NY Phönix. U. Kirsten

NY Phönix - U. Kirsten


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indem man ihm eine Rolle zuwies, um mit ihm seine eigenen Defizite auszugleichen. Die Katze, der Hund, das Pferd waren keine Befehlsempfänger oder Beschützer, keine Kuscheltiere oder Liebesgeber. So wie man einen Ehepartner oder ein Kind nicht in eine dieser Rollen drängen durfte, so eigneten sich Tiere auch nicht für eine vom Herrchen vorgegebene Erwartungshaltung. Ein Mensch, ein Kind und eben auch ein Tier wollten von uns in ihrer Einzigartigkeit, in ihrer Individualität verstanden und so angenommen werden, wie sie in ihrem Kern waren. Auch hier galt es loszulassen, denn dann entschied sich der jeweilige Partner freiwillig dazu, unsere Nähe aufzusuchen und zu verweilen. Wenn man sich jedoch dazu entschied, Jemanden an seinem Leben teilhaben zu lassen, dann übernahm man auch Verantwortung für das, was einem nun vertraut war. Man konnte so unheimlich viel von Tieren, auch über sich selbst lernen. Wenn man einem Tier, wie auch einem Menschen, unvoreingenommene Aufmerksamkeit schenkte, dann begann dieser allmählich Vertrauen, Zutrauen zu fassen und öffnete sich. Kinder und auch Erwachsene konnten hier den Kernpunkt der sozialen Kommunikation unbewusst erkennen und lernen. Interessiere Dich für Deinen Gegenüber, lerne ihn zu verstehen und ihr werdet Partner, vielleicht sogar Freunde. Jedes Lebewesen öffnet sich, wenn man sich von reinem Herzen um dieses bemüht. Tiere sind noch intuitiver als Menschen, so dass sie noch intensiver auf Körpersprache, Tonalität und Lautstärke unserer Stimme reagieren. Gerade auch Kinder konnten durch Tiere so viel über sich selbst und den Umgang mit anderen lernen. Der Umgang mit Tieren konnte so viel mehr Liebe und Glück in das eigene Leben bringen. Lenny musste jetzt unwillkürlich daran denken, dass sein Kater Charlie sich sicher in diesem Augenblick in Lennys Bett breit machte und die Katzenpfoten genüsslich in alle Richtungen ausstreckte.

      Jetzt jedoch fröstelte es Lenny. Obwohl es August war, kam es ihm heute Nacht kühler vor. Er hatte sich in Gedanken verloren und er versuchte sich erneut zu orientierten. Das Empire State Building war für Lenny immer eine ideale Richtungsanzeige. Es war an der 5th Avenue zwischen der 33. und 34. Straße erbaut worden und bildete den perfekten Mittelpunkt der Insel Manhattan. Egal wo er sich befand, bot es ihm immer eine Orientierung. Konnte er das majestätische Gebäude erblicken, wusste er, wo er sich befand. Das Gebäude verjüngte sich, wie so viele andere Hochhäuser New Yorks nach oben hin. Dies resultierte aus einer Bauverordnung aus den 20er Jahren. Die Fassade durfte nur bis zu einer bestimmten, vorgeschriebenen Höhe senkrecht verlaufen. Danach wies das Empire State Building leichte Rücksprünge auf. Man wollte vermeiden, dass die Gebäude zu viel Schatten warfen. Die obersten Etagen des Wahrzeichens von New York waren nachts immer in eine farbige Lichterpracht gehüllt. An normalen Tagen wurde es in einfaches weißes Licht getaucht. Zu besonderen Anlässen, wusste man als New Yorker immer, was die Stunde geschlagen hatte. Zu Weihnachten war der Turm grün-rot, zum irischen Nationalfeiertag, dem St. Patricks Day, grün, an US-Feiertagen rot-weiß-blau und sogar pink am Christopher Streets Day. Heute ist das gleißende, gelbe Strahlen jedoch anders als sonst. Lenny hat das unangenehme Gefühl, als würde ein aggressives, gelblich pulsierendes Auge ihn vom Empire State Building herunter anschauen und beobachten. Er versucht schnell den Gedanken daran zu verdrängen und sich erneut auf die Gegend zu konzentrieren.

      Auf der rechten Seite liegt bereits der Wolkenkratzer des One Penn Plaza. Die Fahnenmasten vor dem Gebäude sind wie immer mit der amerikanischen Stars- and Stripes - Flagge geschmückt. Etwas scheint ihm an der Fahne jedoch heute verändert. Verdutzt zügelt Lenny sein Tempo und bleibt dann ganz vor dem Portal des Gebäudes stehen. Erstaunt betrachtet er eine der Flaggen, die sich in der sanften Nachtbrise stolz entfaltet. Da waren immer noch die 7 roten und die 6 weißen Längsstreifen, die die 13 Gründungsstaaten von 1776, dem Jahr der Unabhängigkeitserklärung, darstellen. Auch an den Farben hatte sich nichts verändert. Das Weiß, das für die Reinheit und Unschuld stand, das Rot als Symbol für die Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit und das Blau für Wachsamkeit, Beharrlichkeit und Gerechtigkeit. Wenn er jetzt genauer hinsah, fiel ihm auf, dass die üblicherweise 50 weißen Sterne auf dem blauen Untergrund, die für die Bundesstaaten stehen, sich nahezu verdoppelt hatten. Und in deren Mitte prangt ein überdimensionales gelb-feuriges Auge. Lennys Nackenhaare stellen sich auf. Ist das ein Scherz von einem Chaoten, der über Nacht die Fahnen hochgezogen hat. Was hat das wieder zu bedeuten?! Lenny setzt sich erneut in Bewegung. Er muss hier weg. Es ist unheimlich, was sich in seiner Stadt, New York, plötzlich alles verändert hat.

      Lenny fühlt langsam ein Gefühl der Niedergeschlagenheit, der Frustration in sich aufsteigen. Was ist passiert? Warum war er überhaupt hier? Was war schief gelaufen?! Vorhin verlief seine Welt noch in einer geregelten Bahn, in seiner, von Lenny gewünschten Struktur und Ordnung. Sein Leben war vorhersehbar. Er hatte Ziele und verlor diese nicht aus dem Auge. Er wollte es im Basketball zu etwas bringen. Und er tat alles dafür, sein Ziel, einmal in der NBA zu spielen, Wirklichkeit werden zu lassen. Er trainierte vier Mal die Woche. Am Wochenende brachten ihn seine Eltern zum Kadertraining und zu den Jugend-Ligaspielen. Dabei war er immer sehr fokussiert und konzentrierte sich auf das, was er gerade tat. Er hatte Spaß dabei, weil Basketball sein wirkliches Ding war. Es war seine Passion, seine Leidenschaft. Er baute seine Muskeln auf, indem er täglich seine 100 Liegestütze absolvierte. Und er wollte auch in der Schule zu den Besten gehören. Irgendwann würde es mit 37 – 40 Jahren vorbei sein. So wie Dirk Nowitzki gerade in diesem Alter die Puste ausging, sich auch ein Michel Jordan im Alter von 40 Jahren aus dem NBA-Zirkus verabschiedet hatte. Wie viele junge Basketball-Talente hatten sich auf ihrem Weg nach Oben gefährlich verletzt, mussten teilweise pausieren und fanden dann nicht zu ihrer bisherigen Leistung zurück. Sie fühlten sich als Versager, wenn das Leben sie aus der Bahn warf.

      Lenny kannte dieses Gefühl der Frustration, wenn er merkte, dass etwas in seinem Leben nicht so lief, wie er es sich vorgenommen hatte. Wenn er selbst Fehler machte oder auf Probleme stieß, dann tauchten da ganz schnell negative Gedanken und Gefühle auf. Und oft geriet er dabei in einen negativen Strudel und plötzlich klappte gar nichts mehr. Sein Vater hatte ihn einmal in einer solchen Situation beiseite genommen. Sie hatten sich in Lennys Zimmer zurückgezogen und die Tür hinter sich verschlossen. Sein Vater hatte ihm dann erzählt, dass er selbst früher auch oft negativ und gestresst gewesen war, wenn etwas nicht nach seinem Willen lief. Auch er hatte sich dabei viele blaue Flecke geholt.

      Viele Menschen ergeht es ähnlich. Sie sind oft negativ, emotional, wenn etwas nicht klappt, wie sie es sich vorgestellt haben. Sie bekommen schlechte Laune, sind frustriert und lassen den Kopf hängen. Die meisten geben sogar auf und verlieren ihr Ziel aus den Augen. Eventuell ist es ihnen im Leben zu leicht gemacht worden. Wenn immer alles funktioniert, wenn die Eltern einem alles vorgekaut, alles aus dem Weg geräumt haben, wie sollten sie es dann lernen, zu kämpfen und nicht aufzugeben. Es war ein großer Irrtum, wenn die Menschen annahmen, alles was sie in ihrem Leben beginnen, "müsste" ohne Fehler, Reibungen, Schwierigkeiten ablaufen. Aber das Leben ist Zufall, Schöpfung, Veränderung. Daher kann nicht alles ohne Probleme ablaufen. Es lag bereits im Wortstamm des Wortes "PRO-blem“. Es ging immer um das PRO-aktive Angehen von Aufgaben und das Suchen nach Lösungen, um das Problem, die Herausforderung zu lösen.

      Es gibt bei der Realisierung eines Lebenszieles, einer Aufgabe immer Schwierigkeiten und Herausforderungen. Kein Weg verläuft auf der Luftlinie von A nach B. Es gibt im Leben nie den direkten Weg zum Ziel. Wer im Leben nicht bereit ist, einen Plan B aus der Tasche zu ziehen, wenn sein Ursprungsplan sich nicht realisiert, wird zum Verlierer. Denn er verliert sein Ziel aus den Augen. Er gibt auf, bleibt stehen und wird sich nie weiterentwickeln. Wer immer wieder ein Ziel, einen Traum aus den Augen verliert, entwickelt eine Gewohnheit des Aufgebens.

      Wer jedoch die Bewusstheit in sich trägt, dass das Leben immer wieder auch aus Herausforderungen besteht, um letztlich seine Träume zu verwirklichen, der macht es sich leichter. Er stellt sich darauf ein, dass es Schwierigkeiten geben wird. Er weiß ebenso, dass er seine dabei unwillkürlich entstehenden negativen Gefühle der Frustration und Niedergeschlagenheit gar nicht erst ausleben darf. Mit Negativität lassen sich keine positiven Ergebnisse erzielen. Beharrlichkeit und Leidenschaft sind die Zauberwörter. Wer die Herausforderungen annimmt und sich auf das Spiel einlässt, der kann sogar immer wieder Spaß daran haben, solche PRObleme und damit auch sich selbst, sein eigenes EGO, zu überwinden. Bei diesen Gedanken ging es Lenny wieder besser. Er würde auch diese Herausforderung, diesen augenscheinlichen Alptraum durchstehen. Alles würde sich auflösen und zum Guten wenden.

      Nach


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