Mulaule. Rita Renate Schönig

Mulaule - Rita Renate Schönig


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der Bekanntgabe als solche weckte sein Interesse, mehr das Foto des Anwärters auf die Auszeichnung.

       Den kenne ich doch, nur woher?

      Sekundenlang starrte Lars auf das Foto und zermarterte sich den Kopf. Dann traf es ihn wie ein Blitz.

      Das gibts doch nicht.

      Hastig schlürfte er seinen noch heißen Espresso und verbrannte sich prompt den Gaumen. Mit unter dem Arm geklemmter Zeitung und dem zweiten Schinkenbrötchen in der Hand spurtete er aus dem Speisetempel.

      Im Büro legte er die Wurstsemmel achtlos auf seinen Schreibtisch und begann sogleich die Tastatur seines PCs zu malträtieren.

      Nach nur wenigen Klicks landete er auf der Seite des Landgericht Darmstadt. Einige Sekunden später blickte er in das markante Gesicht von Staatsanwalt a.D. Heinz Hagemann.

      Der geht auch zum Lachen in den Keller, schoss Lars der Gedanke durch den Kopf.

      Der Mann mit den ausgeprägten Wangenknochen und den dunklen stechenden kleinen Augen war ihm auf Anhieb unsympathisch.

      Mittwoch / 16:20 Uhr

      Der wird von Tag zu Tag anstrengender. Herbert stöhnte. Oh, Äppelkuche?

      Der Duft aus der Küche besserte schlagartig seine Laune.

      „Helene!“

      „Ich bin hier oben.“ Ihre glockenhelle Stimme kam aus dem oberen Stockwerk. „Setz bitte schon mal Kaffee auf. Ich habe einen Apfelkuchen gebacken.“

      In der Küche war der Tisch bereits gedeckt und mittig stand ein ofenfrischer Kuchen. Herbert schaute zur Küchentür, brach am Rand ein kleines Stück ab und steckte es sich in den Mund.

      „Mm.“

      Nachdem er Wasser und Kaffeepulver in die Maschine gefüllt hatte, ging er die Treppe hinauf und fand Helene vor dem Computer.

      „Ich habe schon mal angefangen zu recherchieren“, sagte sie, ohne sich umzudrehen.

      Herbert beugte sich über ihre Schulter und versenkte dabei sein Gesicht in ihrem Nacken. „Was hast du gefunde?“, brummte er.

      „Noch nicht sehr viel. Bis jetzt nur ein paar Informationen über den Staatsanwalt Heinz Hagemann aus dem Landgericht Darmstadt.“

      Helene drehte sich mitsamt ihrem Bürosessel Herbert zu. „So lange warst du ja auch nicht weg.“

      „Mir is es wie e Ewigkeit vorgekomme. Ich sag dir, der wird von Tag zu Tag anstrengender“, wiederholte er seine vorherigen Gedanken.

      „Konntest du Sepps Telefon wieder in Ordnung bringen?“

      „Dazu bin ich gar net erst gekomme.“

      „Warum, was ist passiert?“

      Herbert nahm auf dem zweiten Bürostuhl Platz.

      „Wie ich vermutet hatte, war der Sepp nur auf den Lautsprecherknopf gekomme und hat net mehr gewusst, wie des rückgängig gemacht werde kann. Nach dem Radau, den wir im Hintergrund gehört habe, müsse sich die Gundel, der Schorsch und der Sepp um die Station gestritte habe und die is dabei wohl runtergefalle und war kaputt. Des Schlimmste is, dass der Sepp versucht hat, des Gehäuse wieder zu klebe – mit Sekundenkleber und …“

      „Was … mit Sekundenkleber?“

      Herbert nickte. „Seine Finger hat er halt gleich mit angeklebt.“

      „Grundgütiger!“, rief Helene.

      „Halb so schlimm“, winkte er ab. „Die Sanitäter warn schon da und habe seine Fingerchen wieder vom Rest getrennt; hat aber a Viertelstund gedauert. Jetzt hat er acht von zehn Finger verbunde und sitzt rum und jammert.“

      „Die arme Elfi.“ Helene seufzte. „Wenigstens habe ich einige gute Neuigkeiten.“ Sie zeigte auf den Bildschirm.

      „Schau mal hier. Das ist Friedhelm Hanke, Richter am Darmstädter Landgericht, bis zu seiner Pensionierung 1998. Ist aber leider schon verstorben.

      Heinz Hagemann arbeitete, wie wir schon wissen, dort als Staatsanwalt und eng mit ihm zusammen.“

      „Wie bist du denn auf den gestoße?“

      „Genauso wie du immer vorgehst habe ich zuerst den Namen des Opfers – Heinz Hagemann – eingegeben und mich dann durchgearbeitet. Dabei stieß ich auf diesen Richter.“

      „Mein großes Mädche.“ Herbert küsste Helene in den Nacken. „Aber bitte, lass uns nachher zusamme weitermache. Jetzt muss ich mich erst mal erhole und des geht am beste mit einem Stück frische Äppelkuche.“

      Sie gingen beide nach unten in die Küche und Helene schenkte den mittlerweile durchgelaufenen und dampfenden Kaffee in die bereitstehenden Tassen.

      „Ich glaube, wir haben Mäuse“, sagte sie mit einem schelmischen Blick auf den Kuchen.

      „Dann habe die en gute Geschmack“ Herbert schnitt sich ein großes Stück ab.

      „Jetzt steht der Sepp aber ohne Telefon da“, nahm Helene wieder das Thema auf. „Was ist, wenn ihm etwas passiert und er Hilfe braucht?“

      „Momentan kann er sowieso net telefoniern. Wie soll en des gehe, mit dene bandagierte Finger? Aber, mach dir da mal keine Gedanke. Die Elfi hat gesagt, dass nachher der Leon kommt und für a paar Tage hierbleibt. Der passt schon auf seinen Opi auf.“

      Helene nickte. „Sag mal, du hast doch noch alte Handys. Könntest du nicht eines davon ... ich meine ... vielleicht wenn du eine Karte besorgst ...?“

      Herbert seufzte. „Ja, is ja gut. Wenn du mich so anguckst, mit deine große blaue Auge … kann ich ja net anders.“

      Mittwoch / 16:40 Uhr

      Harald hielt seinem Kollegen eine Tüte unter die Nase, aus der es nach Schinkenbrötchen duftete.

      „Danke, aber du kommst zu spät.“

      Lars deutete auf seinen Schreibtisch. Dort vollzog sich zeitgleich die Scheidung zwischen Wurstsalat und Schinken und die Mayonnaise überlegte gerade eine Dreierbeziehung mit der darunterliegenden Serviette und der Tischplatte einzugehen.

      Angewidert verzog Nicole ihr Gesicht.

      Dessen ungeachtet fuhr Lars fort. „Ich habe unser Opfer identifiziert. Heinz Hagemann, Staatsanwalt a.D. wohnhaft in Seligenstadt.“ Er nahm die Zeitung zur Hand und referierte den Artikel.

      „Bundesverdienstorden für Staatsanwalt a.D. Heinz Hagemann. Der 1947 geborene Baden-Württemberger startete seine Kariere in Seligenstadt am Ortsgericht, bevor er zum Landgericht Darmstadt wechselte. Von seinen Kollegen geachtet, von Straftätern gefürchtet (Hagemann forderte immer die Höchststrafe), stand für ihn Gesetz und Ordnung stets an oberster Stelle. Auch nach seiner Pensionierung stellte Heinz Hagemann seine Arbeitskraft und seine Erfahrungen seinen Mitmenschen zur Verfügung. Wenn einer diese Auszeichnung verdient, dann dieser ehrenwerte Mann.

      Der Sermon geht so weiter.“ Lars legte die Zeitung beiseite. „Mutter Teresa scheint ein ganz kleines Licht, gegen diesen Supertypen. Aber, worauf ich eigentlich hinaus will ist: Vielleicht war nicht jeder von Heinz Hagemanns humaner und sozialer Seite überzeugt und der Meinung, dass der Mann diese Auszeichnung nicht verdient hätte. Zumindest lese ich zwischen den Zeilen, dass er als Staatsanwalt seine Machtbefugnisse bis aufs Äußerste ausreizte und bestimmt nicht mit jedem Gut Freund war.“

      „Zumindest nicht bei den Verbrechern, die er hinter Gitter geschickt hat, könnte ich mir vorstellen“, stimmte Harald zu.

      „Auch wenn er die krassesten Strafen forderte“, entgegnete Nicole, „liegt es doch letztlich am Urteil des Richters.“

      „Richtig, Boss.“


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