Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
herbeigeführt hatte. Dies galt auch für Garwin, der einige Male tief
durchatmete und sich dann langsam im Sattel entspannte.
»Ich verstehe, Hoher Lord«, erwiderte der junge Reiter förmlich. »So will
ich denn dem Wimpel des guten Herrn Kormund folgen, als sei es Euer
Banner, Herr.«
Eine tiefe Kluft hatte sich zwischen Vater und Sohn geöffnet. Garodem
wurde dies mit einem Mal schmerzlich bewusst, und er las im Gesicht
Kormunds, dass auch sein alter Weggefährte es so sah. Kormund räusperte
sich, und seine Stimme klang beherrscht, als er sich wieder an die Männer des
Beritts wandte.
»Es ist an der Zeit, eine Ruhepause einzulegen. Die Pferde und wir können
eine Rast gebrauchen. Versorgt nun die Tiere und euch selbst, Ihr Herren. Am
Nachmittag werden wir dann den Stoß mit der Lanze üben.«
Der Beritt löste sich auf, und Garodem nickte dem Scharführer zu, um
dann sein Pferd neben das von Garwin zu lenken. Dessen Gesichtsausdruck
war schwer zu deuten. Garodem musterte seinen Sohn nachdenklich.
Äußerlich schien er das Ideal eines Pferdelords zu sein. Er war
hochgewachsen und von kraftvoller Gestalt, obwohl er erst siebzehn
Jahreswenden zählte. Erst einen Zehnmond war es her, dass er den Eid
abgelegt und den grünen Umhang der Reiter empfangen hatte. Sein Haar war
hell wie das der meisten Menschen des Pferdevolkes; er trug es schulterlang
und hatte es im Nacken mit einem Stoffstreifen zusammengebunden. Viele
der Männer taten dies, damit das lange Haar sie im Kampf nicht behinderte.
Die Andeutung eines Bartwuchses bedeckte das Kinn des jungen Pferdelords,
dessen Gesicht noch immer jungenhaft wirkte. Er trug die hellen, ledernen
Hosen eines Reiters und darüber ein rotbraunes Wams. Schwert und Dolch,
deren Griffe mit dem Handschutz in der Form des doppelten
Pferdekopfsymbols ausgeführt waren, hingen an seinem Gürtel. Eine Seite
des grünen Umhangs hatte er über die Schulter zurückgeschlagen, und die
Stoßlanze des Reitervolkes lehnte in seiner Armbeuge.
Garwin erwiderte den Blick des Vaters und löste die Hände vom
Sattelknauf. »Mit Eurer Erlaubnis, Hoher Lord, werde ich mich den Männern
nun anschließen.«
Garodem hatte bei seinem Sohn auf Verständnis und Einsicht gehofft, doch
als Garwin auch in Abwesenheit der anderen Männer noch die förmliche
Anrede benutzte, verfinsterte sich sein Gesicht erneut. »Tut das, Pferdelord
Garwin.« Als dieser sein Pferd herumzog, um den anderen zu folgen, hielt
Garodems Stimme ihn zurück. »Du bist mein Sohn, Garwin. Aber all die
Liebe, die ich für dich empfinde, verleiht dir keine besonderen Rechte. Im
Gegenteil. Eines Tages wirst du die Hochmark und diese Männer führen. Du
wirst die Verantwortung für ihre Zukunft und ihr Leben tragen. Sei dir dessen
bewusst, Garwin, mein Sohn.«
»Das bin ich.« Garwin zeigte ein Lächeln, aber es war ohne Wärme.
»Wenn Ihr mich nun entschuldigen wollt, Vater?«
Garodem nickte und folgte Garwin mit dem Blick. Sein Sohn ritt zu den
anderen Männern hinüber, die ihre Tiere an einem der Ställe versorgten. Der
Pferdefürst spürte Bewegung neben sich und sah den Schatten des Reiters.
»Er weilt unter den Männern, Kormund, mein Freund, aber er ist nicht bei
ihnen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Kormund sah den Pferdefürsten mitfühlend an. »Es gibt Augenblicke, in
denen ich froh bin, nicht die Verantwortung für einen Sohn oder eine Tochter
tragen zu müssen. Ich glaube, es ist leichter, die Klinge mit einem Feind zu
kreuzen, als sich dem eigenen Blut zu stellen, und sei es auch nur mit
Worten.«
»Du sagst es, mein Freund, du sagst es.« Die Kämpfe der Vergangenheit
hatten die beiden Männer zusammengeschweißt, und sie schätzten offene
Worte. Nur in der Anwesenheit anderer und wenn es die Tradition verlangte,
wahrten sie die förmliche Distanz. Garodem legte seine Hand auf den
Unterarm des Scharführers. »Es wäre gut, wenn die Männer dem nicht zu viel
Bedeutung beimessen würden.«
»Ich verstehe.« Kormund nahm den Helm mit dem Rosshaarschweif ab
und wischte sich Schweiß von der Stirn. »Aber das wird nicht leicht sein. Die
Männer kämpfen als Einheit, und sie leben auch so, Garodem, mein Freund.
Garwin fügt sich nur schwer ein. Etwas geht in ihm vor sich, das ich nicht
deuten kann.«
An den Unterkünften der Schwertmänner stieg dünner Rauch aus den
Kaminen der Kochstellen. Man begann das Essen vorzubereiten, aber
zunächst wurden die Pferde versorgt. Garodem blickte zur Burg hinüber.
Auch dort würde nun in der Küche Hochbetrieb herrschen, um die Männer,
Frauen und Kinder zu versorgen. Garodem wusste ein gutes Mahl zu
schätzen, aber ihm war der Appetit vergangen.
»Ein offenes Wort, Kormund, mein Freund. Meinst du, Garwin wird
irgendwann einmal die Männer führen können?« Kormund erwiderte den
Blick des Pferdefürsten und schwieg einen Moment. Garodem seufzte.
»Sprich frei, wir sind oft genug miteinander geritten.«
»Wer führen will, muss erst einmal zu folgen lernen«, sagte Kormund
zögernd. »Garwin ist ein guter Reiter und Kämpfer. Aber erst im Waffengang
wird sich zeigen, ob er sich bewährt und Größe hat.«
»Ja, du hast recht.« Garodem nickte. Er löste die Hand von Kormunds
Arm. »Ich will hoffen, dass genug von meinem Blut und dem der Pferdelords
in ihm fließt.«
»Er ist dein Sohn.«
»Manchmal wäre es leichter, er wäre es nicht.«
Sie trennten sich, und während der Scharführer zu den Männern
hinüberritt, lenkte Garodem sein Pferd in Richtung Burg. Wenig später betrat
er