Alvine Hoheloh. Amalia Frey

Alvine Hoheloh - Amalia Frey


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      Für wahr, Alvine fühlte sich bezaubernd. Das Kleid, ein blassgoldglänzender Traum mit kleiner Schleppe, einer senkrechten Reihe niedlicher brauner Schleifen am Rücken und rechteckigem Ausschnitt sowohl vorne als auch hinten, hatte sie sich schon Monate im Voraus ausgesucht. Es ließ ihre lohbraune Haut strahlen, im Gegensatz zu den Anzügen ihrer Brüder, die hellhäutigeren Männern mehr geschmeichelt hätten. Alvines Haar hatte Greta locker wenngleich aufwendig zu einem üppigen Knoten aufgesteckt und zwei lange Strähnen ihrer quirligen Locken vom Nacken über das Dekolleté entlang drapiert, die erst eine halbe Elle unterhalb ihrer Brust endeten.

      Dennoch mutete ihr der Rausch, mit dem ihre Brüder sie lobten, deplatziert an.

      »Ihr habt nicht geheiratet, um nach wie vor für mich die meisten Komplimente vom Stapel zu lassen«, gab sie also zurück.

      Scherzhaft verneigten sich die Stammhalter vor ihr und widmeten sich wieder ihren Frauen, die ihrer Schwägerin dankbare Blicke schenkten.

      »Sieh, dort ist Elfriede Fürstenberg. Dann kann der Rest der Sippe auch nicht weit sein«, rief Dorothea Alfred zu.

      Alvine hatte letztendlich beschlossen, sich höflich und distanziert zu verhalten, und sollte der Junior ihr zu aufdringlich werden, könne sie ihm wohlwollend einen Korb geben. Sie wusste, würde sie sich heute Abend, an dem die Wände Augen und Ohren hatten, daneben benehmen, stünde ihrem Vater ein äußerst schwieriges Geschäftsjahr bevor. Mit aller Macht hielt sie ihre Gesichtszüge in Schach, als sie Heinrich Fürstenberg erblickte. Ein unförmiger Greis mit hängenden Wangen und schlurfendem Gang lief hinter der sichtlich jüngeren, hageren, aber freundlich aussehenden Elfriede, die ihre Mutter beschwingt begrüßte.

      Dann fiel ihr ein: Sie hatte vergessen, zu fragen, wie alt der Sohn war.

      »Oh, sieh nur, offenbar haben sie sich gefunden.«

      »Hm?«, machte Theodor, bereits eine Flasche Rotwein und einige Portionen Pudding intus und angetan von den damenhaften Ausblicken.

      »Hohelohs! Nun steh da nicht so rum. Halt mir den Rücken frei, ich muss einer alten Jungfer das Herz brechen«, fauchte Konrad.

      »Ja doch.« Theodor, der an einem Tisch gelehnt stand, stieß sich ab und lief dem Bruder mit lustloser Miene nach.

      Dann erblickte er sie.

      »Guten Abend, Frau Fürstenberg. Das ist unser jüngstes Kind und unsere einzige Tochter, Alvine.«

      Alvine knickste pflichtbewusst schüchtern vor ihr, die positiv angetan lächelte. Ebenso schmunzelte Heinrich. War es Erleichterung in seinem Blick oder gar Lüsternheit? Sie wollte es gar nicht wissen und knickste auch vor ihm kurz, während er ihr zwei Sekunden zu lange die Hand küsste.

      »Fräulein Alvine, hocherfreut«, sagte Frau Fürstenberg, »und das ist mein Sohn …«

      Ein Jüngling schnellte dazwischen und ergriff sich verneigend ihre Hand: »Theodor Fürstenberg. Ich bin zutiefst erfreut, Fräulein Hoheloh, Sie endlich kennenzulernen.«

      Der Hüne küsste ihre Hand so zärtlich, als wären seine Lippen ein Schmetterling. Alvine, deren Blut einmal in ihre Füße schoss, dann in den Schädel und schließlich ins Herz, sah ihn wie vom Donner gerührt an, ehe sie stotterte: »Sie … Sie sind das? Ich hatte keine Ahnung, Herr Fürstenberg …«

      »Die Überraschung ist ganz meinerseits …«

      »Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen«, gab sie daraufhin, halbwegs zur Orientierung zurückgekehrt, zurück.

      »Wäre es wohl anmaßend, wenn ich Sie gleich um diesen Tanz bitte?«

      »Oh ich … mit Freuden gern«, lächelte Alvine.

      Keine Sekunde ließen sie einander aus den Augen, sie schienen nicht einmal zu blinzeln, während er sie mit flirrender Hand zu den anderen tanzenden Paaren geleitete.

      Die übrigen Familienmitglieder Hohelohs und Fürstenbergs hatten die Szene mit offenen Mündern beobachtet, Dorothea fing sich als Erste wieder. »Elfriede, Sie haben mir Ihren zweiten Sohn ja gar nicht vorgestellt« probierte sie, die Angelegenheit zu retten, »er scheint mir ebenso ein schmucker …«

      Ehe sie enden konnte, hatte Fürstenberg Senior sich gefangen und polterte: »Soll das ein Witz sein? Dieser nichtsnutzige Kurmacher? Ich werde …«

      »Heinrich, bitte«, hielt Elfriede ihn zurück.

      Nun sahen Fürstenbergs peinlich berührt zu den Hohelohs, aber Dorothea lächelte freundlich: »Lassen wir sie erst einmal tanzen, danach wird er uns sicher erklären, was es damit auf sich hat. Wie hieß er doch gleich?«

      »Theodor«, antwortete Elfriede nicht ohne Stolz.

      »Theodor, Theodora oder Dorothea …«, Rebecca strahlte ihre Schwiegermutter an, »das heißt doch 'Geschenk Gottes'.«.

      »Die Elfe und das Gottesgeschenk? Scheint mir eine lohnenswerte Mischung zu sein«, schloss Marie sich an.

      Nur die Herren Hoheloh blieben zu Salzsäulen erstarrt.

      Alvine wurde von Theodor entschlossen und gleichfalls behutsam über die Tanzfläche geführt. Sie sprachen nicht einmal miteinander und nahmen außer sich und ihren jubilierenden Herzen um sich herum nichts wahr. Sonst wäre ihnen aufgefallen, dass sie ein Paar waren, das jedwede Blicke auf sich zog, mehr noch, als sich im Saal herumsprach, welcher Familien Spross sie waren. In diesem Moment betrat das Ehepaar Caspari die Bildfläche, bereit, ihre Lobhuldigungen für dieses Jahr in Empfang zu nehmen. Wie sie feststellten, waren sie allerdings bei Weitem nicht die Hauptattraktion.

      »Dorothea …«, Alfred flüsterte seiner Gattin ins Ohr, »würdest du mir bitte erklären, was da gerade passiert ist?«

      »Um das zu verstehen, mein Liebling, müssten diese beiden es erst selbst begreifen.«

      Ihre Tanzschritte passten sich an, sobald ein neues Lied gespielt wurde und der Takt sich änderte. Wahrnehmen, taten sie jedoch nichts davon.

      Alvine suchte immer wieder nach einem Gesprächsfaden, an dem sie anknüpfen konnte, aber entgegen ihrer Natur erschien ihre Wortgewandtheit aufgebraucht, so ihr drei zusammenhängende Gedankengänge gelangen. Sie konnte doch schlecht mit »Sie sind also der große Unbekannte«, beginnen. Er würde sie für minderbemittelt halten.

      Theodor wiederum quälten ähnliche Denkschwierigkeiten, von seiner Fähigkeit, seinen Körper ausreichend zu kontrollieren, ganz zu schweigen. Ihr überflüssige Komplimente für ihre Garderobe auszusprechen oder einmal mehr zu betonen, wie überrascht er wäre, dass ausgerechnet sie sich als Hohelohs Tochter entpuppt hatte, das wollte er ihr ebenfalls ersparen. Jedoch schien es ihm ebenso lächerlich sie mit debilgrinsenden Mundwinkeln (so stellte er sich sich selbst vor) anzustarren und dabei stumm wie ein Fisch zu sein. Sie hielt ihn gewiss für einen absoluten Schwachkopf.

      »Wenn ich mir ein Lob erlauben darf, Herr Fürstenberg«, erlöste sie beide endlich, »Sie verstehen es nicht nur, ausgezeichnet zu reiten, sondern auch zu tanzen.«

      Er spürte, wie er fast errötete, und zwang sich nicht zu erwidern: »Das Kompliment möchte ich gerne zurückgeben.«

      »Oh je, auf diesen Nachmittag spielen Sie an«, entschied er stattdessen, »haben Sie mir verziehen?«

      »Das kommt darauf an, ob Sie auf mich gehört haben.«

      »Gewiss, Fräulein Hoheloh. Ich war seither nicht versucht, Damen über den Haufen zu reiten und was die Zuckerwatte für die umstehenden Kinder angeht: Da Sie es mir so eindringlich geraten hatten, drang es an die Ohren der Kleinen. Kurz um …«

      »Sie wurden belagert?«, grinste Alvine.

      »Zu Recht! Leider kam kein Zuckerwatteverkäufer des Wegs, aber wie durch ein Wunder stand einer dieser Stollwerk’schen Bonbonautomaten nur ein paar Meter entfernt, wie mich die Kinder sodann informierten.«

      »Oha, der wird an Ihnen den höchstmöglichen Tagesumsatz


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