Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Kapitel SGB V vorgegebenen Rahmen sein, sondern auch Versorgung aus anderen Sektoren, zum Beispiel stationäre Leistungen wie auch die Arzneimittel-, Heil und Hilfsmittelversorgung. Deshalb darf nicht nur von den Vorschriften des 4. Kapitels SGB V, sondern auch von KHG und KHEntgG abgewichen werden. Auch dürfen die Leistungen des 3. Kapitel SGB V anders definiert werden. Sogar die Einbeziehung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist möglich, solange diese der G-BA nicht aus der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossenen hat. Allerdings dürfen die vom G-BA in Richtlinien aufgestellten Qualitätsanforderungen auch in den besonderen Versorgungssystemen nicht unterschritten werden. Binnen vier Jahren ab Umsetzung eines besonderen Versorgungsvertrages muss dessen Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden. Zu weiteren Details siehe Bäune Kap. 9.
c) Modellvorhaben
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Zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen können Krankenkassen nach § 63 SGB V im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung Modellvorhaben durchführen, die einer Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung dienen. Hierbei darf von den Vorschriften des IV. und X. Kapitels des SGB V abgewichen werden, soweit damit nicht der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gefährdet wird und nicht Leistungen erfasst werden, die der G-BA von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen hat.[119] Anders als die besonderen Versorgungsverträge sind Modellvorhaben auf längstens 8 Jahre zu befristen. Nach § 65 SGB V müssen die Modellvorhaben wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden.
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Zur Durchführung der Modellvorhaben können die Krankenkassen oder deren Verbände mit einzelnen oder Gruppen zugelassener Leistungserbringer nach § 64 SGB V Verträge schließen. Die KV dürfen einbezogen werden. Interessant hierbei sind die Möglichkeiten einerseits nach § 63 Abs. 3b SGB V die Verordnung von Verbands- und Pflegehilfsmittel und die Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege, wenn es sich dabei nicht um die selbstständige Ausübung der Heilkunde handelt und anderweitige, nach § 63 Abs. 3c SGB V unter dem Arztvorbehalt stehende Heilkundemaßnahmen im beschränkten Umfang, auch wenn damit selbstständige Heilkunde ausgeübt wird,[120] auf qualifizierte Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner zu übertragen.[121]
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Bei Modellvorhaben, die die Verbesserung und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung zum Ziel haben, können nach § 64a SGB V neben den KV auch die Apothekerorganisationen einbezogen werden. Dadurch eingesparte Verordnungskosten sind in Teilen an die beteiligten Leistungserbringer weiterzugeben. Wie das zu realisieren ist und welche Wirkstoffe umfasst sein sollen, ist zwischen den Beteiligten vertraglich zu regeln.
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Im durch das PsychEntgG neugeschaffenen § 64b SGB V wird der Anwendungsbereich der Modellvorhaben auf die sektorenübergreifende Versorgung psychisch kranker Menschen erweitert. Mit einbezogen werden soll das häusliche Umfeld der Patienten. Als Vertragspartner neben den Vertragsärzten kommen hier auch die Institutsambulanzen nach § 118 SGB V in Betracht. Auch private Krankenversicherer dürfen sich beteiligen.
d) Bereinigungsverfahren
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Systematisch folgerichtig muss die von den Krankenkassen in den jeweiligen selektivvertraglichen Systemen an die teilnehmenden Vertragsärzte ausgeschüttete Vergütung von der an die KV zur Verteilung bezahlte Gesamtvergütung abgezogen werden, damit es nicht zu Doppelzahlungen kommt (siehe Rn. 856 ff.).[122] Nach §§ 73b Abs. 7 und 140a Abs. 6 SGB V hat dies bei der hausarztzentrierten und bei der besonderen Versorgung durch entsprechende Bereinigung des als Grundlage der Gesamtvergütung nach § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V gesamtvertraglich zu vereinbarenden Behandlungsbedarfs. Die Bereinigung ist entgegen des § 73b Abs. 3 S. 2 SGB V a.F. zwingend.[123] Hierüber haben sich die KV mit den Landesverbänden der Krankenkassen rechtzeitig zu einigen. Dazu haben die Krankenkassen die erforderlichen Daten zu liefern.
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Einigen sich KV und Krankenkassen nicht über den Umfang der Bereinigung, kommt eine Gesamtvergütungsvereinbarung nicht zustande. Daher kann das Schiedsamt nach § 89 SGB V angerufen werden, welches dann den Umfang der Bereinigung festzulegen hat. Zusätzlich können auch die Partner der jeweiligen Versorgungsverträge das Schiedsamt anrufen.
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Die größte praktische Schwierigkeit besteht in der Bereinigung der an die KV zu zahlenden Gesamtvergütung um die direkt in der HzV bezahlten Vergütungsbestandteile. Das liegt u.a. auch an der kaum möglichen Aufteilung der Behandlungsfälle in die der Zuständigkeit der KV entzogenen Fälle aus dem jeweiligen Selektivvertrag und die in der Regelversorgung verbleibenden Fälle, vor allem wenn die Patienten die Versorgungsgrenzen nicht beachten. Nach § 87a Abs. 5 S. 9 SGB V hat der Bewertungsausschuss geeignete pauschalierende Bereinigungsverfahren zu beschließen. Dem ist er in mehreren Beschlüssen nachgekommen.[124] Diese Beschlüsse sind von den Partnern der Gesamtverträge umzusetzen. Einen eigenen Gestaltungsspielraum haben sie nur insoweit, als dieser ihnen in den Beschlüssen durch Subdelegation zugewiesen ist.[125]
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Die Herausnahme der über die Selektivverträge gesteuerten Versorgung aus der Regelversorgung der KV verursacht wegen der den KV nicht mehr zur Verfügung stehenden Leistungsdaten aus der HzV zahlreiche weitergehende Probleme, z.B. im Zusammenhang mit den Datengrundlagen für die Abrechnungsprüfungen nach § 106d SGB V, bei den Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 SGB V und bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 SGB V.
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Hinweis
Die jeweilige KV verfügt systembedingt regelmäßig über keine Daten über die in den selektiven Versorgungssystemen abgewickelten Behandlungsfälle. Die der KV vorliegenden Abrechnungsdaten vermitteln daher ein unzureichendes oder sogar falsches Bild des wirklichen Behandlungsgeschehens in einer geprüften Praxis. Daher muss der Arzt erforderlichenfalls die Daten liefern um ungerechtfertigte Prüfergebnisse abzuwehren.
5. Dreiseitige Verträge
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Zur Abgrenzung der Schnittstellen, wie auch zur Überwindung der Trennung der ambulanten und stationären Versorgungssektoren sieht § 115 Abs. 1 SGB V den Abschluss von dreiseitigen Verträgen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen einerseits und den KV und den Landeskrankenhausgesellschaften auf der anderen Seite vor. Der Vertrag soll eine nahtlose ambulante und stationäre Behandlung der Versicherten durch enge Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und zugelassenen Krankenhäusern gewährleisten. Dazu gehören nach § 115 Abs. 2 SGB V Regelungen zur Förderung des Belegarztwesens und der Zusammenarbeit in Praxiskliniken, der gegenseitigen Unterrichtung in Bezug auf Krankenhauseinweisung und -entlassungen, der Zusammenarbeit beim Notdienst, der Abgrenzung vor- und nachstationärer Behandlungen und der allgemeinen Bedingungen ambulanter Behandlungen im Krankenhaus. Die Vergütung der Leistungen darf im Vertrag jeweils mitgeregelt werden.[126]
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Das Nichtzustandekommen von Verträgen nach § 115 SGB V in den meisten Bundesländern, einschließlich der Rahmenempfehlungen nach Abs. 5, veranlasste den Gesetzgeber zur Einführung der §§ 115a und 115b SGB V durch das GSG. § 115a SGB V öffnet die ambulante vor- und nachstationäre Behandlung für die Krankenhäuser und grenzt diese Leistungen gleichzeitig von der stationären Krankenhausbehandlung ab. Die hierfür anfallenden Vergütungen sind nach Abs. 3 von den Landesverbänden der Krankenkassen mit den Landeskrankenhausgesellschaften und dem Verband der privaten Krankenversicherer im Benehmen mit den KV zu vereinbaren.
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Nach § 115b SGB V haben die Spitzenverbände der Krankenkassen mit der Deutschen