Drachenkind. . . .

Drachenkind - . . .


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Bloß nicht gewaltsam träumen, dachte Eric. Wohltuender Halbschlaf stellte sich ein und das Bild von Mia erschien in seinen Gedanken.

      »Schön, dass du eine Lösung gefunden hast. Aber sei vorsichtig. Halte dich von Gewittern und Stürmen fern. Gute Nacht, ich werde auch schlafen.«

      Kapitel 16

      Manou und seine Krieger huschten durch den Wald. Kein Ast bewegte sich unter ihren Füßen, kein Vogel rührte sich. Genau das Gegenteil eines normalen, frühen Morgens. Der Herrscher war wirklich mächtig.

      Dieser Teil des Ewigen Waldes grenzte direkt ans Meer und erstreckte sich über mehrere tausend Meilen in jede Richtung. Dann kämen andere Teile des Forstes, unüberschaubar in Vielfalt und Ausdehnung. Hier lebten jedoch die meisten der verbliebenen Menschen und Tiere, welche sich noch nicht ergeben wollten. Doch das würde sich bald ändern, da war sich Manou sicher. Denn er selbst würde dafür sorgen. Die Gestalten hinter ihm unterhielten sich leise mit einander, freuten sich auf den nächsten Anschlag. Gleich hätten sie Malaan erreicht, eine der einflussreichsten Städte und Zentrum der Zivilisation. Zufluchtsort für alle freien Menschen und Wesen aus umliegenden Gebieten des Waldes. Eine Hochburg des Widerstandes, Ursprung der stärksten Allianz zwischen wilder Natur und zielstrebiger, sozialer Intelligenz. Ein Hindernis und Ärgernis für den Herrscher, seit Anbeginn der Menschheit in dieser Welt. Doch schon bald würde die Stadt fallen. Zweifelsfrei ein selbst gemachtes Schicksal. Heute käme nur eine Warnung, schmerzhaft und bitter, gewaltig. Denn anders lernten sie nicht. Nur mir Schmerz.

      Der lange Wanderstab in seinen Händen machte ihn gefährlich, Manou fühlte sich groß, stark und unbesiegbar. Er war schon gar kein richtiger Mensch mehr, in den letzten Tagen hatte sich vieles zu seinen Gunsten verändert, gierig und gehorsam studierte er die Künste und Mächte der Finsternis. Was waren schon die Regeln? Niemand hielt Manou, den treuesten Diener der Sechs, einfach so auf. Niemand! Sie wehten an den ersten Häusern und Hütten vorbei, lautlos und ungesehen näherten sie sich dem Stadtkern. Minuten später erschien endlich die Lichtung im Dämmerlicht der ersten, warmen Sonnenstrahlen. Es blieb sehr still, die meisten der jämmerlichen Menschen mussten sich in ihre Hütten zurückgezogen haben und würden erst später ihren Tag beginnen. Manou lachte. Heute garantiert früher als sonst, denn Feuer wartete nicht. Sie waren verwundbar wie Faultiere, schwach wie Fliegen und doch waren sie lästiger als jede Art von Parasiten oder Schwärmen. Aber sie ließen sich entfernen, Stück für Stück. Er dachte nach. Das heutige Ziel? Jene Gebäude, in welchen die Jugendlichen sich aufhielten, Kinder und Heranwachsende. Sie waren potenzielle Gegner und hatten somit in Manous Zukunft keinen Platz. Er gab seinem Gefolge ein Zeichen und sie verflüchtigten sich wie Dampf.

      Kaum noch sichtbar verließen sie den Waldrand und schlichen durch die Stadt, immer weiter in Richtung Zentrum, vorbei an den vielen verschiedenartigen Hütten und Häusern. Ein unerfahrener Wolfshund bellte wütend und mit einem Schwung des Stabes, der rot zu glühen begann, verstummte das Tier für immer. Manous Männer lächelten. Bevor man sie entdeckt hätte, wäre alles längst getan. Endlich, nach vielen leisen Schritten über die sandigen Wege, kamen sie zu einem der größten Gebäudekomplexe. Hier befand sich der Nachwuchs. Die Jugend dieser Hölle, bereits jetzt indoktriniert und somit an die Illusion von Licht und Recht verloren, sowie Asylanten aus fernen Gebieten. Abschaum, dachte Manou. Auch gab es in diesem riesigen Bereich Schulen und andere ähnlich naive Dinge.

      Manou blieb stehen, während sein Geleit ihn sorgfältig bewachte und von der Umgebung abschirmen würde, sollten sie doch rechtzeitig entdeckt werden. Mit beiden Händen hob er den kunstvoll verzierten Stab über den Kopf und schloss die Augen, ignorierte konzentriert den Schmerz an seinem linken Arm, wo sich eine Narbe vom Handrücken bis zur Schulter zog. Ein Geschenk des Drachen, wie Manou zu sagen pflegte. Der Drachenjunge hätte ihn lieber gleich töten sollen, doch so war das eben mit den Menschen. Sie gaben einem noch eine Chance. Immer wieder. Sie lernten einfach zu langsam. Die Sechs hatten ihn geheilt, doch die Verletzung kam ohne ständige Behandlung immer wieder zum Vorschein, wäre bei längerer Unachtsamkeit garantiert tödlich und würde ihn qualvoll richten. Ein letzter Gedanke an die Belohnung, die ihn nach dieser Tat erwartete, dann rief Manou alle Kräfte des Rates und des Herrschers zusammen und richtete das dicke Ende des Stabes auf die Bauten.

      Seath, die Großmeisterin der Stadt, kam gerade mit einem Korb voller Äpfel von der Plantage zurück. Die frühe Ernte war die beste. Diese ständig wechselnden Lichtverhältnisse ließen die Erträge von Jahr zu Jahr kleiner werden, aber sie reichten vielleicht noch, um dieses Jahr die Speicher zu füllen. Bald würde es keine genießbaren Süßäpfel mehr geben, falls die Gärtner keine Lösung finden und die Gewächse robuster machten könnten. Als sie bemerkte, wie plötzlich alles Leben in den Bäumen und dem umliegenden Wald verstummte, beeilte sie sich zurück. Deutliche Anzeichen drohender Gefahr und Gewalt. Sie schickte jeden zurück zum Tempel, der sich nicht allein würde verteidigen können. Als sie das Gebäude fast erreicht hatten, bebte die Erde. Der Staub auf Dächern und Wegen überall in der Stadt wurde aufgewirbelt und ein markerschütternder Knall, begleitet von einer brutalen Druckwelle, riss sie von den Füßen und schmetterte sie hart gegen die Mauer einer kleinen Hütte.

      Ein warmes Glimmen vor ihren Augen weckte sie, Seath schreckte auf und stellte sich sofort hin. Die Bewusstlosigkeit musste sehr kurz gewesen sein, die gewaltige Explosion trieb gerade einen flammend wuchernden Rauchpilz in den rötlichen Morgenhimmel. Ein tobendes Feuer begann rasch und erbarmungslos um sich zu greifen und in der finster verrußten, staubigen Luft alles in warmes Licht zu tauchen. Der schwarze Qualm begann bereits, die ersten Überlebenden zu ersticken. Seath streckte den linken Arm aus und konzentrierte sich, verscheuchte den Qualm und die Asche mit einem heftigen, magischen Aufwind. Dann lief sie zu der Stelle, an der sie das Unglück vermutete.

      Als sie um die Ecke einer schwer beschädigten Mühle bog, blieb sie wie festgewachsen im erhitzten Sand stehen, auf dem sich eine dünne Glasschicht gebildet hatte. Vor ihr befand sich ein beachtlicher Krater. Riesig und tief, groß genug, um tausende Schafe darin unterzubringen. Die wenigen verkohlten Überreste der großen Jugendhütten, Schulen und Unterkünfte für Besucher und Flüchtlinge lagen weiträumig verstreut im verbrannten Gras, rundherum um den Krater. Großflächig knisterten schwelende Leichenteile in Sand und Asche, Überreste von Mensch und Tier. Ein fast vollständiges Gesicht lag ein paar Meter neben ihr, die Haut war einfach vom Schädel gerissen worden. Seath schloss kurz die Augen, um blinzelnd das penetrante Brennen des Qualmes loszuwerden. Durch den beißenden Rauch, welcher von ihrem künstlichen Wind noch immer abgetragen wurde, sah sie auf der anderen Seite des Kraters eine kleine Gruppe vermummter Gestalten. Eine davon hielt einen Stab in der Hand. Sie verflüchtigten sich, verschwanden mit dem Qualm.

      Manou hatte sie schon wieder angegriffen und mit diesem Anschlag über eintausend Kinder, Jugendliche und verschiedenste Tiere ermordet. Wie waren sie so schnell und unbemerkt hierhergekommen? Das war eigentlich unmöglich. Seath sah sich um, doch es war klar: Überlebende gab es innerhalb des Kraters keine mehr. Überall kamen Menschen und Tiere aus ihren Heimen, durch die Druckwelle verletzte rappelten sich auf, flohen vor dem Feuer oder begannen, es zu bekämpfen. Im Angesicht dessen, was sie hier gerade verloren hatten, fühlte sich das jedoch erdrückend sinnlos an.

      Kapitel 17

      Eric öffnete erschrocken die Augen. Es war deutlich heller geworden, musste früher Morgen sein. Der Traum hatte ihn aus seinem Halbschlaf gerissen. Verzweiflung durchfloss seine Gedanken und er verschloss sie. Dieses Mal war er sich sicher: Nachdem sich bereits bei ihrer Abreise ein Splitter dieses Traumes willkürlich und blitzhaft gezeigt hatte, musste das nun die tatsächliche Sicht auf etwas gewesen sein, das entweder gerade geschehen war oder noch kommen würde. Vom Gefühl her musste es sich kurz vor seinem Erwachen abgespielt haben oder passierte gerade jetzt, denn die Lichtverhältnisse waren fast exakt so, wie er sie gerade mit offenen Augen sah. Was zusätzlich bedeutete, dass der Ort des Ereignisses nicht sehr weit weg sein konnte. Und er kannte den Mörder, der den Traum verursacht hatte. Manou hatte sich verändert und seine Kräfte waren nicht mehr mit denen vergleichbar, über welche er noch verfügte, als Eric ihn eingefangen und ausgehorcht hatte. Schuldgefühle. Eric sah sich um. Alles


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