Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Nach § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V kann der Zulassungsausschuss für Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung bei Vorliegen eines entsprechenden Versorgungsbedarfs eine befristete Ausnahmeregelung von der grundsätzlichen Zuordnung gestatten.[62] Für Allgemeinärzte sieht das Gesetz diese Möglichkeit in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nicht vor, ebenso wenig gibt es eine gesetzliche Grundlage, Allgemeinärzten die Erbringung einzelner fachärztlicher Leistungen zu gestatten.[63]
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Nach § 73 Abs. 1 S. 2 SGB V gehören zur hausärztlichen Versorgung die folgenden vier Tätigkeitsfelder:
– | die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes, wobei Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen nicht ausgeschlossen sind; |
– | die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen; |
– | die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung; |
– | die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen. |
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§ 87 Abs. 2a S. 1 SGB V verpflichtet den BewA, die Aufgliederung der Versorgungsbereiche unbeschadet einiger gemeinsam abrechenbarer Leistungen in den Leistungsdefinitionen des EBM abzubilden und entweder exklusiv den Hausärzten oder den Fachärzten vorzubehalten.
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Die abrechnungsfähigen Leistungen gliedern sich in folgende drei Abschnitte:
(II) | arztgruppenübergreifende allgemeine Leistungen; |
(III) | arztgruppenspezifische Leistungen; |
(IV) | arztgruppenübergreifende spezielle Leistungen.[64] |
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Die arztgruppenspezifischen Leistungen unterteilen sich in einen hausärztlichen (III.a) und einen fachärztlichen Versorgungsbereich (III.b).[65] Arztgruppenspezifische Leistungen können nur von den, in der Präambel des entsprechenden Kapitels bzw. Abschnitts genannten, Vertragsärzten, die die dort aufgeführten Kriterien erfüllen, berechnet werden.[66] Andere Kriterien, etwa eine Qualifikation nach Weiterbildungsrecht, führen nicht zu einer Erweiterung der, vom EBM dem Fachgebiet zugeordneten, Leistungen.
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In den Präambeln der einzelnen Fachkapitel werden die Facharztgruppen aufgeführt, die berechtigt sind, die definierten Leistungen abzurechnen. Die im Abschnitt „III Arztgruppenspezifische Leistungen“ für den hausärztlichen Versorgungsbereich (Abschnitt III.a 3) maßgebliche Präambel lautet:
Die in diesem Kapitel aufgeführten Leistungen können – unbeschadet der Regelung gem. 6.2 der Allgemeinen Bestimmungen – ausschließlich von
– | Fachärzten für Allgemeinmedizin, |
– | Fachärzten für Innere und Allgemeinmedizin, |
– | Praktischen Ärzten, |
– | Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, |
– | Fachärzten für Innere Medizin ohne Schwerpunktbezeichnung, die gegenüber dem Zulassungsausschuss ihre Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gem. § 73 Abs. 1a SGB V erklärt haben, |
berechnet werden.
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Die Präambeln für die einzelnen fachärztlichen Gebiete sind durchgehend entsprechend folgendem Beispiel des Kapitels „5 Anästhesiologische Leistungen“ im Abschnitt „III.b. Fachärztlicher Versorgungsbereich“ formuliert:
Die in diesem Kapitel aufgeführten Leistungen können ausschließlich von Fachärzten für Anästhesiologie berechnet werden.
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In Fachkapiteln, wie z.B. den Chirurgischen Leistungen nach Kapitel 6 im Abschnitt III.b., die Ärzten mit mehreren Gebietsbezeichnungen nach dem Weiterbildungsrecht geöffnet sind, werden die Facharztbezeichnungen, deren Inhaber Leistungen abrechnen dürfen, explizit aufgeführt.
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Wichtig
Anders als im früheren EBM 1996 ist es nicht möglich, dass Ärzte Leistungen, die in dem aktuellen nach Fachgruppen gegliederten EBM anderen Fachgebieten zugeordnet sind, aber von ihnen nach den insoweit maßgeblichen Gebietsdefinitionen der Weiterbildungsordnung noch erbracht werden dürfen, auch abrechnen dürfen.
3. Die Folgen der Trennung
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Die Folgen der Trennung der hausärztlichen von der fachärztlichen Versorgung waren nach der abrechnungstechnischen Umsetzung im EBM für die Allgemeinärzte und die Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung fatal. Beide Fachgruppen haben einen erheblichen Leistungsanteil, vor allem im diagnostisch-technischen Bereich, beispielsweise Langzeit-EKG, laboratoriumsmedizinische Untersuchungen im Speziallabor (Kap. O III EBM),[67] teilradiologische Diagnostik und Gastroskopien,[68] der nach den Weiterbildungsordnungen zum Fachgebiet zählt, verloren. Damit hat die Aufgliederung der vertragsärztlichen Versorgung gegenüber den betroffenen Allgemeinärzten nicht nur vergütungsrechtliche Folgen, sondern führt zwangsläufig über die Beschränkung des ärztlichen Tätigkeitsfeldes zu einem veränderten Berufsstatus. Der Allgemeinarzt im Sinne eines medizinischen Generalisten ist in der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr möglich.[69]
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Die gleichzeitige Teilnahme an der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung ist grundsätzlich ausgeschlossen.[70] Das verhindert auch die gleichzeitige Anstellung einer Internistin auf einer hausärztlichen und einer fachärztlichen Anstellungsstelle im MVZ.[71] Das BSG geht sogar soweit, dass es eine Vertretung eines fachärztlichen Internisten durch einen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Internisten und umgekehrt wegen der Bindung an den gewählten Versorgungsbereich für unzulässig hält.[72]
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Hoffnungen auf eine verfassungsrechtlich gebotene Auflockerung der Trennlinie zwischen den Versorgungsbereichen haben sich nicht erfüllt,[73] insbesondere fehlt eine gesetzliche Grundlage, Allgemeinärzten die Erbringung einzelner fachärztlicher Leistungen zu genehmigen. Einer diesbezüglich analogen Anwendung der für Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung geschaffenen Regelung des § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V hat das BSG mangels planwidriger Lücke eine Absage erteilt.[74]
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