Schattenkriege. H.L. Thomas

Schattenkriege - H.L. Thomas


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gutes Englisch, ich war ziemlich verwundert, hier auf so jemanden zu treffen. So ein kleiner, schmaler Kerl. Obwohl – die sehen hier alle klein und schmal aus. Alle gleich, Miss, alle gleich. Auf dem Weg zur Unterkunft ging es schon los. Er bot mir alles Mögliche an. Essen, ein Bad, Mädchen, einen Ritt auf dem Drachen. Ich wollte das nicht. Ich fand es widerlich. Ich mag auch diese kleinen, schnatternden Frauen nicht so besonders. Das sind Wilde, Barbaren.“ Er verzog bei der Erinnerung angewidert den Mund. „Ich hatte meine Instruktionen, aber diese Wilden wollten ihr eigenes Ding durchziehen. Die leben hier wie in der Steinzeit und dieser Kung Pao wollte sich rein gar nichts sagen lassen. Dabei bin ich doch der Adler, der Abgesandte von Uncle Sam! Hergekommen, um diesem Teil der Welt die amerikanische Kultur zu bringen, die Freiheit. Ich bin die Verkörperung Amerikas, und wenn am Sonntag Gottes Sohn zu mir kommt, werden wir gemeinsam diese barbarischen Heiden bekehren, die Kommunisten erschlagen und Gottes amerikanischer Segen wird das Land erblühen lassen. Und die Blumen, die lässt er natürlich auch erblühen. Miss, die stecke ich Ihnen ins Haar. Sie sehen bestimmt toll aus, so nur mit den Blumen im Haar und sonst nichts …“ Er kicherte, dann wurde die Stimme zu einem Flüstern. „Ich schwöre Ihnen, Miss, dieser Kung Pao ist kein Mensch. Diese kleinen, miesen Kerle haben alle dunkle Augen, aber seine Augen waren schwarz, vollkommen schwarz wie die Hölle. Und er hatte Hörner, wirkliche Hörner auf seiner Stirn.“

      Jane nickte todernst, während Tank sich mit eindeutiger Geste an die Stirn tippte. Joe gesellte sich zu ihnen. Lieutenant Stanley senkte seine Stimme zu einem Flüstern.

      „Hüten Sie sich vor Joe. Er macht Geschäfte mit dem Teufel. Wir sind im goldenen Dreieck. Sie lassen uns den Drachen jagen. Irgendwann erwischt es alle. Aber der Herr wird kommen und seine Liebe wird das Böse besiegen. Das goldene Dreieck wird im Licht aufgehen und zurück bleibt nur Liebe und Frieden. Und dann kommen wir wieder und tanzen nackt in der Sonne, wie die unschuldigen Kinder Evas im Paradies.“

      Joe betrachtete den Lieutenant und beschloss, dass es an der Zeit war, mit dem Saufen aufzuhören. Lieutenant Stanley hatte nur eines Abends mit Kung Pao gegessen und das hatte ihn schon in diesen Zustand versetzt. Joe war bestrebt, dass ihm so etwas nicht passierte. Er war nur am maximalen Profit interessiert. Geld machen und so schnell wie möglich wieder fort, sonst wurde man irgendwann verrückt in dieser elenden, feindlichen Fremde. Lieutenant Stanley war vollkommen verrückt geworden. Einen Vorteil hatte die Sache: Ihm würde keiner glauben, dass hier oben Opium gehandelt wurde. Das war auch besser so, White-Powder-Dad, Joes Partner in Saigon, war nicht unbedingt für seine Gutherzigkeit bekannt. Er bemerkte den misstrauischen Blick von Sergeant Jones.

      „Ich hab doch gesagt, der Kerl ist irre. Er war gerade mal drei Tage hier, da hockte er auf einem leeren Ölfass, nur mit seinen Shorts bekleidet. Er erklärte jedem, der es hören wollte oder auch nicht, er sei der Adler, von Gott gesandt, um die Erlösung zu bringen. Ich bin heilfroh, dass Sie ihn mitnehmen.“

      ***

      Tank schaute auf den schlafenden Lieutenant und schüttelte verständnislos den Kopf. Er hatte von der Hippiebewegung gehört. Männer wie Frauen, die sich die Haare lang wachsen ließen, Blumenkränze auf den Kopf setzten, den ganzen Tag Marihuana rauchten oder Trips schmissen. Dazu freie Liebe, was bedeutete: jeder mit jedem … War es das, was Lieutenant Stanley wollte? Er selbst fand die Vorstellung ziemlich absonderlich. Arrest, Disziplinarstrafe und dann ab an die Front. Das war es, was einen üblicherweise nach einer solchen Nummer erwartete. Lieutenant Stanley hatte allerdings einen ziemlich einflussreichen Daddy und so standen die Chancen nicht schlecht, dass der Kerl demnächst wie gewünscht in San Francisco auf einen Dauertrip gehen konnte. Egal, es machte einfach keinen Sinn, auch nur einen weiteren Gedanken an die Sache zu verschwenden.

      Jane tippte ihm auf die Schulter. „Sag mal, wusstest du, dass Claude außer dem Lieutenant noch andere Dinge befördert?“ Sie sprach ziemlich leise und bei dem lauten Motorengeräusch konnte er sie kaum verstehen.

      „Na klar, wenn es einmal in eine so abgelegene Gegend geht, sind meist noch Nahrungsmittel oder Versorgungsgüter dabei. Manchmal sogar lebende Viecher, Hühner oder Schweine!“

      „Das meine ich nicht! Ich spreche von Waffen und Munition.“ Sie sah ihm voll in die Augen.

      Tank wusste, dass die Piloten von Air America keine Chorknaben waren. Die meisten waren vollkommen durchgekrachte Irre, die nie wieder im normalen Leben klarkommen würden. Claude machte da keine Ausnahme. Konnte schon gut sein, dass er Waffen schmuggelte. Jane schaute ihn weiter unverwandt an. Tank las das Misstrauen in ihrem Blick. Scheiße, sie dachte doch wohl nicht, dass er in die Sache verwickelt war? Doch, genau das dachte sie! Tank schüttelte den Kopf.

      „Jeder weiß, dass die Jungs hier öfter mal Dinge auf eigene Faust machen. Aber ich habe nichts damit zu tun. Wirklich nicht!“

      Jane musterte seine Züge. Entweder log er verdammt gut oder er hatte wirklich nichts damit zu tun. Sie überlegte einen Moment. Es wäre unlogisch, ausgerechnet eine Reporterin auf solch einen Trip mitzunehmen, wenn er in den Schmuggel verwickelt war. Das würde er nicht tun. Jones war nicht dämlich.

      „Okay.“ Sie lächelte kurz und nickte ihm zu. „Ich habe nämlich auch gesehen, was im Gegenzug eingeladen wurde. Es gibt nicht wirklich viele lohnenswerte Erzeugnisse aus dieser Gegend, oder? Der Lieutenant hat zwar eine Menge Blödsinn geredet, aber an der Sache mit dem Opium ist vermutlich was dran.“

      Tank sagte nichts. Er kannte Gerüchte über das, was hier oben vor sich ging. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er Jane aus genau diesem Grund mitgenommen hatte.

      ***

      Langley, Virginia

      Agent Julius war nervös. Er war in echten Schwierigkeiten. Sie hatten seine Meldung wider Erwarten überprüft. Sie hatten ihn rund gemacht, richtig rund! Er konnte von Glück sagen, wenn er in näherer Zukunft die Walgesänge vor Ostgrönland nach kommunistischen Umtrieben untersuchen durfte. NEIN! Dafür hatte er nicht hier angefangen. Er war Patriot, ja. Er wollte sein Land und seine Leute schützen, aber nicht so. Es war ihm gelungen, Einblick in die geheimen Akten zu nehmen. Was er dort gefunden hatte, war ungeheuerlich. Einer seiner Schulfreunde arbeitete als Reporter für die Washington Post. Diese Ungeheuerlichkeiten mussten an die Öffentlichkeit. Sein Entschluss stand fest.

      Julius packte seine Aktentasche inklusive der Befehle und ging zu seinem 1961er Impala.

      Washington Post 18.09.1967

      Gestern Abend kam es in der Gegend von Langley zu einem schweren Verkehrsunfall mit Todesfolge. Der Familienvater Frank Julius fuhr mit seinem 1961er Impala vom Parkplatz eines Schnellrestaurants herunter, als ein Truck ihn mit mindestens 100 km/h rammte. Der Wagen von Mr Julius ging in Flammen auf und er war offenbar sofort tot. Der Fahrer flüchtete unerkannt vom Unfallort. Das Fahrzeug selbst war als gestohlen gemeldet. Mr Julius hinterlässt Frau und zwei Kinder.

      Langley, Virginia

      Die Sache mit Julius war erledigt. Summers zerknitterte das Papier.

      „Wilma, stellen Sie mir eine Verbindung zu Agent Jenkins in Saigon her.“

      ***

      Jane stand an der Ausgabe von AP. Ihre Bilder waren genial geworden. Selbst die Nummerierungen auf den Kisten waren zu sehen. Es gab Gerüchte über Opiumschmuggel und Air America. Sie war es, die Beweisfotos hatte. Das war ihre Eintrittskarte. Heroin wurde langsam zum Problem. Immer mehr von den Jungs beließen es nicht bei Marihuana und ein paar Drinks. Man würde die Augen nicht mehr verschließen können.

      ***

      Am anderen Ende der Stadt nahm Agent Jenkins einen Drink. Verdammt, der Abend hatte so vielversprechend angefangen. Dann war der Anruf gekommen und er musste die vietnamesische Schönheit nach Hause schicken. Jetzt saß er mit einem Drink auf der Bettkante und grübelte. Es gab eine Akte über diese Miss Mulwray, deren Geheimhaltungsstufe seine Kompetenzen überstieg. Verdammt, warum hatten die Jungs sie oben in Van T‘rac nicht erledigt. Sie war


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