Schattenkriege. H.L. Thomas
und ihr gefiel das Spiel mit der Gefahr. Die Sache mit Billy stellte sich allerdings als Strohfeuer heraus. Er war nicht der Typ für eine feste Beziehung. Dennoch hatte er ihre Arbeit geschätzt und sie unterstützt, wo er konnte. So waren sie Freunde geblieben. Vermutlich wäre diese Story zu kompliziert für einen Militärpolizisten.
„Wir waren Kollegen.“ Sie beobachtete, wie er sich Notizen machte. „Sergeant Jones? Wie bin ich hergekommen?“„Gute Frage, Miss Mulwray. Ich hatte den Befehl, Sie dort abzuholen.“
„Weshalb?“
„Ich weiß es nicht. Mein Vorgesetzter diskutiert seine Befehle nicht mit uns. Sie können ihn selbst fragen, sobald Sie entlassen werden. Eine Frage: Wo haben Sie so kämpfen gelernt? Sie haben drei Männer im Alleingang erledigt.“
Jane schaute ihn irritiert an. Wovon redete der Mann? Tank sah das Unverständnis in ihrem Gesicht. Offenbar erinnerte sie sich nicht daran. Sehr seltsam. „Okay. Es geht mich auch nichts an. Wollen wir los?“
Jane nickte. Sie wollte sobald wie möglich hier raus. Sie musste die Bilder entwickeln lassen, diese Kerle durften nicht davonkommen. Sie musste Billys Verbleib klären und …
Es schien, als könne Sergeant Jones ihre Gedanken lesen.
„Geht nicht. Ich hatte den Auftrag, das Material zu beschlagnahmen.“ Er hielt ihr eine Tasche hin. „Ziehen Sie sich was an, wir sollten los.“
„Bin ich jetzt verhaftet?“
Er sah sie von der Seite an, um seinen Mund spielte ein leichtes Grinsen, wobei seine Augen ernst blieben.
„Von mir jedenfalls nicht.“
Sie nahm die Tasche. „Es reicht, wenn Sie sich umdrehen, Sergeant.“
Als er realisierte, was sie meinte, lief eine leichte Röte über sein Gesicht und er drehte sich hastig wieder zum Fenster. Sie musste unwillkürlich schmunzeln, als sie sich des Krankenhaushemdchens entledigte und in T-Shirt und Armee-Uniform schlüpfte.
***
Langley, Virginia
Agent Julius stand vor seinem Dienstvorgesetzten.
„Sir, mit Verlaub, ich habe hier den Bericht. Jane Mulwray hat überlebt.“
Sein Vorgesetzter nahm den Bericht kommentarlos entgegen.
„Ist noch etwas, Julius?“
„Ja, Sir. Darf ich fragen, warum dieser Aufwand für eine kleine Hippiereporterin?“
„Diese Hippiereporterin, wie Sie sie nennen, ist mehr wert, als Sie in fünf Jahren verdienen! Sie ist ein abgängiges K-Programm. Sie haben sie wiedergefunden.“
Julius schaute fragend: „K-Programm?“
„Dafür reicht Ihre Geheimhaltungsstufe nicht aus. Ist lange vorbereitet und bringt Ihnen eine Belobigung. Das ist alles, was Sie wissen müssen, Julius. Meinen Glückwunsch! Schicken Sie das hier nach Saigon.“
Nachdem Julius den Raum verlassen hatte, ging sein Dienstvorgesetzter zu dem Safe in seiner Bürowand, öffnete ihn und nahm einen Ordner mit der Aufschrift „K-Programme“ heraus.
Agent Julius eilte zum Fernschreiber und tippte die Nachricht an das Hauptquartier, z. H. Lieutenant Colonel Christopher Corso, ein. Er kannte den Code nicht, obwohl er als Dechiffrier-Spezialist eingesetzt war, und hatte nur mitbekommen, dass es um diese Jane Mulwray ging. Bericht würde baldmöglichst zurückerwartet, an seinen unmittelbaren Dienstvorgesetzten. Julius seufzte. Er würde gleich noch Kaffee für die nächste Besprechung machen müssen.
Ltd. Corso
Ltd. Corso beobachtete hinter der Jalousette, wie die Frau aus dem offenen Jeep stieg. Sie lachte. Sie flirtete mit einem seiner Untergebenen! Was sollte sie sein? Ein K-Programm? Niemals. Sein Urteil war schnell gefällt.
Ein leichtfertiges, abenteuerlustiges und verantwortungsloses Geschöpf. Die Art, wie sie sich bewegte. So bewegte sich keine anständige, gottesfürchtige Frau. Eine anständige, gottesfürchtige Frau wäre gar nicht hier, würde sich nicht freizügig unter die Soldaten mischen, praktisch mit ihnen an der Front leben. Wer weiß, was sie tat, mit ihren langen Beinen, dem dunklen seidigen Haar, ihrem sündigen Körper, wenn sich das Dunkel der Nacht herabsenkte. Sie würde sie verderben, sie von der gerechten Sache abhalten.
Jane Mulwray verkörperte alles, was er hasste.
Die Kälte schlug Jane beinahe fühlbar ins Gesicht. Himmel, der Lieutenant hatte sein Büro in einen Kühlschrank verwandelt. Zwei Klimaanlagen, die ohne jedes Geräusch funktionierten. An den Wänden standen einige Schreibtische, auf denen Berichte lagen. Das wäre nicht weiter aufgefallen, aber die Art, wie sie dort lagen, passte zur Temperatur. Exakt ausgerichtet, wie frisch von einer gigantischen Papierschneidemaschine auf Kante gelegt. Die Mitte des Raums wurde von einem wahren Ungetüm von Schreibtisch dominiert. Dunkles Tropenholz, vermutlich höllisch schwer. Jane schaute sich nach einem Besucherstuhl um. Vermutlich standen die Soldaten, die Lieutenant Corso Bericht erstatteten. Die kleine Fußbank vor dem Tisch konnte wohl kaum als Besucherschemel durchgehen. Oder doch? Der Lieutenant saß in einen Bericht vertieft hinter dem Schreibtisch. Sie wusste nicht, ob es an der Umgebung, der Haltung oder der Kleidung lag. Der Mann schien nur aus rechten Winkeln zu bestehen.
Sie räusperte sich. Nicht, dass es den Lieutenant interessiert hätte. Seine Augen hoben sich nicht von dem Schriftstück. So viel Unhöflichkeit war ihr noch nie entgegengeschlagen. Nach endlos scheinenden weiteren zwei Minuten nahm er einen von den aufgereihten Stiften und unterschrieb den Bericht. Dann hob sich sein Blick. Einen Moment lang war er irritiert. Er sah etwas Seltsames. Ihre Aura, sie war beinahe magisch – nein, er wollte nicht über diese Dinge nachdenken. Das war widernatürlich, ekelhaft. Diese Frau hier war kein Mensch, jedenfalls nicht nach seiner Definition. So etwas musste vernichtet werden. Er musste es vernichten. Es war seine Pflicht.
Die Luft war Jane kalt vorgekommen? Das war nichts gegen die Temperatur, die ihr aus seinem Blick entgegenschlug.
„Sie sind Zivilistin und tragen die Uniform eines Sergeanten. Normalerweise kann ich Sie dafür einsperren lassen.“
Jane war einigermaßen fassungslos. Sie hätte nicht damit gerechnet, dass es irgendeine Höflichkeitsfloskel zur Begrüßung geben würde, aber was sollte das denn? Ihr Hinweis, dass sie sonst wohl halbnackt in seinem Büro stehen würde, ließ ihn vollkommen kalt.
„Wir hatten zwar den Befehl, Sie dort rauszuholen, aber ich halte Sie für ein subversives Element! Unamerikanisch! Dennoch, wir kümmern uns um unsere Leute, selbst wenn sie Kommunisten sein sollten.“
Kommunisten? Lieutenant Corso schien sich wohl ziemlich sicher zu sein, dass das auf sie zutraf. Anders war sein angewiderter Blick nicht zu erklären.
„Wir mussten davon ausgehen, dass Sie so leichtsinnig wären, auf der vermeintlichen Suche nach Ihrer Wahrheit“, Corso spuckte diese Worte beinahe aus, „den Feind um ein Interview zu bitten. Vermutlich würden Sie dann so wie Henderson enden. Der Vietcong – Charlie – achtet nicht auf Ihren wackelnden Arsch! Wir müssten Sie in einem Leichensack zurückschicken, so wie ihn!“
Jane riss langsam die Hutschnur. Was bildete sich dieses Arschloch ein? Sie war schließlich keine Idiotin. Sie nahm sich zusammen, um einen Rest von Höflichkeit zu wahren.
„Sir, wir waren im offiziellen Auftrag dort. Mein Partner, William Henderson, hatte eine Akkreditierung seitens des Militärs und war dort, um offiziell den Einsatz zu dokumentieren.“
Corso hielt die Hand hin. „Haben Sie eine?“
Jane verneinte. Sie war als Hendersons Assistentin hier, eine eigene Akkreditierung besaß sie nicht.
„Sie haben vierundzwanzig