Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
Breite des Gebäudes ein und wurde von dem wuchtigen Schreibtisch
dominiert, hinter dem in einem Gestell Garodems Rüstung stand. Einige
Schriftrollen, Tusche und Feder lagen auf der Platte bereit, die eine tiefe
Kerbe aufwies, Zeugnis davon, dass hier einst ein heimtückisches graues
Wesen versucht hatte, die Herrin Larwyn zu ermorden. Vor dem Schreibtisch
war eine dunkle Stelle am Boden, dort, wo Garwin vor einigen Jahreswenden
ein Fässchen Tinte umgestoßen hatte. Rechts an der Wand stand ein Regal, in
dem der Pferdefürst eine Reihe von Schriftrollen und Büchern aufbewahrte.
Gegenüber hing eine detaillierte Karte der Marken des Pferdevolkes, das
Geschenk der elfischen Freunde Lotaras und Leoryn. Direkt neben ihr war
eine Streitaxt befestigt, die mit fremdartig wirkenden Gravuren und
Einlegearbeiten versehen war. Der Zwergenkönig Balruk, Herr der grünen
Kristallstadt Nal’t’rund, hatte sie Garodem zum Geschenk gemacht.
Einige gepolsterte Stühle standen im Raum, dessen Rückwand mit Holz
getäfelt war. Dort führte eine Tür in die Privatgemächer und zum Signalturm.
Früher hatte Garodem es geschätzt, wenn seine Scharführer und
Schwertmänner den Weg durch seinen Arbeitsraum nahmen und er so die
Gelegenheit erhielt, immer wieder mal ein paar Worte mit ihnen zu wechseln.
Nun benutzte der Wachmann des Signalturms jene Tür, die das Haupthaus
und den Turm mit der westlichen Wehrmauer verband.
Larwyn hatte den Ersten Schwertmann Tasmund gerufen, und nun saß der
Vertraute und Freund des Pferdefürsten in einem der Stühle. Als Garodem die
Tür hinter sich schloss, erhob er sich ehrerbietig, aber der Pferdefürst winkte
ab. »Bleib sitzen, mein Freund. Unsere Knochen sind zu alt, als dass wir uns
in sinnlosen Verrenkungen ergehen sollten.«
Tasmund lächelte freudlos. »Du ergehst dich zu oft in Gedanken über
deine schwindende Jugend.«
»Findest du? Offen gesagt ist es Garwin, der mich an meine schwindende
Jugend gemahnt. Wenn Kinder heranwachsen, erfüllt es die Eltern mit Stolz,
aber zugleich ist es ein Zeichen dafür, wie vergänglich wir sind.«
Der Erste Schwertmann der Hochmark hatte noch immer die schlanke
Figur eines Reiters, aber im Gegensatz zu den meisten Männern besaß er
tiefschwarze Haare. Falten hatten sich um seine Mundwinkel und Augen
herum gebildet, die von den Erlebnissen vieler Jahreswenden zeugten. Er saß
ein wenig schräg auf dem Stuhl, eine Folge davon, dass er unbewusst
versuchte, seine rechte Schulter zu entlasten.
»Schmerzen?« Garodem wies auf Tasmunds Schulter und umrundete dann
seinen mächtigen Schreibtisch, um dahinter Platz zu nehmen.
»Das Wetter schlägt um. Die kalten Winde kommen, und der Herbst
kündigt den schweren Winter an«, brummte Tasmund. »Jede Narbe, die wir
erlitten haben, bekundet, dass wir einen sehr kalten Winter bekommen
werden.«
Garodem nickte mitfühlend. Tasmunds rechte Schulter war einst beim
Kampf um Eternas zerschmettert worden. Nur der elfischen Heilkunst
Leoryns hatte er es zu verdanken, dass er sie noch bewegen konnte, auch
wenn der rechte Arm ein wenig steif geblieben war. Zu der Zeit, als
Merdonan von den Orks angegriffen wurde, hatte Tasmund mit Nedeam und
anderen Pferdelords zur Befreiung des elfischen Hauses Deshay beigetragen
und dabei eine weitere schwere Verletzung erlitten, die ihm der Dolchstoß
einer verwandelten Elfin zugefügt hatte. Man hatte den Schwerverletzten
nach Eternas gebracht, wo er dank der Heilerin Meowyn wieder genesen war.
Doch aufgrund dieser weiteren Verletzung konnte sich Tasmund kaum noch
in den Sattel heben, zu groß waren dabei die Schmerzen. Selbst Meowyn, die
bald nach seiner Genesung seine Frau geworden war, konnte dem nicht
abhelfen.
»Tasmund, mein Freund, ich muss eine wichtige Angelegenheit mit dir
besprechen.« Garodem legte die Fingerspitzen seiner Hände aneinander und
sah den Ersten Schwertmann eindringlich an. »Es geht um die Anforderung
unseres guten Königs Reyodem.«
»Das Gold?« Tasmund lächelte. »Die Menge fällt kaum ins Gewicht. Wir
haben genug davon.«
»Ich weiß.« Garodem erwiderte das Lächeln seines Freundes. »Er soll
davon bekommen, soviel er braucht. Als ich vor einigen Tageswenden im
Hammergrundweiler war, traf ich dort einen Mann aus der Königsmark, der
Näheres zu berichten wusste. Das Gold soll nicht zum König nach Enderonas,
sondern nach Gendaneris gebracht werden.«
»Gendaneris?« Tasmund runzelte die Stirn. »Das liegt im Reich der
weißen Bäume. Warum dorthin?«
»Es geht wohl um die Schüsselchen, die der König von Alnoa als Währung
herstellt.«
»Das wird aber eine verdammt große Menge an Schüsselchen ergeben«,
brummte Tasmund. »Warum schaffen wir das Zeug dann nicht nach Alneris?
Dort befinden sich doch die Hersteller der Schüsselchen.«
»Ich weiß es nicht. Reyodem hat offenbar eine Anfrage aus Gendaneris
bekommen. Von einem der dortigen Händler.« Garodem erhob sich und trat
an die Landkarte. »Vielleicht wollen sie das Gold mit Schiffen nach Alneris
bringen.«
»Das wäre viel zu umständlich.« Tasmund trat neben den Pferdefürsten.
»Der Transport mit dem Gold geht von uns aus nach Süden und muss dann
hier«, er tippte mit dem Finger auf die Karte und fuhr dann ein Stück weit auf
ihr entlang, »die Straße nach Südosten nehmen. Dort liegt schon Alneris. Und
dort, viel weiter im Westen, liegt Gendaneris. Ein gewaltiger Umweg also,
zeitraubend und mühsam mit der schweren Ladung.« Er sah seinen Freund an.
»Warum holt der Händler es nicht ab?«
»Es ist ein weiter und für die voll beladenen Wagen beschwerlicher Weg.
Glücklicherweise