Zahlensprache. Monika Maria Martin

Zahlensprache - Monika Maria Martin


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Schriftrollen angegebenen Zahlen beschreiben daher auch keine Zeitabläufe oder Mengenangaben im gewohnten, alltäglichen Sinn. Biblische Zeit drückt eine Zeitqualität aus und nicht eine Zeitfolge, und konkret genannte Zahlen sind nicht quantitativ, sondern qualitativ in ihrer Aussage.

      Der Mathematiker Friedrich Weinreb beschäftigte sich um die Mitte des 20. Jahrhunderts neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit eingehend mit alten Quellen der jüdischen Überlieferung. Er entdeckte darin auf Ebene der Zahlenwerte außergewöhnliche Zusammenhänge und hinterließ dazu ein umfassendes Werk. Für ihn bestätigte sich durch persönliche Einblicke, was dieses Alte Wissen von sich sagt, nämlich dass es immer da war und zum Menschen gehört wie die ihn umgebende Schöpfung.

      Die jüdische Überlieferung weist wiederholt darauf hin, ihre Texte nicht historisch zu sehen, sondern als gegenwärtigen Bestandteil jeder menschlichen Existenz. Die Bibel beschreibt nicht, was einmal war, sondern was zeitlos ist, und Weinreb betont immer wieder, dass diese symbolischen Bilder in jedem Menschen leben, als seine eigene verborgene Wirklichkeit.

      Wenn in den folgenden Ausführungen auf Altes Wissen Bezug genommen wird, dann ist dieser Begriff im Sinne von Friedrich Weinreb gemeint. Diesem Alten Wissen, wie es Weinreb für die moderne Welt erschlossen hat, entstammen auch die grundlegenden Informationen im folgenden 2. Kapitel, vor allem Weinrebs Buch „Zahl, Zeichen, Wort“ kommt dabei besondere Bedeutung zu.

      Die nächsten Kapitel bauen in gedanklicher Konsequenz auf diesen Grundlagen auf und werden ergänzt durch neue Perspektiven. Dabei zeigen sich auch unabhängig von alten Überlieferungen Querverbindungen und Zusammenhänge, die Zahlen mit ihrer qualitativen Aussage zum Ausdruck bringen. Diese Zusammenhänge treten zwar unabhängig vom Alten Wissen in Erscheinung, zeigen aber einen Bezug dazu und klare Übereinstimmungen.

      Insgesamt geht das Gedankengebäude dieses Buches weit über das hinaus, was Friedrich Weinreb hinterlassen hat.

      Die Vertiefung des qualitativen Aspektes der Zahlen, der Bezug zu den Primzahlen sowie zu den aktuellen Zeitqualitäten, die Betrachtung der Dimensionen, die Querverbindungen zu Mathematik, Physik, Weltreligionen und griechischer Mythologie, das alles ist neu.

      Der an Zahlen orientierte Blick auf biblische Begriffe und vor allem auf den Menschen durchbricht eine Denkbarriere, indem er konsequent und kompromisslos anwendet und zu Ende führt, was Friedrich Weinreb für die moderne Welt an Einsichten erschlossen hat. Er war und ist in der Betrachtung biblischer Texte und religiöser Symbole revolutionär. Sein Leben und Werk war darauf ausgerichtet, menschlichem Bewusstsein der Neuzeit Zugang zu grundlegender, uralter Wahrheit zu eröffnen.

      Es ist im Sinne von Friedrich Weinreb, das von ihm Hinterlassene nicht zu der Weisheit letztem Schluss erstarren zu lassen.

      Er motiviert dazu, individuell und eigenständig weitere Schritte zu setzen, wenn er sagt: „Ich war und bin nicht der Mensch, der Schüler sucht, eine Schule errichtet; ich nehme immer an, dass nur ein freier Mensch zu Gott finden kann. Ich ertrage keine Anhänger, Nachläufer, Schwärmer oder nur Schüler. Als freier Mensch komme man und als freier Mensch finde man Gott.“

      Friedrich Weinreb bezog sich in seinen Büchern und Vorträgen gerne auf die Elberfelder Bibel als wortgetreueste Übersetzung aus dem Hebräischen. Ihr entstammen auch die Bibel-Zitate in den folgenden Kapiteln.

      2. Kapitel: Hebräisch als Sprache des Alten Wissens

      „Hebräisch“ bedeutet in dieser Sprache „von der anderen Seite“. Das Hebräische versteht sich selbst als von der anderen Seite kommend und als Ursprache. Die griechischen Buchstaben Alpha und Beta, aus denen sich das Wort Alphabet zusammensetzt, entstammen den hebräischen Zeichen Aleph und Beth. Der antike griechische Geschichtsschreiber Herodot, der vor fast 2.500 Jahren lebte, bestätigte diesen Zusammenhang. Er erwähnte eine mythologische Gestalt namens Kadmos als Übermittler phönizischer Buchstaben nach Griechenland. „Kadmos“ leitet sich ab vom hebräischen „kedem“ und ist zu übersetzen mit „früher, Ursprung“. Das Phönizische zeigt eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Alt-Hebräischen, hat darin also seinen Ursprung und stellt den Übergang dar zum Griechischen.

      Das Hebräische ist sowohl Buchstabe als auch Zahl. Diese Eigenheit ist ein sehr tiefgründiger Hinweis und verdeutlicht die Tatsache, dass in der erlebbaren Welt alles 2 Seiten hat. Das irdische Leben ist geprägt von Widersprüchlichem und Gegensätzlichem. Jede Anschauung findet ihr Gegenteil, jeder Pol hat seinen Gegenpol. Nach jüdischer Überlieferung lebt in allem etwas Weibliches im Sinne von äußerlich Erscheinendem und etwas Männliches als hintergründiges Geistiges. Das Hebräische versteht sich als Sprache, die beides in sich trägt und zum Ausdruck bringt. Jedes Schriftzeichen als Kombination von Buchstabe und Zahl bildet diesen Doppelcharakter ab, ist weiblich und männlich zugleich.

      Diese gleichzeitige Existenz von Erscheinendem und Geistigem gilt für jedes hebräische Wort. Jede Buchstabenfolge ist auch Zahlenkombination und daher sowohl irdisch als auch nicht-irdisch. Die hebräische Sprache, die „von der anderen Seite“ kommt, bildet eine Synthese von Dies- und Jenseits. Sie erfüllt von Anfang an eine Brückenfunktion zwischen beiden Seiten, was die Bibel mit der Aussage bestätigt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“

      Das „Wort“ überbrückt eine Grenze und überwindet die scheinbare Unvereinbarkeit zwischen Dies- und Jenseits, zwischen Gott und der Welt. Über das „Wort“ kommt zum Ausdruck, was generell für jede Existenz gilt, nämlich dass eine Verbindung existiert zwischen dem Offensichtlichen und einem Hintergründigen. Die Seite des Hintergründigen wird vermittelt in Zahlen, die Seite des Offensichtlichen in Buchstaben. Das „Wort“, von dem die Bibel spricht und aus dem sie besteht, umfasst also beide Seiten, die bekannte und die „andere“.

      Das hebräische Alphabet besteht aus Konsonanten, die nicht Buchstaben, sondern Zeichen genannt werden. Diese Zeichen zeigen etwas in dieser Welt, das aus einer anderen Wirklichkeit kommt und bilden die Schnittstelle zwischen beiden Bereichen. Für Vokale existieren keine Schriftzeichen, sie werden der Welt des Geistigen zugeordnet und haben daher keine festen Formen.

      Die Überlieferung geht davon aus, dass eine Ursprache und ein Verständnis dafür in jedem Menschen angelegt sind. Sprache ist Teil des Menschseins, sie dient der Verständigung untereinander und bildet gleichzeitig eine Verbindung zum Ursprung. Eine verborgene Weisheit lebt in allen Sprachen, die sich erschließt, wenn man Aufmerksamkeit dafür entwickelt. Der Zusammenhang von zählen und er-zählen zeigt das. Ebenso besteht eine Verwandtschaft zwischen stehen und ver-stehen oder greifen und be-greifen. Es gibt dafür noch viele weitere Beispiele, besonders auch im Deutschen.

      Im Hebräischen ist die Reihenfolge der Buchstaben identisch mit der Zahlenfolge; Buchstaben sind Zahlen, Zahlen sind Buchstaben und sich gegenseitig eindeutig zugeordnet. Zahlen sind dabei der primäre Faktor und geben die Reihenfolge vor, in ihnen ist der Sinn unverfälschter enthalten als in geäußerten Lauten. Konsonanten als Äußerungen der erscheinenden Welt sind ihnen untergeordnet. Manche Wörter können daher durch die Verwendung verschiedener Vokale ganz unterschiedlich klingen; wenn dieselben Zahlengruppen darin vorkommen oder andere Übereinstimmungen in ihren Zahlenwerten herrschen, dann ist eine grundlegende Sinn-Verwandtschaft gegeben. Buchstaben drücken eine Mitteilung aus für die diesseitige Wahrnehmung. Zahlen beziehen sich auf das dahinter liegende Ursächliche und sind aus diesem Grund auch das Primäre. Jedes hebräische Wort besteht aus diesen beiden Seiten, die sich gegenseitig ergänzen und gemeinsam etwas manifestieren. Rätselhafte Formulierungen in den Überlieferungen erklären sich oft über die Zahlenfolgen, die in ihrer Kombination eine Information transportieren.

      Grundsätzlich sind die Texte des Alten Testaments keine Berichte über vergangenes Geschehen. Sie beschreiben etwas grundsätzlich Zeitloses, das in Form von Erzählungen in Raum und Zeit für das menschliche Bewusstsein erfassbar wird.

      Es existiert in diesen Erzählungen nichts Zufälliges in dem Sinn, dass es ohne Bedeutung wäre. Jedes Zeichen ist im Zusammenhang präzise gesetzt und hat eine konkrete, präzise Aussage. Diese Texte lassen genauso wie die gesamte materielle Welt eine Struktur und Ordnung erkennen, die für das große Gesamte genauso gilt wie für das Kleinste.


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