Zahlensprache. Monika Maria Martin

Zahlensprache - Monika Maria Martin


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und im antiken Griechenland zeigen das. In Afrika verehrt das Volk der Dinka z. B. unzählige Gottheiten und behauptet doch, dass das Göttliche eins ist.

      Damit ist gemeint, dass eine einzige ursprüngliche Kraft oder absolute Realität als existent angesehen wird, die aber in vielen unterschiedlichen Aspekten wahrgenommen und nur in Metaphern mitgeteilt werden kann. Jede konkrete Vorstellung von der Gesamtheit des Göttlichen und jede Bezeichnung dafür kann nur unzulänglich sein; das Absolute ist nur in Facetten und Symbolen für das menschliche Bewusstsein erfassbar. Deshalb spricht auch das Alte Testament davon, dass man sich von Gott kein Bild machen soll und sein Name unaussprechlich ist.

      Bei der Beschreibung des Absoluten und dessen Verhältnis zum Relativen bedient sich der Mensch allgemein gültiger Archetypen, die keine historischen Gestalten oder Begebenheiten darstellen, sondern zeitlos immer und überall wahr sind. Adam ist in diesem Sinn also nicht als der erste Mensch am Beginn eines chronologischen historischen Ablaufs gemeint. Er steht archetypisch als Metapher für den Menschen an und für sich. Seine „Erbsünde“ ist daher ein generelles Merkmal des Menschen und nicht als persönliche Schuld zu verstehen, die sich von Generation zu Generation vererbt.

      Mythologien verwenden das Zeitliche, um das Zeitlose zu beschreiben. Sie nutzen die Sprache des Relativen, um das Absolute zu erklären. Das Verstehen des transportierten Inhalts verlangt aber ein Überschreiten dieser Grenzen des Relativen und Zeitlichen.

      C. G. Jung hat den Begriff des kollektiven Unbewussten geprägt und die Bedeutung der Archetypen für die Tiefenpsychologie erschlossen. Er sieht in diesen Archetypen eine über Zeiten und Zonen hinweg allgemein gültige Ausdrucksweise der menschlichen Psyche. Er sagt von ihnen, sie seien vorbewusst vorhanden und Strukturdominanten der Psyche überhaupt. Er sieht im Archetypus ein bewusstseinstranszendentes Kernphänomen, dessen ewige Präsenz unanschaulich ist. Archetypische Begriffe gelten für die ganze Menschheit, sie haben überall auf der Welt und für jedes Volk dieselbe Bedeutung. Vater, Mutter, Baum, Weg, Schlange, Sonne sind einige Beispiele dafür.

      Neumann beschreibt den symbolbildenden Prozess des Unbewussten als Ursprungsort menschlichen Geistes. Ausgehend von der ursprünglichen unbewussten Einheit entwickeln sich im menschlichen Bewusstsein erste Inhalte. Diese Inhalte sind allegorische Bilder, die auf die vor-bewusste Einheit Bezug nehmen. Das entstehende Bewusstsein bedient sich einer Symbolsprache.

      C.G. Jung sagt dazu: „Was ein archetypischer Inhalt immer aussagt, ist zunächst sprachliches Gleichnis. Spricht er von Sonne und identifiziert mit ihr den Löwen, den König, den vom Drachen bewachten Goldschatz und die Lebens- oder Gesundheitskraft des Menschen, so ist es weder das Eine noch das Andere, sondern das unbekannte Dritte, das sich mehr oder weniger treffend durch alle diese Gleichnisse ausdrücken lässt, das aber – was für den Intellekt stets ein Ärgernis bleiben wird – unbekannt und unformulierbar bleibt.“

      Jung hat entdeckt, dass die Archetypen des kollektiven Unbewussten in den mythologischen Motiven aller Völker erscheinen. Mythologeme sind einzelne Elemente oder Motive innerhalb eines Mythos; C. G. Jung sieht sie als konstante Bestandteile der Welt im Unbewussten, als Strukturelemente der menschlichen Psyche und sagt von ihnen: „Das Mythologem ist die ureigentliche Sprache dieser psychischen Vorgänge, und keine intellektuelle Formulierung kann auch nur annähernd die Fülle und Ausdruckskraft des mythischen Bildes erreichen. Es handelt sich um Urbilder, die darum auch am besten und treffendsten durch eine bildhafte Sprache wiedergegeben werden. Diese bildhafte Sprache ist die Sprache des Symbols, die ursprüngliche Sprache des Unbewussten und der Menschheit.“

      Neumann ist der Ansicht, dass sich im Symbolbild des Archetyps etwas als Sinnzusammenhang mitteilt, das erst von einem entwickelten Bewusstsein mit großer Mühe erfasst werden kann.

      Die Urbilder der Mythen tragen in sich eine gemeinsame, jedem menschlichen Sein zugrunde liegende Symbolik. Das Symbol verbirgt die angedeutete Wirklichkeit geheimnisvoll in sich, transportiert sie und regt das Bewusstsein an, sich damit unter Einbeziehung all seiner Bewusstseinsfunktionen zu beschäftigen. Neumann ist überzeugt: „Das Symbol weist hin, deutet an und erregt. Auf diese Weise setzt es das Bewusstsein in Bewegung und bringt es dazu, alle Bewusstseinsfunktionen zur Verarbeitung zu verwenden. Denn eine nur begriffliche Verarbeitung des Symbols erweist sich als völlig unzureichend. Gefühl, Intuition und Empfindung werden ebenfalls mehr oder weniger stark vom Symbol ergriffen.“

      Mythos und Archetyp sind Ausdruck einer Weisheit im Verborgenen. Beide erfüllen die gleiche Funktion und stellen einen lebendigen, bildhaften Bezug her zu einem zeit- und grenzenlosen Ursprünglichen. Für das bewusste Denken ist diese Weisheit vorerst verschüttet, im Unbewussten existiert sie. Das Unbewusste ist mit dem Bewusstsein durch eine mehr oder weniger durchlässige Schnittstelle verbunden und äußert sich ganz willkürlich in Träumen, plötzlichen Eingebungen, instinktiven Reaktionen oder überraschenden Einfällen. Die Weisheit im Verborgenen ist auf diese Weise erfahrbar als eine Instanz, die das Leben aus der Tiefe des individuellen Ich heraus lenkt, indem sie Impulse setzt.

      Die Psychologie ordnet diese Schnittstelle zwischen Bewusstem und Unbewusstem dem Bereich der Seele zu. Im religiösen Sinn ist mit dem Begriff Seele der jenseitige Aspekt des Menschen gemeint, der ihn mit Gott verbindet. Beide Disziplinen betrachten im Grunde dasselbe, auch wenn sie Seele unterschiedlich definieren. Ist hier der Blick auf das praktische Leben ausgerichtet, fällt er dort auf das dahinter liegende Jenseitige. Um eine Vermischung dieser beiden Auffassungen zu vermeiden, kennt das Alte Wissen im Hebräischen 2 unterschiedliche Begriffe für Seele, einmal für den Bereich der Psyche und einmal in Bezug zum Absoluten.

      Grundsätzlich ist die menschliche Existenz darauf ausgerichtet, das Unbewusste ins Bewusstsein zu holen und es im Licht der Erkenntnis zu betrachten. Neumann macht den Stellenwert der Bewusstseinsentwicklung deutlich: „Die Entwicklung des Bewusstseins, die vom fast völlig Enthalten-sein im Unbewussten beim Urmenschen bis zur abendländischen Form des Bewusstseins reicht, ist als das eigentliche Anliegen der gesamten Menschheit sichtbar geworden.“ Im selben Zusammenhang erwähnt er: „Die Richtung zum Licht, die C. G. Jung einmal den menschlichen Heliotropismus (= die „triebhafte“ Tendenz der Pflanze, sich zur Sonne zu drehen) genannt hat, hat sich auf die Dauer als stärker erwiesen als alle Verdunkelungskräfte, welche das Bewusstsein auszulöschen versucht haben.“

      Auf dem Weg zum klaren Erkennen im vollen Licht des Bewusstseins stellt die zitierte abendländische Form wohl eine fortgeschrittene Etappe dar.

      In „Erinnerungen, Träume, Gedanken“ sagt C. G. Jung: „Nur hier, im irdischen Leben, wo die Gegensätze zusammenstoßen, kann das allgemeine Bewusstsein erhöht werden. Das scheint die metaphysische Aufgabe des Menschen zu sein, die er aber ohne „mythologein“ nur teilweise erfüllen kann. Der Mythos ist die unvermeidliche und unerlässliche Zwischenstufe zwischen dem Unbewussten und der bewussten Erkenntnis.“

      Die Erzählungen diverser Schöpfungsmythen sind symbolische Aussagen. Ihre Wahrheiten gelten zeitlos, jetzt und immer, auch wenn das für ein lineares Zeitverständnis kaum zu begreifen ist. Wenn es nicht gelingt, die Mitteilung eines Mythos in ihrem Kern zu erfassen, so liegt der Fehler meist im Versuch, ihn als geschichtlichen Bericht zu lesen. Die Mythen benutzen zwar historische Ereignisse zur Darstellung, sind aber selbst nicht historisch gemeint.

      Als die Menschheit vor Tausenden von Jahren die Schrift entwickelte, war sie in der Lage, dieses ursprüngliche, mythologische Gedankengut erstmals aufzuzeichnen und damit festzuhalten. Das Alte Testament der Bibel und die Schriften des Judentums sind aus solchen Überlieferungen hervorgegangen. Die schriftliche Basis dieser Religionen ist also eine Sammlung von Wissen aus noch viel älterer Zeit. Der Mensch hat in diesen Überlieferungen mit Bildern seines Alltags, seines eigenen Erlebens auszudrücken versucht, was er an grundlegender, uralter Weisheit in sich trug. Und es war ihm gegeben, dies auch in einer Sprache zu tun, die darauf ausgelegt war, diese Weisheit unverfälscht zu transportieren.

      Äußerlich wird in symbolischen Geschichten vermittelt, was an Wesentlichem erhalten bleiben sollte. Eigentlich aber zeichnen in diesen Erzählungen die Zahlenwerte der hebräischen Buchstaben und Wörter ein klareres Bild vom Kern ihrer Aussagen.

      Das Alte Testament und die darüber hinausgehenden jüdischen Texte wurden seit jeher als Heilige Schriften


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