"Und ihr wollt das Land besitzen?" (Ez 33,25). Alban Rüttenauer


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Vgl. F.-L. Hossfeld, Untersuchungen, 512-514.

      37 Die Verfahrensweise ist daher ähnlich wie bei V. Premstaller, Fremdvölkersprüche, 9, der vermerkt: „So wird man zwar für Ez an der Tatsache eines vom historischen Propheten ausgehenden und von Späteren beendeten Entstehungsprozesses einerseits nicht abrücken, auf eine allseits befriedigende genaue literar- und redaktionskritische Zuordnung der einzelnen Texte aber verzichten müssen.“

      38 L. Boadt, „Mythological Themes“, weiß für seine Annahme, daß das Buch in seinem wesentlichen Bestandteil nicht später als 562 v. Chr. abgeschlossen wurde, drei gewichtige Gründe anzuführen:

      1. Das Fehlen eines FVS gegen Babylon läßt jedes Bewußtsein seiner zu Ende gehenden Macht vermissen.

      2. Das späteste Datum das ausdrücklich angegeben wird, ist 571 und das letzte Ereignis, auf das angespielt wird, die drohende Invasion Nebuchadnezzars in Ägypten.

      3. Nicht eingetroffene Prophezeiungen, wie die Drohungen gegen Tyrus (26-28) und Ägypten (30,20-26) oder die Ankündigung einer Wiederherstellung Sodoms (16,53-55) werden stehen gelassen.

      So schließt er, 214-215: „Taken together, these all suggest that the authors in the editorial process did not know anything conrete about the end of the Babylonian empire, as dramatic as it was, and as crucial as ist turned out to be for Israel’s changed state of existence afterwards.“

      39 Als umfassenden Forschungsüberblick vgl. K.-F. Pohlmann, Ezechiel. Der Stand der theologischen Diskussion. Das Werk fußt auf K.-F. Pohlmann, „Forschung (I-III)“. Vgl. auch die Besprechung von Fr. Sedlmeier, Rezension Pohlmann, Ezechiel. Der Stand der theologischen Diskussion.

      40 Gegenüber der mehr formkritisch orientierten Arbeitsweise Clarks kann Fechter, Bewältigung, 45, Amn. 129, feststellen: „Infolgedessen unterbleibt auch weitgehend die Frage nach der literarischen Funktion der Zitate. Insofern ist Wolffs Studie längst nicht überholt.“

      41 Vgl. J. Garscha, Studien zum Ezechielbuch, 13, wo er mit kritischem Seitenblick auf Zimmerlis Fortschreibungsmodell bemerkt: „Ob freilich die historischen Angaben von Texten mit ihrer tatsächlichen historischen Situation übereinstimmen, ob also nicht einige Worte vorgeben, in einer bestimmten Zeit entstanden zu sein, während sie in Wirklichkeit Produkte einer anderen Epoche sind, diese Frage läßt sich mit dem methodischen Ansatz der neueren Ezechiel-Forschung nicht überprüfen.“ Daß eine solche Zeitverschiebung jedoch auch über die Grenze des Exils hinausgehen könnte, ist m.E. unwahrscheinlich. Schwierig bleibt dagegen innerhalb der Exilszeit z.B. die Unterscheidung zwischen Texten, die vor, und solchen, die nach der Zerstörung des Tempels verfaßt wurden.

      42 Damit wäre noch nichts darüber entschieden, ob der „Autor“ nicht vielleicht eher ein Redaktor im Sinne Beckers ist, der nur wie ein Autor verfährt.

      43 Auch J. Becker, „Erwägungen“, 140, stellt fest: „Dem Ez-Buch eignet eine gewisse innere Dramatik. Es ist regelrecht inszeniert, und die Szenen gruppieren sich um das zentrale Ereignis der Zerstörung Jerusalems.“

      44 K.-F. Pohlmann, Hesekiel, 36: „Ein solcher Versuch, für bereits lediglich rekonstruierte literarische Vorstufen des Ezechielbuches (golaorientierte Version, Prophetenbuch) eine weitere Vorstufe erfassen zu wollen, provoziert auf den ersten Blick wahrscheinlich den Vorwurf damit die literar- und redaktionskritische Forschungsmethode zwanghaft zu überspitzen. Daß das nicht zutreffen muß, kann man sich mit Verweis auf die Erforschung der synoptischen Evangelien klar machen.“

      45 Vgl. K.-F. Pohlmann, Hesekiel, 40: „Die bisherigen Beobachtungen und Einsichten führen zu dem Schluß, daß uns Ezechiels Gestalt immer weniger greifbar wird. Das mag man bedauern, aber Ezechiel teilt hier das Geschick eines Mose und anderer, über deren historisches Wirken uns kaum etwas bekannt ist, obwohl oder gerade weil sich sukzessive das Interesse der Nachgeborenen immer mehr auf sie konzentrierte.“

      46 J. Becker, „Ez 8-11“, 139: „In immer neuen Varianten fällt man auf ein sich verabsolutierendes literarkritisches Modell herein, das an Büchern wie Jesaja und Jeremia gewonnen ist und um jeden Preis die prophetische Gestalt und ihre authentische Verkündigung aus dem Gestrüpp der Redaktion herausheben will.“ Diesen gegen literarkritische Modelle gerichteten Vorwurf gibt Hossfeld, der literarkritisch arbeitet, an die Vertreter von redaktionskritischen Modellen weiter. Vgl. F.-L. Hossfeld, „Ezechiel und die deuteronomisch-deuteronomistische Bewegung“, 277: „In bezug auf Pohlmann gibt es Anfragen zur Methode (Verzicht auf Literarkritik als Basis aller weiteren Redaktionskritik) und Anfragen in bezug auf seinen spezifischen Einsatz bei der Golaorientierung von Texten des Ezechielbuches. Hier überträgt Pohlmann gewonnene Einsichten aus der Jeremiaexegese wiederum zu schnell auf die Ezechielexegese.“

      47 J. Becker, „Erwägungen“, 143: „In der älteren Forschung war es üblich, von apokalyptischen Zügen der Prophetenbücher zu sprechen, wobei besonders Ezechiel formal und inhaltlich als Vorläufer der Apokalyptik galt. Eine Rehabilitierung dieser Sicht ist angezeigt. Ja, als Pseudepigraphon ist das Ez-Buch bereits dem apokalyptischen Genus zuzuweisen, dessen hervorstechendstes Merkmal die totale Verfasserfiktion ist.“

      48 Vgl. Becker, „Erwägungen“, 145: „Die Königsbücher, im beträchtlichem Abstand von den Ereignissen geschrieben, wissen mit Quellen umzugehen. Auch der Verfasser des Ez-Buches ist ein wirklicher Gelehrter und auf den verschiedensten Gebieten bewandert.“ In der Tat, auf so vielen Gebieten, daß dazu das Exil in Babylonien, mit dessen charakteristischen Hochkultur sowie verzweigten Handelsbeziehungen, noch immer den besten Nährboden liefert. Wann sollte in späterer Zeit dazu eine gleiche Gelegenheit vorgelegen haben, zumal Ezechiel nicht primär den Ehrgeiz eines Historikers an den Tag legt? Zu Ezechiels erstaunlichen Kenntnissen der babylonischen wie ägyptischen Ikonographie vgl. O. Keel, „Zeichensysteme“, 45: „Die Dominanz des Visuellen im Ezechielbuch bezeugen […] drei der vier im Ezechielbuch dominierenden Testsorten: die Visionen, die Zeichenhandlungen und Bildreden. Sie zeigen, wie ich an wenigen Beispielen zu zeigen versuchte, eine große Vertrautheit mit zeitgenössischen Ritualen und zeitgenössischer Ikonographie, seien sie vorderasiatischer oder ägyptischer Provenienz. Einzig von den Disputationsworten gilt das nicht.“

       B. Die einzelnen Sprüche

       1. Die Wirklichkeit Gottes in der Sichtweise der Menschen: 8,12

       1. a) Rahmenhandlung und Gliederung von Kap. 8 - 11

      Einer Redensart, die den unter A.1. genannten Forderungen entspricht, begegnen wir nicht früher als in Ez 8,12. Die letzte findet sich in 38,13. Daß weder in den Eröffnungskapiteln 1 - 7 noch in der großen Tempelvision Kapitel 40 - 48 ein entsprechender Spruch anzutreffen ist, fällt auf und scheint nach einer Begründung zu verlangen. Zunächst einmal läßt sich die Beschränkung der Vorkommen auf die Kapitel 8 - 38 durch den Erzählzusammenhang einsichtig machen. Sie setzen nicht ein, bevor es nicht zu einer wirklichen Auseinandersetzung des Volkes mit dem Propheten gekommen sein konnte und sie hören auf, sobald das Programm für die Zukunft im Vordergrund steht. Die Zitierung der Redensarten reflektiert also die Konfrontation des Propheten mit den Hörern, auch wenn die Kommunikation durch ein seltsames, verschieden artikuliertes, im Buch selber kaum durchgehaltenes Redeverbot mehr spannend gemacht als erschwert wird.49 Srajek interpretiert den Verstummungsbefehl auf der Grundlage von Levinas’ Dialektik von Resistance and Surrender als eine Weise gesunden Widerstands. Daß Ezechiel vor der Hingabe an den Prophetenauftrag erst einmal massiven Widerstand leistet, ermögliche ihm, Echtheit und Gehalt einer empfangenen Vision zu prüfen und festzustellen.50

      Die Großvision Kap. 8 - 11 hat eine Rahmenhandlung, die dem Geschehen ein zusammenhängendes Gefüge gibt. Während die Vision selbst den Propheten nach Jerusalem entführt, zeigt ihn die Rahmenhandlung in seinem gegenwärtigen Zuhause im Exil. In 8,1 sagt


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