Sea and Fall. Svea Dunnabey
war ich froh, dass er mir geholfen hatte. Ich war noch ziemlich wackelig auf den Beinen und so ausgepowert, dass ich mich erst einmal wieder ausruhen musste.
>> Brauchst du noch etwas? Sonst ruf ich schnell meinem Fahrer an, damit er mir ein paar Sachen bringt.<<
Ich war zu müde zum Reden und schüttelte daher nur den Kopf. Dann war ich auch schon eingeschlafen.
Ich schlief tatsächlich bis zum nächsten Morgen durch und Ethan hatte seine Drohung wahr gemacht und bei mir übernachtet. Das Bett von ihm stand schräg gegenüber von meinem und war schon wieder ordentlich gemacht worden, während er am Tisch saß und allem Anschein nach arbeitete. Ich beobachtete ihn eine Weile, da ich eh noch keine Kraft hatte es mit ihm aufzunehmen.
Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und seine Stirn war gekräuselt. Vermutlich ärgerte er sich gerade über irgendetwas. Er hatte sich umgezogen. Der Nadelstreifenanzug von gestern musste einem klassischen schwarzen Anzug weichen. Wieder ein Dreiteiler, wobei er das Jackett nicht trug. Seine Haare waren ordentlich nach hinten frisiert und hinter die Ohren geklemmt. Ich hätte ihn zu gerne verschlafen in seinem Bett gesehen, wie er aussah, wenn er mal nicht perfekt zurecht gemacht war, aber wahrscheinlich war er dafür zu eitel und würde das nie zulassen.
Er strahlte eine vollkommene Ruhe aus, doch ich wusste, dass er im Inneren alles andere als ruhig war. Davon hatte ich gestern eine Kostprobe bekommen, als ich mich ihm wiedersetzt hatte. Die Kraft mit der er sich beherrschen musste, nicht auszurasten, wie angespannt er gewesen war, seine geballten Fäuste. Ja, er hatte auch eine dunkle Seite, die ich besser meiden sollte.
>> Willst du mich weiterhin mustern, oder sollen wir lieber frühstücken?<<
Wie konnte er das bemerkt haben? Er hatte die ganze Zeit auf seinen Bildschirm gestarrt, selbst als er gerade die Frage gestellt hatte, blieb sein Blick daran haften.
>> Ähm, Morgen. Ich hab zwar keinen Hunger, aber du kannst gern etwas essen.<<
>> Du musst etwas essen. Sonst wird dein Kreislauf nie besser.<<
>> Später vielleicht.<<
>> Ich hole jetzt Frühstück und wenn du das siehst, wirst du schon Hunger bekommen.<<
Er wartete noch nicht einmal auf eine Antwort von mir, verließ das Zimmer, um kurz darauf mit einem voll beladenen Tablett wieder aufzutauchen.
>> Am Tisch oder im Bett?<<
>> Am Tisch.<<
Ich zog mir den Bademantel über und stand vorsichtig auf. Mein Kreislauf blieb stabil und ich ging langsam zum Tisch, während Ethan schon alles gedeckt hatte.
>> Na, dass sieht doch heute schon besser aus. Setz dich. Möchtest du Kaffee?<<
>> Gerne. Mit Milch bitte, falls du welche hast.<<
>> Aber, natürlich.<< sagte er wieder voller Selbstsicherheit, dass ich die Augen verdrehen musste.
Das Frühstück duftete herrlich, aber ich hatte immer noch keinen Hunger, geschweige denn Appetit. Um ihn nicht zu verärgern, aß ich jedoch ein trockenes Brötchen und nippte hin und wieder an meinem Kaffee.
>> Du hast wirklich hier geschlafen?<<
>> Ja, aber du bist ja direkt eingeschlafen. Ich hoffe ich habe dich nicht geweckt.<<
Als ich den Kopf schüttelte, fügte er hinzu
>> Gut, ich hab mir auch alle Mühe gegeben leise zu sein.<<
>> Als was arbeitest du eigentlich?<<
>> Dies und das. Grob gesehen, besitze ich etliche Immobilien, hier und im Ausland und investiere in erneuerbare Energien und in Unternehmen, die kurz vor der Insolvenz stehen, um sie dann wieder nach vorn zu bringen. Darin bin ich bescheiden ausgedrückt, recht erfolgreich. Außerdem gehören mir einige Patente.<<
>> Und das kannst du alles von hier aus steuern?<<
>> Fürs erste, ja. Und du?<<
>> Ich arbeite an der Universität.<<
>> Als Sekretärin?<<
Irritiert hob ich eine Augenbraue und sah ihn nachdenklich an. Sah ich wie eine Sekretärin aus? Dieser Beruf war nichts Schlechtes und ich bewunderte die Sekretärinnen, die es schafften ihrem Vorgesetzten jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und so schnell zu tippen, wie dieser redete. Aber sah ich aus wie eine Sekretärin? Anscheinend bemerkte er meine nachdenkliche Reaktion, was ihm sichtlich unangenehm war.
>> Also, keine Sekretärin?<< fragte er daher sehr vorsichtig.
>> Nein.<<
>> Soll ich raten?<< fragte er, als ich ihm einer Antwort schuldig blieb, da ich immer noch bei dem Gedanken war, dass ich eine Sekretärin wäre.
>> Ich bin Doktorandin der Mathematik.<<
Seine Augen weiten sich für einen kurzen Augenblick, eine Reaktion die ich so gut wie bei jedem entdeckte, wenn sie es zum ersten Mal hörten. Niemand glaubte, dass eine junge Frau wie ich es war, ja ich dachte ich war noch jung, egal was Lydia gesagt hatte, Mathematik studiert hatte und dann auch noch ihren Doktor darin gemacht hatte.
>> Wow.<<
>> Ich gebe Kurse für Studierende, die Lehrer werden wollen und für welche, die die reine Mathematik interessiert.<<
>> Ich bin echt beeindruckt. Ich mochte Mathematik zwar auch immer sehr gerne, weswegen ich nun auch viel mit Zahlen zu tun habe, aber die „richtige“ Mathematik hat mich immer überfordert. Mit der ganzen Geometrie, Analysis und wie das alles heißt.<<
>> Das ist halt meine Welt.<<
>> So leicht irrt man sich.<<
Es entstand eine kurze Pause in der Ethan elegant und höllisch sexy von seinem Brötchen abbiss, bevor er mich wieder musterte.
>> Kommst du aus Brisbane?<< fragte er mich, als ich gerade an meinem Kaffee nippte und nur mit dem Kopf schüttelte.
>> Woher denn?<<
>> Aus Hamburg in Deutschland.<<
>> Wirklich? Und seit wann lebst du hier?<<
>> Seit fast zwei Jahren.<<
>> Gefällt es dir hier?<<
>> Auf jeden Fall. Ich liebe es und werde hoffentlich für immer hier bleiben.<<
Er grinste und blickte nach draußen, als er seinen Kaffeebecher nahm und einen Schluck trank.
>> Und du kommst aus Australien?<<
>> Hier geboren und auch immer hier geblieben, außer für Urlaube oder Dienstreisen.<<
Während wir weiter aßen, unterhielten wir uns noch eine Weile über Belanglosigkeiten, bis wir schließlich fertig waren.
Ethan räumte den Tisch ab und ich machte mich ein wenig frisch. Während des Tages arbeitete er immer wieder, telefonierte, schrieb Mails und ließ sich ab und an durch mich ablenken.
Er hatte Recht. Ich hatte keine Panikattacken mehr und auch keine Übelkeit, weil ich im Krankenhaus war. Er lenkte mich geschickt davon ab. Zudem lernte ich ihn besser kennen.
Er war 33 Jahre alt und hatte zwei Geschwister. Eine Schwester und einen Bruder, die beide älter waren als er. Seine Eltern waren immer noch glücklich verheiratet und das sogar seit bald 40 Jahren.
Er war sehr sportlich, als Ausgleich zu seinem Beruf, wo er fast den ganzen Tag saß. Entweder ging er ins Fitnessstudio oder ans Meer, was allerdings nicht direkt vor seiner Tür lag, um schwimmen oder noch lieber Kitesurfen zu gehen. Als ich ihn mir dann in Badeshorts