Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
gerade unter dem Zwang, aus epidemiologischen Gründen persönliche Kontakte zu vermeiden, wichtige Alternativen zur herkömmlichen „Sprechstunde“. Mit Videosprechstunden sind schwierige Umsetzungsfragen verbunden, z.B. bezüglich des Zustandekommens des Behandlungsvertrages, des Nachweises des Versichertenstatus mittels der elektronischen Gesundheitskarte und des Datenschutzes. Die Schaffung der Voraussetzungen für die Einführung der sog. E-Rezept wurden in § 291a Abs. 5d SGB V[26] der Gesellschaft für Telematik mit Frist bis 30.6.2020 aufgegeben.[27] Weitere Regelungen sind danach zu erwarten.
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Zur ärztlichen Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gehören auch die belegärztlichen Leistungen nach § 121 SGB V, die medizinischen Vorsorgeleistungen nach § 23 Abs. 1 SGB V, die ärztlichen Leistungen bei interkurrenten Erkrankungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BMV-Ä), die Notfallleistungen von Nichtvertragsärzten (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BMV-Ä), die Leistungen der ermächtigen Einrichtungen nach §§ 117–119 SGB V und ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten (§ 2 Abs. 4 BMV-Ä und Anlage 24 zum BMV-Ä/Kurarztvertrag).
3. Die zahnärztliche Versorgung
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Die vertragszahnärztliche Versorgung nach § 73 Abs. 2 Nr. 2 und 2a SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung nach § 28 Abs. 2 SGB V, die kieferorthopädische Behandlung nach § 29 SGB V und die Versorgung mit Zahnersatz in dem in § 56 Abs. 2 SGB V beschriebenen Umfang.
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In der zahnärztlichen Versorgung bestehen die vom ärztlichen Bereich abweichenden Besonderheiten, dass schon das Leistungsrecht und nicht erst der einheitliche Bewertungsmaßstab die vertragszahnärztlichen Leistungen relativ genau definiert bzw. einschränkt und der Behandler gleichwohl mit Einverständnis des Versicherten darüber hinausgehende Leistungen gegen Zuzahlung erbringen darf (z.B. Mehrkosten bei Füllungen, siehe § 28 Abs. 2 S. 2 SGB V).
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Die zahnärztliche Behandlung zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass nur wenige Leistungen wegen Schmerzen oder anderer medizinischer Dringlichkeit sofort ausgeführt werden müssen. Weite Leistungskomplexe können im Voraus mit dem Patienten geplant und hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten der zuständigen Krankenkasse zur Genehmigung vorgelegt werden. Entsprechend ordnet § 4 BMV-Z Antrags- und Genehmigungsverfahren für Schienenbehandlungen, kieferorthopädische Langzeittherapien, Behandlung von Parodontopathien, für Zahnersatz und für Ausnahmeindikationen bei implantologischen Leistungen an. Die Krankenkassen können sowohl die Planung als auch die Ausführung der Leistungen begutachten lassen. Dazu sind von den KZV mit den Krankenkassen einvernehmlich Vertragsgutachter zu bestellen. Anträge, Genehmigung und Begutachtungen richten sich nach Anlagen 1 Nr. 3 und 4–6 BMV-Z.
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Die Zahnersatzversorgung (einschließlich Zahnkronen und Supraversorgungen) gehört nach strenger Definition nicht zur Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist (vgl. § 28 Abs. 2 S. 1 SGB V), sondern stellt ein eigenständiges Leistungsspektrum dar, das regelmäßig Gegenstand gesetzlicher Veränderung war.[28] Derzeit gehören noch konservierend-chirurgische und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz anfallen, zur vertragszahnärztlichen Behandlung.
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Für die medizinisch notwendige Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen ist vor Beginn der Behandlung nach § 87 Abs. 1a S. 2 SGB V vom Zahnarzt in einem Heil- und Kostenplan festzulegen, der von der Krankenkasse genehmigt werden muss, welche Therapie geplant ist. Die Krankenkasse gewährt dem Versicherten, der nach § 87 Abs. 1a S. 1 SGB V zahlungspflichtig ist, nach § 55 Abs. 1 SGB V einen befundbezogenen Festzuschuss. Die Höhe des Festzuschusses richtet sich nach den, vom G-BA in Richtlinien festgelegten Regelversorgungen (§ 56 SGB V). Den darüberhinausgehenden Aufwand muss der Versicherte mit eigenen Mitteln bestreiten.
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Da sich der Anspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse nur auf den Zuschuss und nicht auf die Inanspruchnahme der Leistung richtet, handelt es sich um einen besonders geregelten Fall der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 1 SGB V mit der Folge, dass Zahnersatz nicht als Sachleistung bezogen wird.[29] Nur die Regelversorgungen nach § 56 Abs. 2 SGB V gehören kraft ausdrücklicher Einbeziehung in § 73 Abs. 2 Nr. 2a SGB V zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Die Leistungen der Zahntechniker, die von den Zahnärzten betraut werden, gehören zur Zahnersatzversorgung und teilen insoweit deren rechtliches Schicksal. Die Antrags- und Genehmigungsverfahren ist gemäß den Vorgaben des § 87 Abs. 1a SGB V in Anlage 6 BMV-Z geregelt.
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Die über die Regelversorgungen hinausgehenden Leistungen und die andersartigen Leistungen[30] sind Privatbehandlungsleistungen kraft besonderer vertraglicher Vereinbarung und unterliegen damit nicht mehr den Regelungen des Vertragszahnarztrechts hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Abrechnungsprüfung, Qualität u.Ä. Maßgeblich ist insoweit der zwischen Patient und Zahnarzt geschlossene Behandlungsvertrag. Allerdings behält der Versicherte seinen Anspruch auf den bewilligten Festzuschuss als Kostenerstattungsanspruch.[31] Wichtiger Anwendungsfall ist der implantatgestützte Zahnersatz.
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Trotz der weitgehenden Ausgliederung des Zahnersatzes aus dem Sachleistungssystem blieb die Verpflichtung in § 137 Abs. 4 S. 3 f. SGB V,[32] neben Füllungen auch für Zahnersatz eine zweijährige Gewähr in Form kostenfreier Erneuerungen zu übernehmen, erhalten. Diese Verpflichtung gilt nicht nur gegenüber den Krankenkassen, sondern auch gegenüber den Patienten, was aus S. 9 der Vorschrift folgt.
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Ebenso wie der Vertragsarzt verordnet der Vertragszahnarzt im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung Arzneimittel und Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkassen. Bei der Verordnungstätigkeit darf er aber nicht die in § 1 Abs. 3 ZHG gezogenen Grenzen der Zahnheilkunde überschreiten.[33]
4. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
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Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind nur dann Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung, wenn der G-BA nach § 135 Abs. 1 SGB V Empfehlungen über
– | die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung, |
– | die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und |
– | die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung |
abgegeben hat.
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Der G-BA soll damit in die Lage versetzt werden, durch einheitliche bundesweit geltende normative Vorgaben die leistungsrechtlichen Rahmenrechte zu konkretisieren und damit das Gesundheitswesen zu steuern.[34] Das hat den Zweck, den Versorgungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf Behandlungsmethoden ausdehnen zu müssen, deren medizinischer Nutzen zweifelhaft bzw. nicht erprobt ist. Solange der G-BA keine Empfehlung ausgesprochen hat, dürfen neue Methoden