Bankrott und strafrechtliche Organhaftung. Jörg Habetha
(bei unveränderter objektiver Risikolage) oder der Übergang zu einer „vorsichtigeren Geschäftspolitik“ genügen daher nicht, Bunte AGB-Banken, Rn. 314.
Sog. „Financial Covenants“; Bunte AGB-Banken, Rn. 314: in Betracht kommen etwa die Eigenkapitalquote, die Gesamtkapitalrentabilität, etc.
Die Bank hat dem Kunden für die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten zudem eine angemessene Frist einzuräumen (Nr. 13 Abs. 3 S. 1 AGB-Banken).
Siehe hierzu oben Rn. 33 ff.
Zur Differenzierung zwischen Fälligkeit i.S.d. § 271 BGB und des § 17 InsO bereits ausführlich oben Rn. 19 f.
Zu den Voraussetzungen vgl. BGHZ 163, 134 (Formulierung im Leitsatz lit. c); Uhlenbruck in: Uhlenbruck, InsO, § 17 Rn. 21 f.; Bußhardt in: Braun, InsO, § 17 Rn. 9; MK-InsO-Eilenberger § 17 Rn. 18 f.
BGHZ 163, 134 (139).
Ganz in: Bittmann, Insolvenzstrafrecht, § 27 Rn. 2; BGH WM 1965, 475; BGH NJW 1970, 657 (658): „Anstoß zum Zusammenbruch“, „Todeskampf des Unternehmens“; Batereau WM 1992, 1517: „Tod des Unternehmens mit allen negativen Folgen wie insbesondere der Vernichtung von Arbeitsplätzen und der Zerschlagung von Vermögenswerten“.
§ 266 Abs. 3 HGB.
Zu den Voraussetzungen einer positiven Fortführungsprognose siehe oben Rn. 33 ff.
BT-Drucks. 12/7302, S. 157; krit. hierzu Gruber in: Bittmann, Insolvenzstrafrecht, § 7 Rn. 19.
Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge › B. Kenntnis der Bankverantwortlichen vom Eintritt der Krise als Grundlage der Kreditentscheidung
B. Kenntnis der Bankverantwortlichen vom Eintritt der Krise als Grundlage der Kreditentscheidung
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Die Entscheidung, ein Kreditengagement in einer wirtschaftlichen Krise des Kreditnehmers zu kündigen und zurückzuführen, erfordert rechtstatsächlich die Kenntnis der Bankverantwortlichen vom Eintritt oder Bevorstehen einer ökonomischen Krisensituation auf Seiten des Bankkunden. Voraussetzung ist die Möglichkeit der Bankangestellten, einen hinreichenden Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des betroffenen Unternehmens zu erhalten, um die wirtschaftliche Situation im Einzelnen zu beurteilen. Art und Umfang der Informationen, die Bankmitarbeitern aus der Geschäftsverbindung heraus bekannt werden (hierzu unten Rn. 51 ff.) bzw. die mit der Hilfe in der Bankenpraxis gebräuchlicher „externer Quellen“ gewonnen werden können (unten Rn. 56 ff.), werden nachfolgend untersucht. Dabei ist für eine Bewertung der insolvenzstrafrechtlichen Risiken von besonderem Interesse, ob Bankmitarbeiter hierdurch einen temporären oder qualitativen Informationsvorsprung gegenüber den übrigen Gläubigern des Bankkunden gewinnen.
Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge › B › I. Interne Informationsgewinnung – Kenntnisse aus der Geschäftsbeziehung
I. Interne Informationsgewinnung – Kenntnisse aus der Geschäftsbeziehung
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Wichtige Erkenntnisquelle der Bankmitarbeiter ist die Geschäftsbeziehung zu dem betroffenen Bankkunden. Die Geschäftsverbindung zwischen Banken und ihren Kunden besitzt eine besondere „Intensität“. Sie erschöpft sich nur selten in der Vornahme isolierter Rechtsgeschäfte. Die Geschäftsbeziehung ist häufig auf unbestimmte Zeit angelegt und durch Dauerschuldverhältnisse wie Giro- oder Kreditvertrag geprägt.[1]
1. Rechtliche Einordnung der Bankverbindung
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Die Aufnahme des geschäftlichen Kontakts wird als die Eröffnung einer Bankverbindung bezeichnet.[2] Diese „Verbindung“ führt namentlich im Geschäftskundenbereich nicht selten zu einem langfristigen, intensiven geschäftlichen Verhältnis und lässt zukünftig die Vornahme weiterer, in den Einzelheiten noch ungewisser Rechtsgeschäfte erwarten.[3] Teile von Schrifttum und Rechtsprechung ordnen die Geschäftbeziehung dogmatisch einem „Allgemeinen Bankvertrag“, i.S. eines die Einzelrechtsgeschäfte „überwölbenden“ Grundlagen- oder Rahmenvertrags, unter.[4] Zuletzt hat der BGH diese verbreitete Ansicht dagegen zu Recht abgelehnt,[5] da (konkludente) Willenserklärungen gerichtet auf den Abschluss eines bindenden Vertrags bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung nicht vorliegen.[6] Zudem entstehen Schutz- und andere Nebenpflichten der Bank unstreitig auch im Falle einer Nichtigkeit des Bankvertrags[7] und gelten bereits im vorvertraglichen Bereich.[8] Die Geschäftsverbindung zwischen Banken und ihren Kunden begründet aus diesen Gründen richtigerweise ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht.[9] Es handelt sich um einen Fall der Vertrauenshaftung, die sich aus den gesteigerten faktischen Einwirkmöglichkeiten der Bankverantwortlichen auf Rechtsgüter des Bankkunden ableitet.[10] Die „Gefährdungslage“ für Rechtsgüter des Bankkunden entsteht nicht zuletzt aufgrund der den Bankverantwortlichen im Rahmen der Geschäftsverbindung bekannt gewordenen Interna.
2. Informationen aus der Bankverbindung, den Geschäftskonten und Kreditunterlagen
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Bankmitarbeitern werden aus der Geschäftsverbindung frühzeitig Indizien einer wirtschaftlichen Krise des Geschäftskunden bekannt. Hierzu zählen etwa ein plötzlicher Kreditmehrbedarf, insbesondere wegen der Forderung von Lieferanten nach Vorkasse,[11] die „Rückholung“ von Ware durch Lieferanten, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurde[12] sowie steigende Vorräte („Lager“) ohne gleichzeitiges Ansteigen der Außenstände (Absatzstockungen).[13] Ähnlichen, allerdings eher abgeschwächten Indizcharakter besitzen Verzögerungen bei der Aushändigung von Jahresabschlüssen oder anderer (angeforderter) Kreditunterlagen, Auffälligkeiten bzw. Unklarheiten in der Buchhaltung oder eine steigende Anzahl von Auskunftsanfragen