Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
des Schiedsamtes, die der Vorbereitung der Entscheidung dienen, sind nicht selbstständig anfechtbar.[181] Die Kostenentscheidung des Vorsitzenden ist isoliert anfechtbar und kann gerichtlich auf Ermessensfehler überprüft werden.
277
Vertragsärzte und einzelne Krankenkassen, die vom Schiedsspruch betroffen sind, sind nicht klagebefugt. Ein Normenkontrollverfahren ist gesetzlich nicht vorgesehen. Für die Drittbetroffenen besteht damit nur die Möglichkeit einer inzidenten gerichtlichen Überprüfung im Rahmen eines Prozesses, der eine auf dem vom Schiedsamt festgesetzten Vertrag beruhende Verwaltungsentscheidung zum Gegenstand hat. Insofern gilt nichts anderes, als für die gerichtliche Überprüfbarkeit der Normverträge selbst.
278
Entscheidungen der Schiedsämter über die Bemessung der Gesamtvergütung unterliegen nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle.[182]
5. Schiedsstellen
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Nach Übertragung der Zuständigkeit für die dreiseitigen Verträge nach §§ 115 SGB V auf die sektorenübergreifenden Schiedsgremien, sind die unter Einbeziehung der Vereinigung der Krankenhausträger mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen nach § 114 SGB V errichteten Landesschiedsstellen und die Schiedsstelle mit den Trägern der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nach § 111b SGB V weiterhin für die Versorgungs-, Vergütungs- und Qualitätsverträge mit Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen nach §§ 109–113 SGB V zuständig. Diese Schiedsstellen stehen unter der Aufsicht der zuständigen Landesbehörden. Die Bestellung der Mitglieder und weitere Verfahrensfragen sind in Rechtsverordnungen der Länder geregelt. Zusätzlich gibt es Schiedsstellen für die Pflegesatzverfahren mit Krankenhäusern nach § 18a KHG.
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Weitere Schiedsstellen existieren mit Besetzung durch die jeweiligen Vertragsparteien für die Arzneimittelversorgung (§ 129 Abs. 8 SGB V), für die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (§ 132a Abs. 2 SGB V), für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (§ 132d Abs. 2 SGB V), für die Versorgungsverträge mit Hämophiliezentren (§ 132i S. 4 SGB V) und für die Hebammenversorgung (§ 134a Abs. 4 SGB V).
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Nach § 75 Abs. 3c SGB V ist je eine Schiedsstelle hinsichtlich der Vergütungsvereinbarungen zum Standard- bzw. Basistarif der PKV zu bilden, die mit Vertretern der KV und des Verbandes der privaten Krankenversicherer und der Beihilfeträger besetzt werden soll. Da es dabei nicht um Verträge über die vertragsärztliche Versorgung geht, gilt § 89 SGB V nicht. Hinsichtlich des Verfahrens wird vielmehr auf §§ 129 Abs. 9 und 134a Abs. 4 S. 5, 6 SGB V verwiesen. Dem Wortlaut des § 75 Abs. 3c S. 1 SGB V ist zu entnehmen, dass mindestens zwei Schiedsstellen zu bilden sind, wobei sich die Notwendigkeit von mehr als einer Schiedsstelle aus dem Regelungskontext nicht erschließt. Auch ist nicht ersichtlich, woraus sich die Bindungswirkung eines Schiedsspruchs gegenüber den privaten Krankenversicherungsunternehmen ergeben soll (vgl. Rn. 258).
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Die Schiedsstellen unterscheiden sich von den Schiedsämtern und unterliegen nicht den Regelungen der §§ 89 und 89a SGB V, insbesondere gilt auch nicht die SchAVO, wenn nicht darauf verwiesen wird. Die verstreuten Vorschriften über die Bildung der einzelnen Schiedsstellen enthalten in einigen Detailfragen weniger detaillierte Verfahrensregeln. Wegen der gleichen öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens gelten aber dieselben Grundsätze in Bezug auf die Schiedsentscheidungen, soweit nicht Besonderheiten der jeweiligen Schiedsstelle dem entgegenstehen.
6. Rechtsnatur der Schiedseinrichtungen
283
Die Schiedsämter, sektorenübergreifenden Schiedsgremien und die Schiedsstellen sind weder juristische Personen des öffentlichen Rechts noch Organe der Entsendekörperschaften.[183] Die gesetzlich angeordnete Festsetzung der Verträge ist genauso wie der Aufgabenbereich der vertragsschließenden Körperschaften ein Teil der öffentlichen Verwaltung. Die Schiedseinrichtungen sind daher als Behörden i.S.v. § 1 Abs. 2 SGB X zu qualifizieren.[184] Schiedsentscheidungen sind Verwaltungsakte.[185] Hieraus folgt die Beteiligtenfähigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 70 Nr. 4 SGG.
Anmerkungen
Ebenso LSG BW Urt. 13.12.2006 – L 5 KA 5567/05.
Zahlreiche Stimmen der Literatur sehen die untergesetzlichen Rechtssetzungsformen sehr kritisch. Sodan NZS 1998, 305 und Wimmer NJW 1995, 7, MedR 1996, 425, NZS 1999, 113 halten das gesamte Kassenarztrecht für verfassungswidrig.
Kritisch Steinhilper GesR 2009, 337 ff.; ders. GesR 2010, 398 ff.
Zuletzt BVerfG Urt. v. 6.7.1999 – 2 BvF 3/90, NJW 1999, 3253; zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer Ermächtigung zur Festsetzung von Arzneimittelfestbeträgen: BVerfG Urt. v. 17.12.2002 – 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95 und 1 BvL 30/95, NJW 2003, 1232; BSG Urt. v. 1.3.2011 – B 1 KR 7/10 R, SozR 4-2500 § 35 Nr. 5.
Zur Anwaltshaftung im Vertragsarztrecht, BGH Urt. v. 23.11.2006 – IX ZR 21/03, MedR 2007, 354 m. Anm. Steinhilper/Schiller MedR 2007, 418.
BVerfG Beschl. v. 17.6.1999 – 1 BvR 2507/97, MedR 1999, 560.
Die Abgrenzung hat im sozialgerichtlichen Verfahren bei der funktionalen Zuständigkeit der Kammern Bedeutung, siehe § 10 SGG.
Reichsversicherungsordnung v. 19.7.1911. Das Kassenarztrecht war Teil des 2. Buches und wurde durch das GRG komplett in das SGB V übernommen.
Zur Verfassungswidrigkeit v. § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV mangels unzureichender Ermächtigungsgrundlage im SGB V siehe BVerfG Beschl. v. 26.9.2016 – 1 BvR 1326/15, GesR 2016, 767.
BVerfG Beschl. 9.4.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01, BVerfGE 108, 52, 75 m.w.N.
BVerfG Beschl. v. 18.5.2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370 m.w.N.
BVerfG Beschl. v. 12.6.1990 – 1 BvR 355/86, BVerfGE 82, 209 m.w.N.
Ärzte-ZV v. 28.5.1957, BGBl. I, 572 i.d.F. v. 6.5.2019, BGBl.