"Und ihr wollt das Land besitzen?" (Ez 33,25). Alban Rüttenauer


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kurzen Besprechungen der wichtigsten Beispiele benennt er zum Abschluß auch die geistig-religiöse Landschaft der Zeit Ezechiels, die in ihnen ausgedrückt werde.19 Hiermit ist ein zusätzlicher Aspekt umrissen, der zu den Stimmungen und Lebenserfahrungen hinzukommt. Die in den Redensarten ausgesprochenen Lebenserfahrungen haben unmittelbaren Einfluß auf die wichtigsten Glaubensfragen, und das dürfte wohl der entscheidende Grund dafür sein, warum sich ein Prophet wie Ezechiel so sehr durch sie herausgefordert fühlt. In einem Artikel unterscheidet Sedlmeier als Haltungen und Strategien zur Krisenbewältigung, wie sie in den Redensarten vorkommen: Naiver Optimismus (Ez 33,24); Verharmlosen und Harmonisieren (Ez 11,3; 12,22; 12,27); Nutznießung der Krise (Ez 11,15); Resignation (Ez 33,10; 37,11); Lust nach Sensation und Erleben (Ez 33, 30-32); Bitterkeit und Zynismus (Ez 18,2; 20,32).20 Auch in anderen Prophetenbüchern kommen vereinzelt Redensarten des Volkes vor, die dann aber eher als Bericht spontaner und nicht so sehr typischer Reaktionen erscheinen. Sehr nahe kommen den ez Redensarten allerdings Stellen wie Jes 40,27 und 49,14 beim sog. Deuterojesaja,21 ebenfalls einem Exilspropheten. So hier wie bei Ez geben die Redensarten Einblick in die Ansichten des Volkes, das sich angesichts des Zusammenbruchs des Staates seine eigenen Gedanken zu machen anfängt, statt immer nur passiv zu reagieren.

      Zusammenfassend lassen sich die Redensarten also folgendermaßen charakterisieren. Durch die Einleitung werden sie zu Zitaten von konkreten Sprechern bestimmt, für deren Einstellung und Wesensart sie einen repräsentativen Charakter haben. Sie gehen über eine bestimmte, sie veranlassende Situation hinaus, indem sie eine allgemeine Deutung derselben bringen, durch die sie einer grundsätzlichen Lebensauffassung dienen sollen. Eine solche Deutung fordert entsprechende Stimmungen, Ansprüche und Selbsteinschätzungen heraus, soweit nicht schon vorausgesetzt, und hat damit zu guter Letzt auch Einfluß auf die religiöse Einstellung.

      1 W. Zimmerli, Ezechiel, 55*: „Die rein illustrierenden Zitate, die in 8 12 9 9 27 32b. 34a 33 30 36 20. 35 38 11. 13 zu finden sind, gehören ebensowenig zu der hier besprochenen Redeform wie die schon früher erwähnten Zitate der Leute (in 12 9 18 19 21 12 24 19 37 18, auch 21 5).“ Für die statt dessen angesprochene Redeform findet sich bei Zimmerli sowohl der Ausdruck „Disputationswort“ (S. 54*) als auch der synonyme „Diskussionsworte“ (S. 55*).

      2 Mit Beziehung auf Wolff, „Zitat“, bemerkt D.R. Clark, Citations, 16: „Most of those he labels genuine ‘represent’, rather than reproduce precisely or authentically the attitudes of the speakers.“

      3 F. Fechter, Bewältigung, 142, äußert in bezug auf 28,2 mit der darin befindlichen Redensart: „Es ist […] kaum von der Hand zu weisen, daß hier tyrisches ‘Lokalkolorit’ im Hintergrund steht[…].“ Möglichen Zweifeln gegenüber macht er das gesellschaftliche Milieu Ezechiels für ein solches Wissen verantwortlich, 142 Anm. 129: „immerhin aber ist mit gewisser Detailkenntnis über religiöse Praktiken bei den Nachbarn Israels gerade in priesterlichen Kreisen zu rechnen.“

      4 O. Keel, „Zeichensysteme“, vergleicht die unterschiedliche Symbolsprache Jeremias und Ezechiels. Während Jeremia seine Vergleiche aus der palästinischen Alltagswelt bezieht, holt sie Ezechiel aus der mesopotamischen und ägyptischen Bildwelt. So kommt er, 46, zu dem Schluß: „Ezechiel scheint […] [im Gegensatz zu Jeremia, A.R.] der obersten Schicht der Jerusalemer Priesterschaft angehört zu haben, die sich auf Zadok zurückführte (Ez 40,46; 43,19; 44,15; 48,11). […] In Babylon scheint er mit gelehrten Kreisen Kontakt gehabt zu haben. Zumindest würde das sein detailliertes Wissen über diese Welt erklären.[…]

      5 Vgl. die Einteilung bei D.R. Clark, Citations, 60. Clark unterscheidet außerdem noch Zitate zur Ergänzung eines Prophetenwortes. Die übrigen beiden Arten, die prophetischen wie die göttlichen Selbstzitate, haben bei der somit fünf Gruppen umfassenden Einteilung für diesen Gegenstand keine Bedeutung.

      6 Vgl. F. Fechter, Bewältigung, 41-48, hier bes. 42-43 Anm. 112.

      7 H.W. Wolff, „Das Zitat“, 48: „Es fällt auf, wie selten innerhalb der prophetischen Rede eine Stimme angeführt wird, die das prophetische Zeugnis bekräftigt. Jahwe selbst steht für sein Wort ein. […] Die Zitate feindlicher Stimmen stehen dem wie die Regel der Ausnahme gegenüber.“

      8 Vor allem entspricht dem der kollektive Charakter der Sprecher. Vgl. H.W. Wolff, „Zitat“, 48: „Wer kommt als Gegner zu Worte? Kaum sind es einzelne Personen, vielmehr treten meist Gruppen auf, die als solche Jahwes und darum seines Boten Gegnerschaft sind.“

      9 Auf diese Unterschiede im Zeitbezug macht besonders F. Fechter, Bewältigung, 42 Anm. 112, aufmerksam. Einleitung durch Partizip oder Infinitiv werden von ihm durch Gedankenstrich als fehlender Zeitbezug eingestuft. Fechter gibt, 42, jedoch zu bedenken, daß „sich auch Texte finden lassen, in welchen ein solcher Zeitbezug nicht gegeben ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein unbestimmtes Redesubjekt im Blick ist (‘man’, ‘Haus Israel’) und/oder im allgemeinen Sprachgebrauch häufig wiederkehrt. Klassische Beispiele dieser Gruppe sind Sprichworte oder Redensarten (z.B. 18,2).“ Da in dieser Arbeit besonders der redensartliche Charakter der Zitate hervorgehoben wird, versteht es sich, daß der absolute Zeitbezug gegenüber den Aspekten eine geringere Rolle spielen wird.

      10 P. Joüon, Grammaire, § 112f: „Le qatal s’emploie pour une action instantanée qui, s’accomplissant à l’instant même de la parole, est censée appartenir au passé […]. Les exemples sont surtout fréquents avec les verba dicendi et leurs équivalents …“.

      11 W. Zimmerli, Ezechiel, 251 : „Es ist wohl nicht zufällig einer der im Osten von der Heimat Getrennten, der für diese anderen [von Jeremia nicht wahrgenommenen, A.R.] Stimmen besonders hellhörig ist.“

      12 W. Bergengruen, Dichtergehäuse, 157: „In der Schweiz habe ich manche Beispiele erlebt, daß von seiten der Emigranten die Forderung erhoben wurde, jeder Nichtemigrierte habe sich wegen seines Verbleibens in Deutschland zu verantworten und zu rechtfertigen. […] Ich habe es mir nie herausgenommen, den Fortgang eines Mannes zu kritisieren, der Grund hatte, sich vom ersten Tage der nationalsozialistischen Machtergreifung an unmittelbar bedroht zu fühlen, und für den auch keine Möglichkeit gegeben schien, seine geistige Arbeit in Deutschland fortzusetzen. Ich habe seine Motive und Entschlüsse respektiert, und ich kann sagen, daß ich in vielen schwachen Stunden die Emigranten, und mochten sie noch so jämmerlich daran sein, beneidet habe. Allein wie übergroß auch die Sehnsucht nach einem Aufatmenkönnen jenseits unserer Zuchthausmauern war, ich hätte es, in meinem Falle, doch nicht für richtig gehalten, fortzugehen und damit eine geistige Position, und sei sie noch so bescheiden gewesen, solange sie sich irgend halten ließ, meinen Todfeinden zu überlassen. So etwas wurde also zuletzt als Kollaborationismus bezeichnet. Unsere naive Vorstellung, es werde eine freundschaftliche, ja herzliche Wiederbegegnung zwischen lange Getrenntgewesenen geben, war ad absurdum geführt.“

      13 C. Zuckmayer, Geheimreport, 21: „Suhrkamp lehnte den Gedanken an Auswanderung ab: vor allem weil er, wie Viele, die Überzeugung hatte, dass man die besseren Kräfte in Deutschland nicht einfach allein lassen könne und dürfe, dass Leute da bleiben müssten um etwas Vorhandenes zu verteidigen und durch die Zerstörungszeit zu retten, und daß für solche, die nicht fliehen mussten, der verantwortliche Platz in Deutschland sei. Dieser Standpunkt ist bei Vielen der in Deutschland Gebliebenen […] durchaus ehrlich und m.E. auch richtig gewesen.“

      14 Nachzulesen bei G. Grass, Werkausgabe, Bd. IX, 33-34: „Ich bin nicht Klaus Mann, und Ihr Geist ist dem Geist des Faschisten Gottfried Benn gegengesetzt, trotzdem berufe ich mich mit der Anmaßung meiner Generation auf jenen Brief, den Klaus Mann am 9. Mai 1933 an Gottfried Benn richtete. Für Sie und für mich mache ich aus dem 9. Mai der beiden toten Männer einen lebendigen 14. August 1961: Es darf nicht sein, daß Sie, die Sie bis heute vielen Menschen der Begriff aller Auflehnung gegen die Gewalt sind, dem Irrationalismus eines Gottfried Benn verfallen und die Gewalttätigkeit einer Diktatur verkennen, die sich mit Ihrem Traum vom Sozialismus und Kommunismus, den ich nicht träume, aber wie jeden Traum respektiere, notdürftig und dennoch geschickt


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