Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Weitere Öffnungen der Krankenhäuser für ambulante Leistungen ermöglichen die vom Zulassungsausschuss auszusprechenden Ermächtigungen für Hochschulambulanzen (§ 117 SGB V), für psychiatrische Institutsambulanzen (§ 118 SGB V) und für geriatrische Institutsambulanzen (§ 118a SGB V).
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Auch Einrichtungen, die nicht dem Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung angehören und in denen Ärzte tätig sind, können im Interesse einer besseren Verzahnung des Leistungsgeschehens ergänzend zur vertragsärztlichen Versorgung durch niedergelassene Vertragsärzte zur Behandlung ihrer Patienten ermächtigt werden, vgl. sozialpädiatrische Zentren (§ 119 SGB V), Einrichtungen der Behindertenhilfe (§ 119a SGB V), stationäre Pflegeeinrichtungen (§ 119b SGB V) und Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung (§ 119c SGB V). Ohne ausdrückliche Öffnungsregelung sind die Sektorengrenzen aber im Zweifel nicht zu überwinden.[14]
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Soweit in den genannten Einrichtungen ambulante ärztliche Leistungen erbracht werden dürfen, sind diese nach § 120 SGB V aus der Gesamtvergütung zu finanzieren. Die Vergütung soll zu festen Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung erfolgen (§ 120 Abs. 3a SGB V).
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Weitere Möglichkeiten zur sektorenübergreifenden Zusammenarbeit sind in der sog. besonderen Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V eröffnet (ausführlich dazu im Kap. 9).[15] Mit dem GKV-WSG kamen die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (§ 132d SGB V) und mit dem GSAV die Versorgungsverträge mit Hämophiliezentren (§ 132i SGB V) hinzu. § 37b SGB V gewährt den Versicherten einen Anspruch, über deren bedarfsgerechte Erfüllung die Krankenkassen nach § 132d Abs. 1 SGB V mit geeigneten Einrichtungen oder Personen Rahmenverträge abzuschließen haben, über die dann die Leistungserbringer in die Versorgung eingebunden werden. Details sind in den Empfehlungen nach § 132d Abs. 2 SGB V vorgegeben.[16] Ergänzend werden die sektorenübergreifenden Hospizeinrichtungen nach § 39a SGB V gefördert.
8. Kapitel Vertragsarztrecht › F. Die vertragsärztliche Versorgung › II. Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung
1. Allgemeine Beschreibung
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Die vertragsärztliche Versorgung ist der Oberbegriff für das gesamte Tätigwerden der zugelassenen Leistungserbringer und der Krankenkassen, namentlich der Ärzte, der Zahnärzte sowie der psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.[17]
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Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist der Anspruch des Versicherten auf ambulante Krankenbehandlung i.S.v. § 27 SGB V, soweit dieser von den Krankenkassen als Sachleistung unter Zuhilfenahme der KV erfüllt werden muss. Besonders erwähnt werden müssen die künstliche Befruchtung (§ 27a SGB V) und das Zweitmeinungsverfahren (§ 27b SGB V), da es sich dabei definitionsgemäß nicht um Krankenbehandlungen i.S.d. § 27 Abs. 1 SGB V handelt. Vereinfacht ausgedrückt gehören zur vertragsärztlichen Versorgung diejenigen Leistungen, die gegen Vorlage der Krankenversichertenkarte („Chipkarte“) nach § 15 Abs. 2 SGB V und ggf. gesetzlich angeordneter Zuzahlung zu bekommen sind. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Versicherte diese Leistungen über den Weg der Kostenerstattung bezieht, weil § 13 Abs. 2 S. 1 SGB V die Kostenerstattung anstelle der Sach- oder Dienstleistung gewährt. Nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehören die häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, die stationäre Krankenbehandlung, die medizinische Rehabilitation und die Organentnahme und Transplantation.
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§ 73 Abs. 2 SGB V zählt inzwischen 14 Leistungsbereiche auf, die zu den versicherten Leistungsarten nach § 11 Abs. 1 Nr. 2–4 SGB V gehören und inhaltlich deckungsgleich sind mit den in §§ 20–43b SGB V definierten Versicherungsleistungen, soweit diese ambulante ärztliche Leistungen beinhalten. Leistungen, auf die der Versicherte keinen Anspruch hat, können nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehören. Untersuchungen und Behandlungen, die infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit erforderlich werden sind nach § 11 Abs. 5 SGB V von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen und der gesetzlichen Unfallversicherung zugewiesen.
2. Die ambulante ärztliche Versorgung
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Die ambulante ärztliche Versorgung besteht nach dem Katalog des § 73 Abs. 2 SGB V im Kern aus der herkömmlichen ärztlichen Heilbehandlung[18] einschließlich der medizinischen Vorsorge nach § 23 SGB V (Nr. 1). Dazu gehört auch die Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen (Nr. 6) und die Verordnungstätigkeit des Arztes (Nr. 7), speziell die Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln einschließlich digitaler Gesundheitsanwendungen (Nr. 7a), häuslicher Krankenpflege (Nr. 8) von Soziotherapie (Nr. 12), von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung und von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Nr. 5), ebenso Krankentransporte. Ebenfalls per Verordnung erfolgt die Einweisung ins Krankenhaus unter den Bedingungen von § 73 Abs. 4 SGB V oder zur Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen (Nr. 7).
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Besonders genannt, da nicht zur Krankenbehandlung gehörend, werden die Früherkennungsmaßnahmen nach §§ 25 f. SGB V, die im Rahmen des vom G-BA in den Früherkennungs-RL geregeltem Umfang als vertragsärztliche Leistung erbracht werden (Nr. 3). Einen weiteren Bereich stellen die (frauen-)ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft (Nr. 4) und medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft in dem in § 27a Abs. 1 SGB V definierten Umfang (Nr. 10) dar, ebenso die Empfängnisverhütung und die Sterilisation nach §§ 24a und 24b SGB V (Nr. 11). Als gesonderte Leistungen werden in Nr. 9 die Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275 SGB V) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen,[19] aufgeführt.[20] Eine weitere Besonderheit ist das Zweitmeinungsverfahren nach § 27b SGB V (Nr. 13), das, obwohl weder selbst Behandlungsleistung noch eine Komponente anderweitiger Versorgung, als vertragsärztliche Leistung zu erbringen ist (siehe dazu auch Allgemeine Bestimmungen 4.3.9. und GOP 01645).
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Konkretisiert werden die in § 73 Abs. 2 SGB V aufgezählten Leistungsbereiche durch Richtlinien des G-BA nach § 92 Abs. 2 SGB V, wo nahezu deckungsgleiche Richtlinienaufträge definiert sind.
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Besondere Aufmerksamkeit erfahren hat die Weiterentwicklung telemedizinischer Verfahren, für das der 121. Deutsche Ärztetag 2018 durch Lockerung des Fernbehandlungsverbots in § 7 Abs. 4 MBO den Weg frei gemacht hat.[21] Notwendig geworden war dies durch den Druck des Gesetzgebers, die Videosprechstunde als vertragsärztliche Leistung einzuführen.[22] Die Partner des BMV-Ä mussten schon bis zum 1.10.2016 Vereinbarungen über technische Verfahren zur Videosprechstunde treffen. Dem wurde nachgekommen durch Anlagen 31[23], 31a[24], 31b[25] zum BMV-Ä. Seither wurden die Videosprechstunde als Leistung durch Überarbeitung der Anlagen und die Aufnahme in die Psychotherapie-Vereinbarung (Anlage 1 zum BMV-Ä) weiter entwickelt. Der EBM gewährt Technikzuschläge auf die während der Videosprechstunde erbrachten Leistungen (GOP 01444, 01450, 01451). Die Regelungen über den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt in Ziff. 4.3.1 Allgemeine Bestimmungen EBM wurden entsprechend angepasst.