Markenrecht. Jennifer Fraser

Markenrecht - Jennifer Fraser


Скачать книгу
unter dem Aspekt eines Serienzeichens), oder dass zumindest wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Markeninhabern bestünden (Verwechslungsgefahr iwS). Es besteht weitgehende Einigkeit in Lit und Rspr darüber, dass diese Fallgruppen auch weiterhin vom Verwechslungsschutz umfasst und dem gedanklichen Inverbindungbringen zuzuordnen sind (BGH GRUR 2000, 608, 609 – ARD-1; BPatG GRUR 1996, 282, 283 – Adalbert Prinz von Bayern/Luitpold Prinz von Bayern; Teplitzky GRUR 1996, 1, 2).

      232

      Ein gedankliches Inverbindungbringen soll dann bestehen, wenn bei Produkten eine geschlechtsspezifische Differenzierung üblich ist und sich die gegenüberstehenden Marken nur durch eine unterschiedliche geschlechtliche Darstellung unterscheiden (BPatG GRUR 2008, 350 – Sixty men/MISS SIXTY), was auch dann anzunehmen sein wird, wenn sich zwei Marken in femininer und maskuliner Form gegenüberstehen (zB allieva/allievo für die italienischen Begriffe für Schülerin/Schüler). Auch die Verwendung einer älteren Marke als Stammbestandteil einer jüngeren Markenserie begründet nach Auffassung des 32. Senats des BPatG (GRUR-RR 2009, 96 – FlowParty/flow) eine Verwechslungsgefahr wegen gedanklichen Inverbindungbringens; richtig erscheint insoweit allerdings, bereits eine unmittelbare Verwechslungsgefahr anzunehmen und den Serienbestandteil als selbstständig kennzeichnend anzuerkennen (vgl oben Rn 216).

      233

      IÜ haben sich in der Rspr die Fallgruppen der Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens (Rn 234 ff) und der Verwechslungsgefahr iwS (Rn 249 ff) herausgebildet.

      234

      Einer Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens (bis zur Entscheidung BGH GRUR 2009, 484, 487 – METROBUS auch als mittelbare Verwechslungsgefahr bezeichnet; vgl zur Terminologie auch Sosnitza Deutsches und europäisches MarkenR, München 2010, § 8 Rn 36 ff) liegt der Gedanke zu Grunde, dass ein Unternehmen eine Serie von Marken hält, die jeweils den gleichen Stammbestandteil aufweisen, so dass das Publikum bereits den Stammbestandteil als Herkunftshinweis auf dieses bestimmte Unternehmen versteht. In Betracht kommen dabei sowohl Bestandteile von Marken, die als Ein-Zeichen-Marken aufgefasst werden (zB UNIFONDS, UNIRAK, UNIZINS) als auch von sog Dachmarken, bei denen einer Produktfamilie eine eigene Marke zugeordnet wird (zB Tesa für sämtliche Klebeprodukte der Fa Henkel), während das einzelne Produkt einen weiteren Markenbestandteil erhält, so dass es mit bis zu drei Zeichen beworben werden kann, nämlich dem Unternehmenskennzeichen, der Dachmarke und der Produktmarke (vgl zu den Begrifflichkeiten Sosnitza GRUR 2011, 867, 868; Mehler MarkenR 2012, 399; mit anderer Bewertung Goldmann GRUR 2012, 234). Soweit ein Dritter eine Marke mit diesem Stammbestandteil beansprucht, kann die Gefahr bestehen, dass der Verkehr zwar nicht die Marke mit einer anderen Marke verwechselt, sie jedoch als weiteres Glied der bereits bestehenden Serie begreift (BGH GRUR 2009, 672 – OSTSEE-POST; GRUR 2009, 487 – METROBUS; GRUR 2008, 909 – Pantogast; GRUR 2008, 905 – Pantohexal; GRUR 2007, 1071 – Kinder II; GRUR 2007, 1066 – Kinderzeit; BPatGGRUR 2003, 70, 74 – T-INNOVA/Innova; BGH GRUR 2002, 542, 544 – BIG; EuGH GRUR 2011, 915 – UNIWEB/UNIFONDS/UNIRAK/UNIZINS; GRUR-RR 2009, 356 – MOBELIX/OBELIX; GRUR 2008, 343 – BAINBRIDGE – dort allerdings abgelehnt; Bender MarkenR 2012, 81; Eichelberger MarkenR 2006, 436 zum Unionsmarkenrecht mwN). Die Unterschiede zwischen den gegenüberstehenden Marken sind in diesen Fällen in aller Regel deutlich und werden vom Verkehr als solche aufgefasst. Sie führen jedoch nicht dazu, dass der Verkehr sie als Herkunftshinweise auf verschiedene Unternehmen begreift, sondern auch das jüngere Zeichen dem Inhaber der älteren Marke zuordnet, oder zumindest eine Verbindung zwischen beiden Unternehmen annimmt (EuGH GRUR 2011, 915, 918 – UNIWEB/UNIFONDS/UNIRAK/UNIZINS; zustimmend Sosnitza GRUR 2011, 867, 870).

      235

      Dies setzt bereits voraus, dass sich die Markenserie an ein aufmerksames Publikum richtet, welches sich über die Entstehung einer solchen Serie Gedanken macht (BGH GRUR 2000, 886, 888 – Bayer/BeiChem; BPatG GRUR 2006, 868 – go seven) Das BPatG verlangt ein zumindest halbwegs aufmerksames Publikum (BPatG GRUR 2008, 451 Rn 37 – WEB VIP/VIP; GRUR 2005, 773, 776 Rn 39 – Blue Bull/RED BULL). Mit dem Umstand, dass die Serienzeichen einem aufmerksamen Publikum gegenüberstehen, geht einher, dass die Stammzeichen sehr viel höheren Anforderungen an die Verwechslungsgefahr genügen müssen, als dies bei der Beurteilung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr der Fall ist (Ingerl/Rohnke § 14 Rn 1174). So ist in aller Regel eine Identität der als Stammzeichen in Betracht kommenden Bestandteile zu verlangen; jedenfalls müssen sie als identisch erscheinen, was nur dann gegeben ist, wenn die Unterschiede so unwesentlich sind, dass sie den Stammbestandteil in seinem Wesen nicht verändern und vom flüchtigen Verkehr nicht zur Kenntnis genommen werden; die als Stammzeichen in Betracht kommenden Elemente müssen wesensgleich sein (BGH GRUR 1989, 350, 352 – Abbo/Abo; BPatG GRUR 2005, 773, 776 Rn 38 – Blue Bull/RED BULL) und die Marken einem gleichartigen Zeichenbildungsprinzip folgen (BGH GRUR 1999, 161, 164 – MAC Dog). Schon eine Abweichung im Schriftbild kann die Annahme eines gemeinsamen Stammzeichens ausschließen (BGH GRUR 2005, 513 – MEY/Ella May).

      236

      Des Weiteren muss der Markeninhaber mehrere Marken mit einem gleichlautenden Serienbestandteil angemeldet haben und mit diesen im Verkehr auftreten (BGH GRUR 2002, 544, 547 – Bank 24; GRUR 2002, 542, 544 – BIG; BPatG GRUR 2002, 345, 346 ASTRO BOY/Boy). Der Verkehr muss an abgewandelte Bezeichnungen mit diesem Bestandteil gewöhnt sein (BGH GRUR 1999, 587, 589 – Cefallone; BPatG GRUR 2002, 345, 346 ASTRO BOY/Boy), was deren tatsächliche Nutzung voraussetzt (EuGH GRUR 2008, 343, 347 – BAINBRIDGE; BPatG GRUR 2002, 345, 346 ASTRO BOY/Boy; Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 470). Soweit die Rechtsprechung zunächst annahm, es könne im Einzelfall ausreichen, dass schon bei erstmaliger Verwendung die gemeinsame Nutzung eines gleichen Bestandteiles den Eindruck eines Serienzeichens erweckt (BGH GRUR 1998, 927, 928 – COMPO-SANA; GRUR 1996, 200, 202 – Innovadiclophlont; GRUR 1996, 267, 269 – AQUA; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 42, 45 – Sitting Bull), steht dem nunmehr die europäische Rechtsprechung entgegen (EuGH GRUR, 2008, 343 – BAINBRIDGE; EuG GRUR-RR 2009, 167). Der BGH hat sich dieser Einschätzung angeschlossen und seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (BGH GRUR 2013, 1239, 1242 Rn 40 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; GRUR 2013, 840 Rn 23 – PROTI II; s auch Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 470). Die konkrete Anzahl der benutzten Marken ließ der EuGH allerdings offen, er verlangt eine „genügende Anzahl“ (EuGH GRUR 2008, 343 – BAINBRIDGE), weshalb die Annahme eines Serienzeichens von allen Umständen des Einzelfalles abhängen dürfte, insbesondere der Marktdichte, der Marktdurchsetzung, dem Marktanteil, dem Umsatz, der Verkaufshäufigkeit (Alltagswaren ./. Luxusgüter) und nicht zuletzt dem relevanten Publikum.

      237

      Im Arzneimittelbereich ist dagegen das Publikum nach der Rspr des BGH an eine außerordentlich hohe Zahl von Zeichen gewohnt, so dass es bei einer Übereinstimmung eines Zeichenbestandteiles nicht vorschnell auf eine Identität der Herkunftsstätten oder auf organisatorische oder wirtschaftliche Beziehungen zwischen diesen schließe (BGH MarkenR 2006, 409, 411 – Ichthyol II).

      238

      Als Stammbestandteil ist nur ein solcher Bestandteil geeignet, der eine gewisse Eigenständigkeit aufweist, die nicht in der Gesamtbezeichnung aufgeht (BGH GRUR 1999, 153, 156 – DRIBECK‚s LIGHT; BPatG GRUR 1996, 879 – PATRIC LION/LIONS; GRUR 1996, 894 – NISSKOSHER/Nissen; in sämtlichen der vorgenannten Entscheidungen verneinten die Gerichte die Eigenständigkeit des gleichen Bestandteiles; EuG MarkenR 2004, 310 – Galáxia). Eine Unterteilung des Zeichens in zwei Teile darf nicht fern liegen (HABM Entsch v 29.9.2004 – R 759/2002-2, Volltext-ID 3K358254 unter volltextservice.luchterhand.de – 7900/790), iÜ kommt es auf eine grundsätzliche


Скачать книгу