"Und ihr wollt das Land besitzen?" (Ez 33,25). Alban Rüttenauer


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Vergleichend mit anderen Schriftpropheten stellt W. Zimmerli, „Ezechiel, ein Zeuge der Gerechtigkeit Gottes“, 39-40, fest: „Ist der jesajanische Kreis dadurch gekennzeichnet, daß er zwei besonders ragende Gipfel aufweist - neben Jesaja selber noch jenen Unbekannten der Exilszeit, den wir Deuterojesaja nennen -, der jeremianische Kreis dagegen durch seine Nähe zum deuteronomischen Kreis, so daß eine ganze Schicht der Jeremiaüberlieferung wie durch ein deuteronomisches Farbglas gesehen zu sein scheint, so der ezechielische Traditionskreis durch seine Nähe zu den exilischen Kreisen, denen das priesterschriftliche Material des Pentateuch entstammt […] Ich möchte allerdings glauben, daß der ezechielische Schülerkreis im ganzen ungleich näher beim Propheten selber steht und in seinen eigenen Bahnen weiterdenkt und formuliert, als etwa die deuteronomischen Schüler von Jeremia.“ Wenn K.-F. Pohlmann, „Forschung (II)“, 165, Zimmerlis Ansatz mit den Worten kommentiert: „Man wird unterstellen dürfen, daß nur so die Absicherung der Authentizität und Autorität der Texte gewährleistet erschien und man so der Gefahr zu entgehen suchte, die Textfolgen mehrheitlich bzw. die Endversion ‘Ezechielbuch’ als im Grunde gar nicht vom Propheten ‘autorisiert’ ansehen und ausgeben zu müssen.“, dann wird eine solche Behauptung durch den Umstand, daß Zimmerli den einheitlichen Charakter des Jeremiabuches jeweils so ganz anders bewerten konnte als den des Ezechielbuches, als wirkliche, d.h. unbegründete, Unterstellung überwiesen. Nicht um die Untermauerung eines allgemeinen biblischen Vorurteils ging es Zimmerli, sondern um die richtige Beschreibung der individuellen Eigenheit jedes einzelnen Prophetenbuches.

      25 J. Garscha, Studien zum Ezechielbuch, 1, faßt die Grundsätze der auf Zimmerli und andere (wie Eichrodt, Wevers, May) zurückgehenden Methode wie folgt zusammen: „Bei vielen Modifikationen im Einzelnen betrachtet man das Buch in seiner vorliegenden Fassung als Ergebnis eines Ergänzungs- und Bearbeitungsprozesses durch Redaktoren oder eine Prophetenschule, wobei die Grundlage des Buches vom Propheten Ezechiel selbst hergeleitet wird. In der Regel schreibt man dem Propheten den Hauptteil des Buches zu, den man mit Hilfe der historisch-kritischen Methode von Ergänzungen zu befreien sucht. Bei diesen Textanalysen geht man davon aus, zunächst den Selbstaussagen des Buches über Zeit und Ort der Wirksamkeit des Propheten zu trauen und so lange an der ‘Echtheit’ der Texte festzuhalten, bis ihre ‘Unechtheit’ bewiesen werden kann.“

      26 Moshe Greenberg, Ezekiel 1-20. Ezekiel 21-37. Siehe Literaturverzeichnis.

      27 Nach Darstellung anderer Positionen sagt J. Becker, Der priesterliche Prophet, 8: „Oder soll man der Redaktion den Löwenanteil zuerkennen und die Botschaft des Propheten ganz in ihr aufgehen lassen? Sie wäre dann wie durch einen Schmelzofen hindurchgegangen und in chemisch reiner Form nicht mehr zu ermitteln. Das Buch wäre dann nach Form und Inhalt einheitlich von der Redaktion geprägt. Vielleicht verdient diese Auffassung den Vorzug.“ Doch äußert er noch daselbst einen starken Vorbehalt gegen die Annahme reiner Pseudoepigraphie: „Diese Auffassung ist deshalb schwierig, weil das Ezechielbuch die geschichtliche Situation um 586 gut trifft.“ Diesen Vorbehalt scheint er später zunehmend aufgegeben zu haben, doch kann man noch einen kleinen Rest heraushören, wenn J. Becker, „Ez 8-11 als einheitliche Komposition“, 138, sagt: „Eine vierte Position schließlich, die wir vertreten, erhöht den Anteil der Redaktion bis zum Grenzwert der totalen Redaktionalität.“ In: J. Becker, „Erwägungen“, 145, versucht er sich mit der Überlegung zu helfen: „Man unterschätze […] nicht die Geschichtskenntnis biblischer Verfasser.“ Diese lasse es zu, daß auch aus einem zeitlichen Abstand heraus Ereignisse richtig wiedergegeben wurden.

      28 J. Becker, „Ez 8-11“, 136, versucht einen Beitrag zu leisten zur Konkretisierung aller Aspekte, „die das Ezechielbuch als einheitliche und pseudoepigrapische Propheteninterpretation erscheinen lassen.“ Was aber wird aus dem Interpretationselement, wenn die zu interpretierende Prophetengestalt selbst ausschließlich ins Land der Fiktion verwiesen wird? Würde nicht auch hier die nachreflektierende Schule eines wirklichen Propheten den natürlichsten Nährboden für eine solche Interpretationsarbeit bieten?

      29 J. Becker, „Erwägungen“, 138: „Wir rechnen schlicht mit einem Prophetenbuch aus der Retorte, das von vornherein und ausschließlich den Exilspropheten Ezechiel zeichnen will. Als Entstehungszeit kommt das fünfte Jahrhundert in Betracht.“

      30 K. Schöpflin, Theologie als Biographie im Ezechielbuch, 349: „Zum einen, um Hypothesen zu vermeiden, zum anderen wegen der Gestaltung des Buches und der darin erkennbaren theologischen Aussageabsicht empfiehlt es sich, von einer autobiographischen Fiktion auszugehen, mithin also von ‘Pseudoepigraphie’ in dem Sinn, daß nicht die Person, die innerhalb des Textes als Sprecher/Verfasser in Erscheinung tritt, für das Buch verantwortlich zeichnet, sondern ein anonymer Autor.“ Schon die Wortwahl weckt den Verdacht, daß die Zuflucht zu einem anonymen Autor eine Art Flucht darstellt, um Probleme, wie die lästige Verfasserfrage, zu „vermeiden“, statt zu diskutieren. Dabei ist nicht die autobiographische Fiktion als solche problematisch, sondern der Umstand, daß mit ihr ausschließlich eine für den Autor vergangene Epoche dargestellt werden sollte. Zu einer ebenbürtigen Alternative wird der pseudoepigraphische Ansatz m.E. erst, wenn der Autor aus einer völlligen Anonymität heraustritt und sein Reflektieren der eigenen Gegenwart so deutlich erkennen läßt, wie es etwa im Danielbuch der Fall ist.

      31 Nach J. Garscha, Studien zu Ezechielbuch, 16 „kommt es darauf an, mit der gleichen Intensität, mit der nach der Theologie und der Wirksamkeit eines Propheten ‘Ezechiel’ gefragt wird, auch die Intentionen der ‘Redaktoren’ zu untersuchen. Als ideales Ergebnis ist eine Theorie zu fordern, die für jeden einzelnen Text angeben kann, warum er in dieser Form an seiner Stelle im Buchganzen steht.“

      32 K.-F. Pohlmann, Ezechielstudien, 254: „So hat das Ezechielbuch nach mehrfach aufeinander folgenden ‘Auflagen’ erst im weiten zeitlichen Abstand von den historischen Ereignissen, die sich auf den ersten Blick darin widerzuspiegeln scheinen, seine jetzige Endgestalt erhalten. Dieses Buch ist somit Zeugnis einer Jahrhunderte währenden Glaubensgeschichte: es ist der Beleg einer theologischen Denkarbeit, die sich immer wieder neu gegen den Verdacht richtet, daß das Volk wie der Einzelne total den wirren Entwicklungen und Konstellationen lediglich weltlicher Gegebenheiten, also dem Chaos, ausgeliefert sein könnte.“

      33 Als richtungweisend für einen solchen Ansatz dürfte Christoph Barth, „Ezechiel 37 als Einheit“, gelten. Auf Zimmerli aufbauend und ihm zu Ehren gelangt er, 51-52, zu dem Schluß: „Mit allen Abwandlungen seiner Botschaft von der Erneuerung Israels, die ein ganzes Stück exilischer Theologiegeschichte widerspiegeln, bildet Ez 37 doch eine große Einheit. Befreiung und Einigung, Präsenz des messianischen Königs, Reinigung von Schuld und neuer Gehorsam, neuer Bund und neue Gegenwart Gottes - wie immer die Erneuerung verstanden sein mag: sie ist in jeder Hinsicht Geschenk neuen Lebens aus dem Tode.“ Thematische Einheitlichkeit und Kontinuität müssen also nicht zwingend im Gegensatz zur sukzessiven Abfolge theologischer Fragestellungen gesehen werden.

      34 F.-L. Hossfeld, Untersuchungen, 14-15: „ … hier ist eine präzisere Differenzierung der einzelnen Redaktionsstufen erwünscht, gerade wegen der fließenden Übergänge zwischen den einzelnen Stufen oder Schichten und wegen der Unsicherheit zu entscheiden, wo wir Ezechiel als Propheten in actu oder Ezechiel den theologischen Literaten oder einen seiner Schüler vor uns haben.“ Er weiß dabei die üblichen Arbeitshypothesen (prophetischer Prediger, Literat, Schüler etc.) geschickt zu karikieren, wie sie oft wenig Anhaltspunkte in der dokumentierbaren Geschichte haben, aber doch zuweilen subjektiv helfen, die unterschiedlichen Textcharaktere für die hermeneutische Wahrnehmung in eine gewisse Ordnung zu bringen.

      35 Für die Unterscheidung der Schichten vgl. bes. F.-L. Hossfeld, Untersuchungen, 524-529. Die Unterscheidung orientiert sich an der Thematik des Neuen Exodus, an deuteronomistischen bzw. priesterschriftlichen Einschlägen, sowie an Verbindungen zu Deuterojesaja, Jeremia (in nachdeuteronomistischen Partien) und den Psalmen. Vgl. jedoch W. Zimmerli, Ezechiel, 69*: „Die Feststellung einer Bekanntschaft Ezechiels mit Worten Jeremias muß aber sofort mit der Feststellung der tiefen Verschiedenheit der beiden Gestalten verbunden werden, die sich an manchen Punkten erkennen läßt bis hinaus ins Sprachliche.“ Noch strenger urteilt er, 70*, über


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