Markenrecht. Jennifer Fraser
23, 25 – Fabergé; EuGH MarkenR 1999, 189 – Chiemsee). Die Bekanntheit alleine und für sich genommen ist jedoch nicht ausreichend, erforderlich ist vielmehr, dass das Publikum die Marke einem bestimmten Unternehmen zuordnet (BGH GRUR 2004, 514, 516 – Telekom) und das Zeichen als Herkunftsfunktion versteht (BGH GRUR 2006, 760, 762 – LOTTO; GRUR 2003, 332, 335 – Abschlussstück; GRUR 2001, 158, 160 – Drei-Streifen-Kennzeichnung). Es ist andererseits jedoch nicht erforderlich, dass das Publikum das Zeichen auch einem konkreten, benannten Unternehmen zuordnen kann, solange es jedenfalls einen Herkunftshinweis annimmt (BPatG GRUR 2007, 324 – Kinder (schwarz-rot)); eine demoskopische Untersuchung, bei der nach dem Namen des Herstellers (OLG Köln GRUR-RR 2006, 360, 361 – Streifenornamentik) oder der Assoziation zu einem Zeichen (OLG Hamburg MarkenR 2008, 209 – Anastacia-A) gefragt wird, ist mithin unergiebig.
279
Für die Steigerung der Kennzeichnungskraft kommt es ausschließlich auf die für die Marke eingetragenen und konkret in Streit stehenden Waren an (BGH GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2004, 239 – DONLINE; GRUR 2004, 235, 237 – Davidoff II; OLG Hamburg MarkenR 2009, 114, 116 – All-in-one; EuGH GRUR 2002, 804, 808 – Philips; GRURInt 1999, 734, 736 – Lloyd), eine Bekanntheit kann allenfalls im Einzelfall auf besonders eng verwandte Waren oder Dienstleistungen ausstrahlen (BPatG GRUR 2000, 807, 808 – LIOR/DIOR), wobei diese enge Verwandtschaft der gegenüberstehenden Waren in deutlich eingeschränkterem Umfang als bei der Warenähnlichkeit anzunehmen ist (BPatG GRUR 1997, 293, 294 – GREEN POINT/Der grüne Punkt).
280
Auch wenn sich die gesteigerte Kennzeichnungskraft nicht an einer prozentualen Verkehrsbekanntheit ablesen lässt (BGH GRUR 2006, 760, 762 – LOTTO; GRUR 2003, 1040, 1044 – Kinder I; GRUR 2002, 1067, 1069 – DKV/OKV; EuGH GRUR 2002, 804, 808 – Philips; GRURInt 1999, 734, 736 – Lloyd; GRUR 1999, 723, 727 – Chiemsee), sollen dennoch einige Beispiele aus der Rspr angeführt werden (zur demoskopischen Methode vgl Pflüger GRUR 2006, 818 ff; Niedermann GRUR 2006, 367 ff): Ein Bekanntheitsgrad von 90 % spricht für eine besonders hohe Kennzeichnungskraft (BGH GRUR 2004, 594, 597 – Ferrari-Pferd). Eine Bekanntheit eines Firmenkennzeichens von 60 % kann für eine normale Kennzeichnungskraft sprechen (BGH GRUR 2004, 514, 516 – Telekom). Die untere Grenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung soll nach der Rspr des BGH nicht unterhalb von 50 % angesetzt werden (BGH GRUR 2006, 760, 762 – LOTTO). Eine Bekanntheit von 48,5 % reicht für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft nicht aus (BGH GRUR 2003, 1040, 1043 – Kinder I), bei glatt beschreibenden Begriffen nicht einmal eine Bekanntheit von 60 % (BGH MarkenR 2007, 501, 502 – Kinder II; BGH MarkenR 2007, 495, 499 – Kinderzeit). Erreicht der Bekanntheitsgrad nur 34 % im gesamten Bundesgebiet und 40 % in den alten Bundesländern, soll ebenfalls nur von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen sein (BGH MarkenR 2005, 232, 234 – MEY/Ella May).
281
Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft kann sich auch daraus ergeben, dass ein Produkt in über 70 % der deutschen Einzelhandelsgeschäfte angeboten wird (OLG Köln MarkenR 2007, 157 – Moskovskaya).
282
Hinsichtlich der Umsatzzahlen soll ein Jahresumsatz von 35 Mio DM bei einer mehr als 100-jährigen Benutzung eines Dachzeichens für Arzneimittel eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft rechtfertigen (BGH GRUR 2002, 65, 67 – Ichthyol Bei Wodka ist ein Umsatz von 28 Mio EUR geeignet, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft anzunehmen (OLG Köln MarkenR 2007, 157 – Moskovskaya). Ein Jahresumsatz von 500 000 EUR für Schokoladenwaren sei hingegen kein Grund für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft (BGH GRUR 2003, 712, 713 – Goldbarren). Bei der Beurteilung der Umsatzzahlen ist zudem nicht nur auf die absoluten Beträge, sondern auch auf die Marktverhältnisse abzustellen, weshalb es auch darauf ankommen kann, welchen Rang die Marke in Bezug auf die Umsatzzahlen hält (OLG Köln MarkenR 2007, 157 – Moskovskaya).
283
Zudem kann die Erwähnung der Marke im Duden und/oder Brockhaus für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft sprechen (BGH MarkenR 2006, 409, 413 – Ichthyol II; BPatG GRUR 2006, 338, 339 – DAX-Trail/DAX). Eine ursprünglich normal kennzeichnungskräftige Marke kann zwar grundsätzlich dadurch verlieren, dass sie sich zu einer beschreibenden Angabe entwickelt hat; dies setzt jedoch voraus, dass sie vom Verkehr nahezu einhellig als reiner Sachbegriff empfunden wird, also nur noch ein völlig unerheblicher Teil des Verkehrs mit ihr eine Herkunftsvorstellung verbindet und – darüber hinaus – diese Umwandlung auf eine Untätigkeit des Markeninhabers zurückzuführen ist (BPatG GRUR 2006, 338, 340 – DAX-Trail/DAX). Sollten diese engen Voraussetzungen nicht vorliegen, ist dagegen von einer Steigerung der Kennzeichnungskraft und nicht von einer Schwächung auszugehen (BPatG GRUR 2006, 338, 340 – DAX-Trail/DAX).
284
Bei einer ernsthaften Markenbenutzung ist deren Kennzeichnungskraft jedenfalls höher anzusetzen als diejenige einer nichtbenutzten Marke (BPatG GRUR 1997, 840, 842).
285
Im Widerspruchsverfahren können die gegenseitigen Behauptungen nur eingeschränkt überprüft werden. Eine Beweisaufnahme findet nicht statt. Tatsachen werden daher nur berücksichtigt, wenn sie „liquide“ sind. Als solche kommen grds nur unstr und amtsbekannte Tatsachen in Betracht (BGH GRUR 2000, 890, 892 – IMMUNINE/IMUKIN; GRUR 1998, 927, 929 – COMPO-SANA; BPatG GRUR 2001, 436, 438 – CEFABRAUSE/CEFASEL; GRUR 1997, 840, 842 – Lindora/Linola). Es kann jedoch ein im Einzelfall nicht weiter beweisbedürftiger Vortrag auch im Widerspruchsverfahren berücksichtigt werden, wozu einerseits der Inhalt öffentlicher Register (BGH GRUR 1999, 241, 243 – Lions), aber andererseits auch Statistiken von amtl oder anderen neutralen Institutionen wie demoskopische Unternehmen zählen (vgl Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 176). In Anbetracht dessen, dass die Gegenseite nicht die Kennzeichnungskraft als solche bestreiten kann, weil diese keine Tatsache, sondern das Ergebnis der rechtlichen Würdigung ist, muss sich das Bestreiten auf die reine Tatsachenbasis beziehen. Soweit eine Tatsache durch ein entsprechendes Gutachten umfassend gestützt wird, wird ein einfaches Bestreiten nicht ausreichen, weshalb iE eine Glaubhaftmachung der Tatsachengrundlagen zur Bewertung einer Stärkung der Kennzeichnungskraft notwendig ist (BPatG MarkenR 2006, 460 – EVIAN/REVEAN; GRUR 2001, 513, 515 – CEFABRAUSE/CEFASEL).
(2) Schwächung
286
Eine Schwächung kann grds durch benutzte Drittzeichen eintreten (BGH GRUR 2002, 898, 899 – defacto; OLG Hamburg MMR 2006, 608 – ahd.de – dort abl; Ingerl/Rohnke § 14 Rn 651). Sehr oft wird in Widerspruchsverfahren eine solche Schwächung der Kennzeichnungskraft eines Zeichens durch eine Nutzung von Drittmarken angeführt. Voraussetzung für eine Schwächung durch eine vielfache Verwendung des Zeichens (bzw -bestandteils) ist, dass die Drittkennzeichen im Bereich der gleichen oder eng benachbarten Branchen, Waren oder Dienstleistungen und in einem Umfang tatsächlich in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Publikums an die Existenz weiterer Kennzeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (BGH GRUR 2002, 626, 628 – IMS; GRUR 2001, 1161, 1162 – CompuNet/ComNet; GRUR 1990, 367, 368 – alpi/Alba Moda; OLG München GRUR-RR 2008, 6 – B.T.I., bti/BPI). Die Existenz eines einzigen Drittzeichens reicht daher nicht für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft aus (BGH GRUR 2010, 833 Rn 17 – Malteserkreuz II; Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 183; allerdings kann nach der Auffassung des EuGH eine Verwechslungsgefahr bei langjähriger Koexistenz entfallen, EuGH GRURInt 2010, 129 Rn 82 – La Espgnola/Carbonelle), der BGH lehnte auch eine Schwächung der Kennzeichnungskraft beim Bestehen von vier Drittmarken ab (BGH GRUR 1999, 586, 587), wobei diesbezüglich immer auf den Einzelfall abzustellen ist und eine quantitative Grenze nicht gezogen werden kann. Ebenfalls reicht eine Drittnutzung für anderweitige Waren und/oder Dienstleistungen nicht aus (BPatG MarkenR 2017, 174, 180 – Malteser-Apotheke: die Benutzung des Begriffes Malteser für Apotheken schwächt nicht die Kennzeichnungskraft für pharmazeutische Erzeugnisse). Es wird letztendlich darauf ankommen, wie nah sich die Zeichen und Waren-/Dienstleistungsbereiche