Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
welches den gesamten morbiditätsbedingten Behandlungsbedarf aller Versicherten mit Wohnort im KV-Bezirk beinhaltet. Ferner sind nach § 87a Abs. 2 S. 1 SGB V Punktwertvereinbarungen in EUR auf Basis des bundeseinheitlich durch den Bewertungsausschuss festgelegten Orientierungspunktwertes nach § 87 Abs. 2e SGB V zu treffen, nach denen dann die Vertragsärzte auf Basis einer regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Die Einheitlichkeit der Gesamtvergütungsvereinbarung für alle Landesverbände der Krankenkassen erfordert entweder auch den Abschluss eines einheitlichen Gesamtvertrages, was nach § 82 Abs. 2 S. 2 SGB V möglich ist oder die Ausgliederung der Gesamtvergütungsvereinbarung aus den Gesamtverträgen, wie das § 87a Abs. 3 S. 1 SGB V nahelegt.
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Für die Vertragszahnärzte lässt § 85 Abs. 2 SGB V mehr Spielräume zu. Die Gesamtvergütung kann als Festbetrag vereinbart werden. Möglich sind auch Pauschalvergütungsmodelle, wonach sich die Gesamtvergütung aus der Addition von Kopfpauschalen oder Einzelleistungen oder aus Mischsystemen ergibt. Unterschiedliche Vergütungen für verschiedene Gruppen von Versicherten sind unzulässig. Mit den einzelnen Landesverbänden der Krankenkassen können jedoch abweichend von der Vorgabe für die Vertragsärzteschaft unterschiedliche Gesamtvergütungsmodelle vereinbart werden.
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Die Bundesmantelverträge, deren Bestandteil nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V der EBM ist, enthalten nach § 82 Abs. 1 SGB V den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge. Das betrifft vor allem die Fragen, die von bundesweiter Bedeutung sind und nicht nur im jeweiligen KV-Bezirk auftreten. Über die damit vorgegebenen Bestandteile hinaus regeln die Gesamtverträge das Abrechnungswesen zwischen KV und Krankenkassen einschließlich Datenaufbereitung und Datenaustausch, die formellen Anforderungen an die Quartalsabrechnung der Vertragsärzte, die Abgrenzung von ambulanten und stationären Leistungen einschließlich der Besonderheiten der Belegärzte, die Verordnung von Sprechstundenbedarf und Materialkostenerstattung, den ambulanten Notdienst und vieles mehr.
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§ 2 Abs. 7 BMV-Ä ermöglicht den Vertragspartnern sogenannte „besondere Versorgungsaufträge für definierte Patientengruppen“ zu definieren.[86] Rechtsgrundlage war § 73c SGB V i.d.F. des GMG, der, obwohl er inhaltlich eigentlich selektivvertragliche Regelungen einführte, auch bundesmantelvertragliche Regelungen zuließ.[87] Ermächtigungsgrundlage der besonderen Versorgungsaufträge sind nach Aufhebung des § 73c SGB V durch das GKV-VSG unmittelbar §§ 72 Abs. 2, 82 Abs. 1 S. 1 SGB V.[88]
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Die Regelungsbefugnis in den Gesamtverträgen erstreckt sich auf die gesamte vertragsärztliche bzw. vertragszahnärztliche Versorgung (ausführlich dazu siehe Rn. 372 ff.).[89] Innerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereichs und der durch die Richtlinien des G-BA vorgegebenen Grenzen haben die Vertragspartner weitgehenden Gestaltungsspielraum. Die gesamtvertraglichen Regelungen dürfen aber den in den Bundesmantelverträgen und Richtlinien geregelten Sachverhalten vorbehaltlich darin explizit zugelassener Abweichungen nicht widersprechen.
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Regionalen Besonderheiten darf aber bei der Vergütung nach § 87a Abs. 2 S. 2 SGB V durch Vereinbarung von Zu- und Abschlägen von den Orientierungspunktwerten des EBM (§ 87 Abs. 2e SGB V) Rechnung getragen werden.
c) Qualitätsförderungsverträge
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Neben den bundeseinheitlichen Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V (siehe Rn. 187) waren auf Landesebene in den Gesamtverträgen häufig durch Qualitätsförderungsverträge auf Basis des durch das GKV-WSG abgeschafften § 73c Abs. 1 SGB V i.d.F. des GMG weitere Versorgungsbereiche besonderen Qualitätsanforderungen unterworfen worden. Die den Vertragspartnern in § 83 SGB V zugebilligte Vertragsautonomie hinsichtlich der Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung lässt die gesamtvertragliche Vereinbarung von Qualitätsförderungsverträgen auch nach Abschaffung des § 73c SGB V i.d.F. des GMG, ggf. auch als Strukturverträge auf Basis des ebenfalls abgeschafften § 73a SGB V oder als Einzelleistungsvergütung nach § 85 Abs. 2 S. 2 SGB V weiterhin zu, weshalb die bestehenden Verträge bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit oder ihrer Kündigung fortgelten.
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Mittels Zusatzverträgen einzelner Krankenkassen oder deren Verbänden mit KV können auch strukturierte Behandlungsprogramme für bestimmte Erkrankungen wie z.B. Diabetes, Brustkrebs oder koronare Herzerkrankungen, die Schaffung besonderer Organisationsstrukturen im fachärztlichen Bereich in Form von Schwerpunktpraxen z.B. in der Schmerztherapie, Dialyse, Diabetologie oder Onkologie oder die Teilnahme an Kooperationen mit Krankenhäusern und Pflegeheimen zum Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung gemacht werden.
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Inhaltlich beruhen die meisten dieser Zusatzverträge auf den vom Bundesversicherungsamt auf Basis der Richtlinien des G-BA zugelassenen Disease-Management-Programmen (DMP) nach §§ 137f, 137g SGB V i.V.m. §§ 28d, f RSAV.[90] Nach Änderung des § 73c SGB V kann deren Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung mit verbindlicher Wirkung für die Vertragsärzte über alle zur Verfügung stehenden Vertragstypen, sei es kollektivvertraglich, sei es einzelvertraglich, erfolgen.[91] § 28f RSAV ist zu entnehmen, dass die Durchführung eines DMP mit der zuständigen KV vor dem Antrag auf Zulassung vereinbart werden muss. In der Vereinbarung muss eine Arbeitsgemeinschaft vorgesehen werden, die sich darum kümmert, dass die von den Vertragsärzten erhobenen Behandlungsdaten pseudomysiert und maschinenlesbar versicherten- und leistungserbringerbezogen an die Krankenkassen übermittelt werden.
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Die Teilnahme des Arztes beruht genauso wie die des Patienten auf einer Einschreibung und ist freiwillig.[92] Die Abschaffung des § 73c SGB V und die Vereinheitlichung der Vertragskompetenzen in § 140a SGB V durch das GKV-VSG sollen an der Rechtslage inhaltlich nichts ändern.[93] Die bereits genehmigten strukturierten Behandlungsprogramme müssen dem BVA nicht nochmals vorgelegt werden.[94]
a) Honorarverteilungsmaßstäbe (HVM)
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Da die Krankenkassen die Gesamtvergütung für die gesamte Versorgung aller Mitglieder eines Bezirks an die KV bezahlen (dazu siehe Rn. 827 ff.), bedarf es innerhalb der KV eines Systems der leistungsbezogenen Verteilung an die kraft Zulassung oder Ermächtigung vergütungsberechtigten Vertragsärzte. Instrument hierfür sind die Verteilungsmaßstäbe (HVM), deren Rechtsgrundlage § 85 Abs. 4 SGB V für die Vertragszahnärzte und seit 1.1.2012 § 87b SGB V i.d.F. des GKV-VStG für die Vertragsärzte und Psychotherapeuten ist. Bis zum Jahrgang 2011 galt § 85 Abs. 4 SGB V noch einheitlich für die vertragsärztliche wie auch die vertragszahnärztliche Versorgung. Nach der Reform des Vergütungssystems durch das GKV-WSG, war die Honorarverteilung der Vertragsärzte in den Jahren 2009 bis 2011 nach §§ 87a, 87b SGB V a.F. durch das vom Bewertungsausschuss vorgegebene System der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina[95] inhaltlich vorgeben, weshalb der HVM einer KV sich auf die Regelungen zu deren Umsetzung zu beschränken hatte.
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Seit Inkrafttreten