Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks. Michael Schenk
Schwertmann der Hochmark, die Treppe heraufpolterte und Parem mit
seiner Schilderung erneut beginnen musste. Als er geendet hatte, herrschte für
einen Augenblick Schweigen. Schließlich nickte der Pferdefürst dem jungen
Pferdelord zu.
»Ihr habt Eure Pflicht wie ein echter Pferdelord erfüllt, mein Freund. Geht
nun und sorgt für Euer Pferd und für Euch selbst.« Garodem zögerte kurz.
»Und bewahrt Schweigen über das, was Ihr erlebt habt. Tasmund und ich
werden beraten, was zu tun ist.«
Enttäuscht verließ Parem den Raum. Gleichzeitig war er erleichtert, dass
Garodem seine Schilderung nicht weiter hinterfragt hatte und Parems
unrühmliche Rolle dadurch nicht ans Tageslicht gekommen war. Parem
wusste nicht, ob er dem durchdringenden Blick Tasmunds hätte standhalten
können. Aber die Ruhe Garodems und Tasmunds irritierte ihn. Warum schlug
der Herr jetzt nicht Alarm, sondern tat geradezu so, als ob er zunächst noch in
aller Ruhe frühstücken wollte? Begriff Garodem denn nicht, welche Gefahr
ihnen allen drohte?
Aber Garodem begriff die Gefahr durchaus. Er stand mit Tasmund vor der
großen Landeskarte der Pferdelords. »Die Signalkette der Feuer ist also
zerstört. Orks. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Brut nochmals ihr Haupt
erheben würde. Barbaren, Geächtete, meinethalben sogar Südländer … Aber
dass Orks erneut zu einer Gefahr heranwachsen würden …«
Garodem stieß ein leises Knurren aus. »Parem schilderte, dass Hunderte
von ihnen über den Pass vordringen. Ihr Schritt müsste sie in fünf Tagen vom
Pass bis nach Eternas tragen. Abzüglich des einen Tages, den Parem brauchte,
um sein Tier zu uns zu hetzen. Damit bleiben uns also vier Tage, um die Mark
zu warnen und die Wehrfähigen einzuberufen.«
Tasmund nickte. »Wir senden berittene Boten in die Gehöfte, mein Hoher
Lord. Mit Pferden zum Wechseln. Dann kommen sie schneller voran. Und
wir sollten das Signalfeuer Eternas’ entzünden. Viele Gehöfte und Orte liegen
in seinem Sichtbereich. Die Leute wissen, was es zu bedeuten hat.«
»Sendet Boten in die Stadt. Alle Wehrfähigen sind aufgerufen, dem Eid zu
folgen. Öffnet die Rüstkammer und stellt fähige Männer ab, die den
Einberufenen eine schnelle Auffrischung im Umgang mit ihren Waffen geben
sollen. Wer nicht Schwert oder Lanze führt, soll sich im Bogen üben. Das
alles muss schnell gehen, Tasmund, mein Freund.«
»Ich frage mich, wo diese Horde herkommt und was sie wirklich
bezweckt«, wandte Larwyn ein. »Vielleicht soll sie nur den Pass blockieren
und gar nicht gegen uns vorrücken.«
»Ja, weil sie uns hindern will, unseren Eid gegenüber dem König zu
erfüllen«, nickte Garodem. »Aber das werden wir rasch erfahren. Wir müssen
der Horde einen Aufklärungstrupp entgegenschicken, der ihre Absichten
erkundet. Hält die Horde nur den Pass, so will sie tatsächlich nicht die
Hochmark angreifen, sondern uns nur daran hindern, ins Land des Königs
vorzustoßen.«
Tasmund fuhr mit dem Finger die Karte entlang. »Kämen sie aus der
Reitermark oder Westmark, dann wären sie über die südliche Straße vom
Hammerturm heraufgekommen. Ich glaube nicht, dass sie dies riskiert haben.
Die Macht des Weißen Zauberers ist zu groß, er hätte sie zerschmettert. Es
kann aber auch sein, dass die Horde einen Umweg gemacht hat und zuerst
nach Westen ausgewichen ist, um dann gegen den Pass vorzustoßen.« Der
Erste Schwertmann wies nachdenklich auf eine dünne Linie, die ein Stück
südlich des Passes begann und dann nach Osten durch das Gebirge zur
Nordmark führte. »Oder könnten sie den verborgenen Pfad benutzt haben?«
»Den südöstlichen Pfad? Aus der Nordmark? Ich glaube nicht, dass die
Orks ihn kennen.« Garodem blickte zu der Wand hinter seinem wuchtigen
Schreibtisch hinüber. Dort stand seine Rüstung, die er seit vielen Jahren nur
noch zu zeremoniellen Anlässen getragen hatte.
Brust- und Rückenplatte des Harnischs waren aus rotbraun lackiertem
Metall und zeigten das Symbol des Pferdevolkes in Gold. Es war der gleiche
Panzer, wie ihn auch sein Bruder damals von ihrem Vater erhalten hatte.
Dazu wurden Arm- und Schulterschutz getragen, ebenfalls aus rotbraun
lackiertem Metall, und darunter ein dickes Wams in der dunkelblauen Farbe
der Hochmark. Und natürlich der grüne Umhang eines Pferdelords. Garodems
Helm war aus dunklem Metall und wies goldene Verzierungen und einen
flachen Kamm auf. Der Helm schützte den gesamten Schädel bis hinunter
zum Nacken, ließ jedoch das Gesicht, mit Ausnahme des Nasenschutzes, frei.
Sein Kamm auf dem Helm diente zum Schutz gegen den Hieb eines
Schwertes. Statt Helm und Schädel des Trägers zu spalten, sollte der Kamm
den Schlag abgleiten lassen.
Die Männer Garodems waren nur unwesentlich anders geschützt. Die
Schwertmänner der Wache trugen ebenfalls Rüstungen, wenn auch weniger
reich verziert als die ihres Herrn, und an ihren Helmen waren die langen
Rosshaarschweife als Zeichen ihres Status befestigt. Die eingezogenen
Wehrfähigen trugen dagegen meist nur lederne Rüstungen mit einem
Kettenhemd darunter. Während jedoch alle Schwertmänner durchgehend mit
Dolch und Schwert, Lanze und Bogen bewaffnet waren, führten die
Wehrfähigen alle Arten von Waffen, überwiegend aber Lanze oder Axt, mit
sich.
Doch egal ob Pferdefürst, Schwertmann der Wache oder einfacher
Wehrfähiger, alle Pferdelords trugen den grünen Umhang des Reiters und
führten stets den grünen Rundschild mit sich.
Garodem ließ seine Hand über die Konturen der Rüstung gleiten. »Wie
auch immer. Wir werden den Bestien entgegentreten. Ob in der Hochmark
oder an einem anderen Ort. Ihr, Tasmund, nehmt einen Beritt und reitet den
Bestien