Markenrecht. Jennifer Fraser

Markenrecht - Jennifer Fraser


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entspricht (BPatG Beschl v 17.6.2011 – 25 W (pat) 43/10 Rn 54 – Löwenabbildung/LÖWEN KAFFEE/Lion Quality; Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 477).

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      Auch wenn der EuGH die selbstständig kennzeichnende Stellung zunächst auf einen identischen Bestandteil gestützt hatte (EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 Rn 30 – THOMSON LIFE; so auch zunächst BPatG GRUR 2008, 74, 76 – Focus Home Collection/Focus; MarkenR 2006, 553 – Drillisch ALPHATEL/ALCATEL), ließ der BGH eine auch nur ähnliche Übernahme der älteren Marke ausreichen (BGH GRUR 2006, 859, 860 – Malteserkreuz, seitdem BGH GRUR 2010, 833, 835 – Malteserkreuz II; GRUR 2010, 729, 731 – MIXI; GRUR 2010, 646, 648 – OFFROAD; GRUR 2009, 772, 776 – Augsburger Puppenkiste; BPatG Beschl v 15.10.2013 – 24 W (pat) 527/10 Rn 32– Triflex ProThan/Protan). Ferner kann es ausreichen, dass nur der prägende Bestandteil der älteren Marke übernommen wird (BGH GRUR 2008, 258 – INTERCONNECT/T-InterConnect; BPatG Beschl v 20.11.2008 – 25 W (pat) 32/07 RenuVitalis/RENU MULTI-PLUS). Zu folgen ist der Ansicht in der Lit, nach der allerdings zumindest eine hochgradige Zeichenähnlichkeit vorliegen muss (Köchendörfer GRUR 2010, 195, 198; Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 480).

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      Kennzeichnungskraft des übernommenen Bestandteiles. Obwohl der EuGH zumindest eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verlangte (EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 Rn 37 – THOMSON LIFE), wandte der BGH die Theorie des selbstständigen Kennzeichens auch auf unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftige Marken an (BGH GRUR 2013, 833, 837 Rn 50 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2008, 1002 – Schuhpark; GRUR 2008, 905, 908 – Pantohexal; GRUR 2008, 258, 261 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2006, 859, 861 Malteserkreuz). Hiergegen wendet sich die Lit (Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 482). Eine nur schwache Kennzeichnungskraft reicht allerdings nicht aus (BPatG Beschl v 27.4.2010 – 33 W (pat) 1/09 Rn 39 – SMART Points/SMART).

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      Es müssen jedoch auch nach der Rspr des BGH besondere Umstände vorliegen, die die Annahme eines selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles rechtfertigen (BGH GRUR 2013, 833, 837 Rn 50 – Culinaria/Villa Culinaria; Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 420). Als solcher berücksichtigungsfähiger Umstand ist zunächst die Verwendung eines älteren Firmenzeichens innerhalb einem jüngeren Zeichen anzusehen (BGH GRUR 2013, 833, 837 Rn 51 – Culinaria/Villa Culinaria; EuGH GRUR 2005, 1042 Rn 29 – THOMSON LIFE). In anderen Fällen muss dem Bestandteil zumindest eine deutlich abgesetzte Stellung zukommen (BGH GRUR 2006, 859, 860 – Malteserkreuz), bspw wenn das ältere Zeichen vorangestellt wird (EuG GRURInt 2009, 738 Rn 30 – SPA THERAPY/SPA). Im Ausnahmefall kann dies auch zutreffen, wenn das jüngere Zeichen nur aus einem Wort besteht, der Verkehr aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles aber das ältere Zeichen im jüngeren komplexen Zeichen separiert aufnimmt (BGH MarkenR 2013, 185 Rn 33 – AMARULA/Marulablu; GRUR 2010, 729 Rn 34 – MIXI). In der Entsch ROLLER/ROLLER's Metro sah der BGH die selbstständig kennzeichnende Stellung des Bestandteiles Metro in der jüngeren Marke durch die Verwendung des (englischen) Genitivs hervorgehoben; zusätzlich stellt er auf die Verwendung im Rahmen eines Serienzeichens für die Anmelderin der jüngeren Marke ab (BGH MarkenR 2012, 151, 152 – METRO/ROLLER's Metro). Das BPatG lehnte wiederholt die Verwechslungsgefahr ab, wenn der identisch übernommene Bestandteil kein Firmenzeichen, kein Serienzeichen oder keine bekannte Marke darstellt (BPatG Beschl v 30.7.2013 – 28 W (pat) 60/12 Rn 35 – Modus Undercover/Modus; Beschl v 27.4.2011 – 29 W (pat) 553/10 Rn 52 – Angel-J Collection/Angel).

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      Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit. Schließlich lässt die deutsche Rspr eine hochgradige Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit ausreichen (BGH GRUR 2008, 905, 909 – Pantohexal; BPatG Beschl v 7.5.2010 – 25 W (pat) 52/09 Rn 38, 43 – Nimm 2 Fruchtpops/Fruitpop), obwohl der EuGH identische Waren bzw Dienstleistungen verlangte (EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 Rn 37 – THOMSON LIFE).

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       Entgegenstehende Gesichtspunkte

      Die Theorie des selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles darf nicht zu einem Elementenschutz führen (BPatG Beschl v 29.10.2013 – Az 25 W (pat) 546/11 Rn 39 – Timolopt; Beschl v 9.5.2012 – Az 28 W (pat) 60/11 Rn 41 – pureplate/decor metal). Dies gilt insb, wenn der Bestandteil aus dem älteren Zeichen in dem jüngeren Zeichen zu einem Gesamtbegriff kombiniert wird (BGH GRUR 2009, 484 – METROBUS; GRUR 2008, 909, 911 Rn 39 – Pantogast; BPatG Beschl v 20.3.2013 – Az 29 W (pat) 181/10 Rn 51 – TRENDUNIVERSUM/Universum Science Center Bremen; Beschl v 19.10.2012 – 28 W (pat) 15/11 Rn 61 – EVOLUTION motorsports; Beschl v 26.2.2009 – 25 W (pat) 22/07 DONAFLOR/Dona) oder zumindest eine gesamtbegriffliche Einheit entsteht (BPatG Beschl v 25.4.2012 – 28 W (pat) 509/12 Rn 27 – Snow Gecko/GECKO; Beschl v 19.10.2011 – 29 W (pat) 523/10 Rn 58 – SANKT VITALIS/VITALIS).

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      Oftmals stehen sich Marken gegenüber, bei denen die jüngere Marke eine ältere Marke vollständig übernimmt, ohne dass sie in der jüngeren Marke eine selbstständig kennzeichnende oder gar prägende Stellung einnimmt. Die von der deutschen Rechtsprechung auch für diese Fälle regelmäßig angewandte Prägetheorie führt dabei meist zu unbefriedigenden Ergebnissen. Die europäische Rechtsprechung stützt dagegen selbst bei kennzeichnungsschwachen Elementen die Verwechslungsgefahr auf die identische Übernahme der älteren Marke (EuG Urt v 24.1.2012 – T-260/08 – VISUAL MAP/VISUAL; Urt v 28.10.2009 – T-273/08 – First-On-Skin/FIRST; MarkenR 2005, 365 – FLEXI AIR/FLEX; GRURInt 2004, 143 – KIAP MOU/MOU; abgelehnt in EuG Urt v 2.2.2012 – T-596/10 – EuroBasket/Basket; vgl im Einzelnen Bölling, MarkenR 2012, 93).

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      Zu weit gehen dürften dabei die Entscheidungen BECKER (EuG GRURInt 2009, 603 – Barbara Becker/BECKER) und SEVEN (EuG Urt v 6.10.2011 – T-176/10 – SEVEN FOR ALL MANKIND/Seven), da diese einen zu weit gehenden Elementenschutz begründen, den das EuG im Falle Becker noch damit zu begründen versucht, dass dem Namen Becker jedenfalls in Italien eine größere Kennzeichnungskraft zukomme als dem dort geläufigen Vornamen Barbara. Ein Elementenschutz für das auch in Deutschland geläufige englische Zahlwort SEVEN führt dagegen zu einem unverhältnismäßig weiten Schutz eines kennzeichnungsschwachen Elementes.

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      Schließlich kommt eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen in Betracht. § 9 Abs 1 Nr 2 schützt Marken vor einer Verwechslungsgefahr „einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden“. Diese Fallgruppe stellt keine neben der allg Verwechslungsgefahr stehende Möglichkeit, sondern eine Konkretisierung dieser dar (EuGH GRUR 1998, 387 – Sabèl/Puma; HABM GRUR-RR 2006, 403, 404 – Oktobierfest/OKTOBERFESTBIER). Mithin kann sie nicht auf Fälle von behindernden, rufausbeutenden oder verwässernden Wirkungen ausgedehnt werden, in denen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht vorliegt (BGH GRUR 2002, 544, 547 – Bank 24; GRUR 2000, 886, 888 – Bayer/BeiChem; BPatG MarkenR 2008, 81, 85 – dCP deutsche CityPost). Ein gedankliches Inverbindungbringen stellt ferner keine Vermutung für eine Verwechslungsgefahr dar; vielmehr ist diese in jedem Einzelfall positiv festzustellen (EuGH MarkenR 2000, 255, 257 – adidas/Marca).

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      In der Rspr setzte sich schon unter Geltung des WZG die Auffassung durch, dass eine Verwechslungsgefahr nicht nur dann bestehen könnte, wenn das Publikum eine Marke mit einer bestimmten anderen Marke verwechseln könnte, sondern darüber hinaus auch dann, wenn es wegen


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