Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Eine Mitwirkung der Vertragszahnärzte ist auch nach der Novellierung des Schiedswesen durch das TSVG nicht vorgesehen (vgl. Rn. 248).[166]
b) Die sektorenübergreifenden Schiedsgremien
266
Die sektorenübergreifenden Schiedsgremien werden gebildet auf Landesebene von den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften und auf Bundesebene von der KBV, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die KZV und die KZBV sind nach § 89a Abs. 12 SGB V an diesen Schiedsgremien nicht beteiligt.
267
Mit diesen von drei Beteiligten gebildeten Gremien sollen die bisher bipolar ausgerichteten Schiedsämter ersetzt werden, um die oft dreiseitigen Interessenkonstellationen im sektorenübergreifenden Bereich besser ausgleichen zu können.
268
Die sektorenübergreifenden Schiedsgremien sind nach § 89a Abs. 3 S. 1 SGB V nur für ihnen gesetzlich zugewiesene Aufgaben zuständig. Anders als bei den für alle Verträge in der vertragsärztlichen Versorgung zuständigen Schiedsämtern, bedarf es einer konkreten Zuständigkeitsnorm. Solche enthalten § 115 Abs. 3 SGB V für die dreiseitigen Verträge zwischen KV, Landesverbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften, § 115b Abs. 3 SGB V für die Vereinbarungen über das ambulante Operieren im Krankenhaus, § 116b Abs. 6 S. 7 SGB V für die Ambulante spezialfachärztliche Versorgung, § 117 Abs. 1 S. 5 SGB V für die Hochschulambulanzen, § 118 Abs. 2 S. 3 SGB V für die psychiatrischen und § 118a Abs. 2 S. 2 SGB V für Geriatrischen Institutsambulanzen.
c) Besetzung
269
Die Schiedsämter sind nach § 89 Abs. 5 SGB V mit je vier Vertretern der jeweiligen Vertragspartner, einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern besetzt. Die unparteiischen Mitglieder dürfen keiner das Schiedsamt bildenden Körperschaft angehören oder in einem Dienstverhältnis mit dieser stehen.[167] Jeder Vertreter hat zwei Stellvertreter. Bei Entscheidungen über Verträge, die nicht alle Krankenkassenarten betreffen wirken auf Seiten der Krankenkassen nur Vertreter der beteiligten Kassenarten mit.
270
Für die Schiedsämter für Zahntechnik gelten nach §§ 89 Abs. 12 S. 3 und 13 S. 4 SGB V die Besetzungsregeln für die Schiedsämter analog.
271
Die sektorenübergreifenden Schiedsgremien sind nach § 89a Abs. 5 SGB V mit je zwei Vertretern der Ärzteschaft, der Krankenkassen und der zugelassenen Krankenhäuser, einem unparteiischen Vorsitzenden und einem weiteren unparteiischen Mitglied besetzt. Jedes Mitglied muss zwei Stellvertreter haben. Über die beiden Unparteiischen sollen sich die Vertragsparteien einigen, andernfalls werden sie von der Aufsichtsbehörde bestellt.
d) Rechtsstellung der Mitglieder
272
Die Mitglieder der Schiedsämter und sektorenübergreifenden Schiedsgremien sind ehrenamtlich tätig und an Weisungen nicht gebunden, §§ 89 Abs. 7 S. 2 und 89a Abs. 7 S. 2 SGB V. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Die Bestellung erfolgt formlos. Eine Verpflichtung zur Amtsübernahme besteht nicht. Die Übernahme des Amtes verpflichtet allerdings zur Teilnahme an den Sitzungen und zur Information des Stellvertreters im Verhinderungsfall. Details zur Bestellung der Mitglieder, Amtsdauer und Auslagenersatz sind in der SchAVO[168] geregelt. Die Vertreter der Vertragsparteien können von ihren Entsendekörperschaften jederzeit abberufen werden, die unparteiischen Mitglieder nur von der Aufsichtsbehörde (§ 4 Abs. 1 SchAVO i.V.m. § 89 Abs. 5 SGB V).
a) Verfahrenseinleitung und Fristen
273
Kommt ein schiedsfähiger Vertrag ganz oder teilweise nicht zustande, kann jede Vertragspartei einen Antrag auf Durchführung des Schiedsverfahrens stellen. Vorherige ernsthafte Verhandlungen sind nicht Voraussetzung.[169] Der Antrag ist schriftlich mit einer umfassenden Darstellung des Sachverhalts an den Vorsitzenden zu richten. Die Punkte, über die im Vorfeld keine Einigung erzielt werden konnte, sind zu benennen. Wird ein bestehender Vertrag gekündigt, ist die kündigende Vertragspartei nach §§ 89 Abs. 4 S. 1 bzw. 89a Abs. 4 S. 1 SGB V verpflichtet, das zuständige Schiedsamt bzw. sektorenübergreifende Schiedsgremium über die Kündigung schriftlich zu informieren. Diese haben nach § 89 Abs. 4 S. 1 bzw. 89a Abs. 4 S. 2 SGB V von Amts wegen binnen drei Monaten einen neuen Vertragsinhalt festzusetzen, wenn bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Vertrag zustande gekommen ist. Das Verfahren beginnt mit dem auf den Ablauf der Kündigungsfrist folgenden Tag. Für das Verfahren gilt das SGB X. Die Kostenregelungen enthält die SchAVO. Kommen die zur Entscheidung berufenen Schiedsinstitutionen ihrer Pflicht zur Festsetzung eines Vertragsinhalts nicht nach, setzt ihnen die Aufsichtsbehörde nach §§ 89 Abs. 9, 89a Abs. 9 SGB V eine Nachfrist. Nach Ablauf der Frist müssen die unparteiischen Mitglieder den Vertragsinhalt alleine ohne die Entsendevertreter festsetzen.
b) Schiedsspruch
274
Schiedsamt und sektorenübergreifende Schiedsgremien entscheiden durch Beschluss mit einfacher Mehrheit. Sie sind beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder deren Stellvertreter anwesend sind. Schiedssprüche im Bereich der gesetzlich angeordneten Zwangsschlichtungen sind gegenüber den Verfahrensbeteiligten Verwaltungsakte,[170] mit der Rechtswirkung eines öffentlich rechtlichen Vertrages.[171] Sie sind mit einer Rechtsbehelfsbelehrung[172] versehen bekannt zu machen sind. Die Schiedssprüche sind auch zu begründen.[173] Insoweit gelten §§ 31 ff. SGB X. Die Kostenentscheidung ist nicht Bestandteil des Schiedsspruchs, weil sie nach § 20 SchAVO vom Vorsitzenden alleine erlassen wird. Sie stellt damit einen selbstständigen Verwaltungsakt dar.[174] Für die Mitglieder der Verfahrensbeteiligten hat der Schiedsspruch die gleiche Normwirkung, die der Vertrag, der damit ersetzt wird, hätte. Die Vertragsparteien können den durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrag wieder ändern, wenn das geltende Vertragsrecht dies zulässt. Die Verfahrensfristen sind Ordnungsfristen, deren Überschreitung die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruches nicht berührt.[175]
c) Gestaltungsspielraum der Schiedsinstitutionen
275
Der Gestaltungsspielraum für die Schiedsämter bzw. sektorenübergreifende Schiedsgremien bei der Festsetzung der Verträge ergibt sich aus der Natur des festzusetzenden Vertragsinhaltes. Insoweit haben sie dieselbe Gestaltungsfreiheit wie die Vertragspartner, wenn sie den Vertrag selbst geschlossen hätten.[176] Die Grenzen des Gestaltungsspielraums ergeben sich aus den gesetzlichen Vorgaben, die auch für die Regelungskompetenzen der Vertragspartner gelten.[177] Hinzu kommt ein nicht objektivierbarer Beurteilungsspielraum, der dem Umstand Rechnung trägt, dass auch die Schiedsrichter sich für eine von ggf. mehreren vertretbaren Lösungen als Grundlage einer Prognose der zu regelnden Entwicklung entscheiden müssen.[178]
4. Rechtsschutz der Betroffenen
276
Schiedssprüche können von den Verfahrensbeteiligten per Klage angefochten werden.[179] Zuständig sind nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG die Sozialgerichte. Die Klage hat nach §§ 89 Abs. 9 S. 4, 89a Abs. 9 S. 5 SGB V keine aufschiebende Wirkung, ebenso wenig die Klagen gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörden.