtvertrag für jede einzelne Krankenkasse ihrer Kassenart verbindlich abzuschließen.[80] Die Bindung entfällt nur, wenn die Vereinbarung nichtig ist.[81] Mit der Einführung des Wohnortprinzips und entsprechender Änderung des Wortlauts des § 83 S. 1 SGB V zum 1.1.2002 ist für den Vertragsabschluss nicht mehr der Sitz der Krankenkasse maßgeblich, sondern der Wohnort des Versicherten.[82] Dadurch erhält der regional zuständige Landesverband der jeweiligen Kassenart die Verhandlungskompetenz für alle Versicherten der jeweiligen Kassenart mit Wohnort in seinem Zuständigkeitsgebiet zugewiesen.
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Die gesamtvertraglichen Regelungen müssen somit auch die sog. „einstrahlenden“ Krankenkassen, die ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereiches des Gesamtvertrages haben, hinsichtlich ihrer Mitglieder, deren Wohnsitz im Geltungsbereich des Gesamtvertrages liegt, gegen sich gelten lassen, ohne dass sie selbst Vertragspartner werden. Das galt wegen der normativen Bindungswirkung des Gesamtvertrages schon immer hinsichtlich der allgemeinen Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen KV und Krankenkasse. Hinsichtlich der vereinbarten Gesamtvergütung ergibt sich die Bindungswirkung de lege lata aus dem Wohnortprinzip.[83] Andererseits folgt aus der Nichtbeteiligung am Zustandekommen eines Gesamtvertrages kein Anspruch der Krankenkasse auf gerichtliche Überprüfung.[84]
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Durch die Einführung des Wohnortprinzips haben sich die Fälle des notwendigen Fremdkassenausgleichs nach den Richtlinien der KBV/KZBV (§ 75 Abs. 7 Nr. 2 und Abs. 7a SGB V) stark verringert.[85]
b) Allgemeiner Inhalt
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Auf regionaler Ebene vereinbaren die KV mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen nach § 83 SGB V Gesamtverträge. Deren wesentlicher Bestandteil sind nach § 82 Abs. 2 S. 1 SGB V die Gesamtvergütungsvereinbarungen. § 85 Abs. 2 SGB V definiert die Berechnungsvorgaben für die Vertragszahnärzte, § 87a Abs. 3 SGB V die für die Vertragsärzte.
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Seit dem Jahr 2009 sind die Gesamtvergütungen für die Vertragsärzte als Folge der durch das GKV-WSG veranlassten Neuordnung des vertragsärztlichen Vergütungssystems