Drachenkind. . . .

Drachenkind - . . .


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Explosion ließ Boden und Luft beben. Der Fremdkörper bohrte sich mit roher Gewalt in den Grund, trieb mehr und mehr des Bodens in alle Richtungen davon, ganze Fetzen des Waldes erhoben sich und brachen wie eine vernichtende Welle über ihrer Umgebung zusammen. Als die sich auftürmenden, brennenden Massen Eric fast erreicht hatten, verschwand das Bild und langsam nahm der See um ihn herum wieder Gestalt an.

      Eric guckte sich um und hatte gar keine Zeit, sich zu fragen, warum er plötzlich diese Bilder erfuhr. Er saß mitten in dem großen See, der von hieraus fast wie ein Meer wirkte. Nur die grüne Wand aus Bäumen, die ihn in weiter Ferne umgab, erinnerte an einen See im Wald. Schließlich fiel sein Blick auf seine Krallen, die sich tief in den weichen Stein gegraben hatten. Er kratzte ein wenig herum, scharrte und schnüffelte. Es war eine dünne, pulvrige Schicht zu spüren und der Stein roch nach Eisen, leicht verbrannt. Er saß also auf einem fremden und ziemlich großen Objekt, das hier vor Urzeiten auf den Planeten geprallt war. Und diese Gewalt hatte einen gigantischen, neuen Lebensraum geschaffen. Die Fruchtbarkeit der näheren Umgebung wäre somit erklärt. Vielleicht lag der Stein auf einem kleinen Vulkan, der durch den Aufprall ausgebrochen war. Aber wie konnte dieser Brocken perfekt viereckig sein? Das legte nahe, dass intelligentes Leben dieses Objekt hervorgebracht hatte, denn Kristalle, welche in solch rechtwinkligen Strukturen wuchsen, würden nie zu solch großen Gebilden heranwachsen und vor allem die Gewalt eines solchen Aufpralls nicht einfach überstehen. Erneut kratzte Eric mit den Krallen über die Oberfläche. Kein Kristall, also keine natürliche Form. Jemand hatte dieses Objekt willentlich erschaffen oder geformt. Er blickte zum Himmel. Warum eigentlich nicht? Er saß auf einem fremden, mit vielfältigem und komplexem Leben überzogenen Planeten. Selten war es ihm wahrscheinlicher oder natürlicher vorgekommen, dass es noch viel mehr solcher Planeten und vermutlich auch hoch entwickelte Zivilisationen geben musste. Er fragte sich, wie lange es her sein mochte, dass dieser gewaltige Kubus hier die Grundlage für einen See geschaffen hatte. Millionen oder Milliarden Jahre? Unwichtig. Er saß doch gemütlich, also war das Alter des Objektes völlig egal. Zumindest, solange er nicht forschen wollte. Eric hielt inne. Relativität. Es kam auf die Situation und den Betrachtungswinkel an, ob das Alter jetzt eine Bedeutung hatte oder nicht. Wobei Bedeutung schon wieder ein Wort oder vielmehr eine Idee war, welche so unglaublich schwierig zu definieren war. Eric nickte abwesend. Ein weiterer Schritt.

      Hunger, Durst. Als Eric von Neugier überflutet an der pulvrigen, schwarzen Substanz des Quaders leckte, erstarrte er augenblicklich. Körper und Geist reagierten mit einem Mal so heftig auf den verkohlten Brocken, dass er sich keinen Meter mehr bewegen konnte. Das blaue Feuer in ihm wurde blendend hell, die Hitze schoss ihm durch den Kopf wie ein Orkan und seine Flügel erglühten kurz beißend hell und heiß. Seine Umgebung wich einer anderen, Eric sah einen Sturm schwarzen Staubes, durchsetzt von höllisch heißen und dünnen Feuerwirbeln und Strömen aus Licht, welche sich in einem einzigen Punkt sammelten. Ein kleiner, schwarzer Drache stand auf dem felsigen Boden eines Tals, welches ausschließlich aus diesem dunklen Gestein bestand. Er schien die Felsen zu zersetzen, plötzlich explodierten die unüberschaubar hohen Felswände und verwandelten sich ebenfalls in das, was wie ein schwarzer Sandsturm aussah. Es war, als wollte der Staub ihm entkommen. Doch das kleine Tier ließ nicht nach, wanderte unaufhaltsam vorwärts und zog die schwarzen Massen an wie ein übermächtiger Magnet. Es absorbierte jene finstere Energie darin bis aufs Letzte und hinterließ nichts als toten, tiefschwarzen Schutt und Sand. Eric erkannte eine Art Kern im Inneren des Drachen, bald das Einzige, was blau glimmend in der Dunkelheit zwischen den vereinzelten, merkwürdigen Feuern zu sehen war. Das dunkle Wesen wuchs mit jedem Schritt, die Augen begannen, brennend heiß zu glühen.

      Als die Spannung nachließ, fiel Eric beinahe hin. Einer seiner Flügel klatschte auf die Wasseroberfläche und als er ihn erschrocken anhob, rannen dicke Ströme des Wassers wie heiße Wasserfälle herunter. Eric war sich sicher: Das war eine Erinnerung. Keine Einbildung, keine visualisierte Angst oder eine Art Warnung. Es war Vergangenheit, er spürte es, klammerte sich fest an diese Gewissheit und begriff dennoch nicht, was er gerade gesehen hatte. Schlagartig entschied er sich, dies für sich zu behalten, war sich mit dem Drachen absolut einig, dass niemand diese Erinnerung sehen durfte. Denn was auch immer er da gerade gesehen hatte, es zeigte ihn selbst, als er noch jünger war. Als der Drache noch viel kleiner war. Und das müsste eigentlich unmöglich sein, wollte man dem glauben, was er als Mensch bisher erlebt hatte. Eric richtete sich wieder auf, sein Feuer ließ den Stein unter ihm leicht schwelen, das Wasser in unmittelbarer Nähe war kochend heiß. Er trank einen Schluck, dann machte er sich auf den Rückweg, erfasst von einer seltsamen Spannung und Klarheit. Wieder und wieder ließ er die feurigen Eindrücke in sich kreisen, verinnerlichte jedes Detail und jedes Bild, hielt daran fest und versuchte, die Urgewalt an Eindrücken zu entziffern. Erneut spürte er ein betäubendes Kribbeln im Kopf. Die Erinnerung wurde schwächer.

      Kapitel 19

      Langsam kamen die Anbauflächen zwischen den Bäumen in Sichtweite und Eric sah sofort das große Getreidefeld mit dem kleinen Krater. Erst jetzt erkannte er bewusst, wie groß die Pflanzen waren. Nun würde er dort wohl kaum landen, er suchte nach dem hellen Glitzern, welches er während ihres Sturzfluges erhascht hatte. Überall zwischen den mehr oder weniger dicht stehenden Bäumen waren Häuser, Hütten und Felder angelegt, wunderbar geschützt im Wald und dennoch gab es genug Sonne dort unten. Je weiter man sich ins Waldesinnere bewegen würde, desto dichter stünden wieder die Bäume und schon bald wäre man von oben nicht mehr zu sehen. Als er etwas höher stieg um den Winkel zu möglichen Sonnenreflektionen zu ändern, blitzte in der Ferne tatsächlich ein heller Punkt auf der riesigen Lichtung im Wald, etwa einen Kilometer entfernt. Eric sah genauer hin, erkannte Gebäude und Bewegungen dazwischen. Menschen. Stumm änderte er die Richtung und näherte sich. Er war zwar auf Luftlinie nicht mehr weit weg, flog aber einige Kilometer hoch und so war es doch noch ein ganzes Stück. Da gerade kaum Wolken im Weg waren, beschloss Eric, vorerst oben zu bleiben. Er wollte nicht gesehen werden.

      Nach den Feldern war eine Obstplantage angelegt, alles aneinander angrenzend und von der Plantage, auf der eine Menge großer Bäume und Stauden standen, führte ein langer Weg direkt zur Stadt. Die Häuser, welche eher den Ferienwohnungen aus Skagen ähnelten, waren zum Teil aus Lehm gebaut, andere aus Holz oder Stein. Es gab kaum einen offensichtlich einheitlichen Stil, als wären zig verschiedene Kulturen und Lehren auf einer Lichtung vereint. Genau in der Mitte der Stadt stand ein riesiges Bauwerk, erhoben auf einem großen Hügel. Es sah zu Erics Erstaunen selbst nicht sehr hoch aus, im Vergleich zu seinen sonstigen Ausmaßen. Rund um das Bauwerk führten mehrere breite Treppen den Hügel hinunter, auf jeder der Treppen bewegten sich die Menschen nach oben oder zurück in die Stadt. Auf dem Dach befand sich eine komplexe und gewaltige Spiegelkonstruktion, welche offensichtlich genau das war, was Eric von weitem hatte glitzern sehen. Als er auf seiner langsamen Kreisbahn weiterflog, erkannte er, dass jenes Gebäude von Säulen gestützt wurde, die denen aus Griechenland oder Rom sehr ähnlich waren. Sie schienen im Boden zu versinken. Ein großes Portal wurde sichtbar und langsam erkannte Eric detailliert und scharf einige Menschen, die sich auf den sandigen Wegen der Stadt bewegten. Vielleicht war das der Tempel, an welchen jemand in seinem letzten Traum gedacht hatte. Sofort begann er, die Umgebung nach Merkmalen aus dem Traum abzusuchen. Als die letzte Wolke sich langsam auflöste und er einen riesigen Krater entdeckte, wurde ihm mulmig zumute. Schließlich begann er doch, sich dem Boden zu nähern.

      Eric war immer noch knapp fünfhundert Meter vom Zentrum entfernt und segelte nun in kaum zwei Kilometern Höhe langsam weiter. Klänge aus der Stadt wurden deutlicher und seine Augen erkannten plötzlich die von Seath, jener Frau, welcher er in seiner Vision gefolgt war. Sie goss gerade die Pflanzen vor einer Hütte, vielleicht ihrer eigenen. Die Sonne, welche schon etwas tiefer stand, warf einen riesigen Schatten, der schnell über den Boden huschte. Sie bemerkte es doch konnte den Urheber gegen das Sonnenlicht nicht sehen. Er kreiste über der dicht bebauten Lichtung, beobachtete Strukturen und die Netzwerke aus verschieden beschaffenen Wegen. Ihm wurde klar, dass jenes riesige Gebäude mit den Spiegeln tatsächlich exakt im Zentrum der Lichtung lag und von großen, freien Grasflächen umgeben war, auf denen sich nur vereinzelt winzige Hütten befanden. Zu klein, um drin zu wohnen. Was wohl darin war? Egal. Sieben breite und helle Wege führten gerade vom Zentrum, dem Tempel, in alle Richtungen und fächerten sich später in kleinere Abzweigungen


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